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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


Tropen befinden. Wie sorgfältig und sauber die Plantagen selbst angelegt werden, lernten mir bei einem Besuche in der Dawson-Straße kennen, welche die Inseln Normanby und Fergusson trennt, aber der vielen Riffe wegen kaum für kleinere Schiffe praktikabel ist.

Ich explorirte die Dawson-Straße mit dem Boote und wurde überrascht von den landschaftlichen Schönheiten, namentlich der Küste von Normanby, denn von den hohen prächtigen Gebirgen auf Fergusson sieht man wenig, da sie meist eingehüllt sind. Aehnlich war es bezüglich der Eingeborenen, die sich fast so versteckt hielten, wie die Berge. Als wir uns der Goulvain-Insel näherten, änderte sich dies, und zahlreiche Canus mit Eingeborenen kamen uns entgegen, die unaufhörlich „man of war“ (Kriegsschiff) schrieen, das einzige Fremdwort, welches sie kannten. An der Westseite dieser Insel, die ausgedehnte Plantagen aufweist, ist ein Dorf mit einem schuppenartigen Gebäude , das zur Aufbewahrung eines gewaltigen, an 60 Fuß langen Canu dient. Das Letztere, obwohl reich mit Schnitzwerk und Bemalung verziert, interessirte mich aber weniger als die Giebelseite des Schuppens selbst. Hier waren zwar keine Schnitzereien angebracht, aber eine andere Zierat – Schädel! menschliche Schädel! die den Anthropologen wohl reizen konnten. Mit Hilfe meiner Kenntniß der Allerwelts-Zeichensprache hatte ich bald den größten Theil dieses Schatzes erworben, bis sich die Weiber energisch ins Mittel legten und den Rest vor meinen profanen Händen in Sicherheit brachten. Diese Schädel, o ihr Goulvainer! sprechen schweren Verdacht gegen Euch aus, den Verdacht der Menschenfresserei! Sie zeigen nämlich sämmtlich ein großes Loch am Hinterhaupt, was nur zu deutlich schließen läßt, daß der Inhalt, das Gehirn, als besondere Delikatesse des Kannibalen-Menus figurirte.

Catamarans.

Noch reicher und schöner waren die Dörfer, welche wir darauf in einer tiefen Bucht der Südküste von Fergusson besuchten, wo uns die Eingeborenen überall mit dem Ausdrucke großer Furcht empfingen. Wie so häufig, war nur die männliche Bevölkerung vertreten und die weibliche längst in Sicherheit gebracht worden. Und die Leute mochten, auf Grund früherer Erfahrungen, Recht darin haben. Die Häuser waren hier ähnlich wie in der Weihnachtsbucht, aber schöner und kunstvoller und an der Giebelfront mit rother und weißer Bemalung in Schachbrettform verziert. Mit diesem hübschen, fast eleganten Aeußeren der Häuser wetteiferte die Sorgfalt in der Anlage der Plantagen. Die treffliche schwarze Erde erschien so fein wie durchsiebt, die Ranken des Yams wanden sich an Stangen empor und erinnerten an Hopfen, die Stämme der Bananen waren nicht nur an Pfähle gebunden, sondern je von einem kleinen Zaune umgeben, ihre mächtigen Fruchtbüchschel zum Schutze gegen Papageien und fliegende Hunde sorglich umhüllt, kurzum, es herrschte eine Sauberkeit und Pflege, wie man sie bei einem Kunstgärtner bei uns kaum besser sehen kann. Flüge kreischender Papageien und Kakadus erhoben sich, als wir jene Gefilde durchstreiften, aber ich ließ sie ungestört, denn eine andere sonderbar klingende Vogelstimme erregte meine Aufmerksamkeit. Aber es ist so schwer, in dem dichten Gelaube tropischer Bäume Vögel zu erspähen, und das geübtere Auge des Eingeborenen muß meist aushelfen. Mein schwarzer Begleiter bezeichnete mir, lebhaft gestikulirend, den Urheber der merkwürdigen Töne; endlich sah ich ihn, der Schuß knallt, und zu meinen Füßen liegt ein großer, prachtvoll stahlviolett schimmernder Vogel – Manucodia Comrii, – der prachtvollste Vertreter der Paradieskrähen, eine Beute, um die mich jeder Ornithologe beneidet haben würde. So durfte auch ich zufrieden sein und auf wirkliche Paradiesvögel verzichten, von denen die d'Entrecasteaux übrigens eine eigenthümliche Art besitzen.

Die „Fingerspitze“ in der Chads-Bai.

Mit Kap Bentenat, der Südostspitze von Normanby, gewinnt die Landschaft einen abwechselnden lieblichen Charakter. Zahlreiche Inseln, reich mit Kokospalmen und Kulturland bedeckt, wechseln mit Sandbänken und Korallenriffs, unter denen das Gallow-Riff, an der Einfahrt zur Göschenstraße, zwischen Normanby und Ost-Kap, das größte ist. Beinahe wäre dasselbe der „Samoa" verhängnißvoll geworden, denn ihr Kiel streifte dasselbe bereits, glücklicher Weise ohne fest zu sitzen. Die soviel gepriesene und übertrieben geschilderte Schönheit der Korallbildungen reizt in solchen Momenten sehr wenig zur Bewunderung, und wir waren froh, als wir wieder dunkles, tiefes Wasser unter uns und nichts von Korallen sahen.

Ost-Kap ist der Ausläufer einer an 500 Fuß hohen Hügelkette, die nach West, bis in die Tiefe von Goodenough-Bai, in hohe Gebirge übergeht. Dieser an 80 Seemeilen lange Küstenstrich bietet daher die reichste Abwechselung von lieblichen grünen Hügeln bis zu 5000 Fuß hohen Gebirgen und gehört landschaftlich wohl zu den schönsten der ganzen Ostküste. Schon hinter Kap Ducie in Chads-Bai treten kühne Bergformen auf, wie die in der nebenstehenden Abbildung veranschaulichte „Fingerspitze“, die weiter nach West sich zu immer großartigeren Gebirgslandschaften gestalten und das Auge des Beschauers in gesteigertem Entzücken erhalten. Die charakteristischen Züge dieser Küstenlandschaft sind die fast unmittelbar zum Meere abfallenden, mit tiefen Schluchten und Spalten durchzogenen Gebirge, die nur auf der Kammlinie mit Wald, im Uebrigen mit frischem grünen Graswuchse bedeckt sind, und die auffallende Menge von Wasserfällen, von denen wir oft acht zugleich zählten, obwohl es in der trockenen Jahreszeit war. Längs dieser Küste findet sich wenig Vorland, in Folge dessen auch wenig Bevölkerung, die in den Bergen ihre Wohnsitze aufgeschlagen hat. Mit Erstaunen zeigte uns das Fernrohr noch in Hohen von über 4000 Fuß an den abschüssigsten Hängen die sorgfältig angelegten Plantagen der Eingeborenen, auf den steilsten und spitzwinkeligsten Sätteln ihre Pfade. – An der Nordseite von Goodenough-Bai sinken die Gebirge

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 369. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_369.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)