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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

wieder zu mäßigen Berg- oder Hügelreihen herab bis Kap Bogel, welches Goodenough-Insel gegenüber die Festlands-Küste begrenzt.

Von hier aus westlich dampfend verloren wir, um der riffreichen und gefährlichen Colingwood-Bai auszuweichen, die Küste wiederholt aus Sicht, bis uns die an 4000 Fuß hohen Gebirge bei Kap Nelson, mit den charakteristischen Spitzen Trafalgar und Victory, wieder als Landmarke dienten. Diese Gegend ist sehr malerisch und bietet, wie theilweise die um Kap Bogel, schönes Kulturland, welches weiter nach West mehr verschwindet und bis Mitrafels einförmigen, dichtbewaldeten Küstenketten Platz macht.

Abgesehen von den malerischen Schönheiten gewisser Strecken fanden wir diese ganze, an 260 Seemeilen lange Küste wenig versprechend für Ansiedelungen, schon deßhalb, weil sie kaum einen Hafen besitzt. Außerdem ist sie schwach bevölkert und hat wenig Kokospalmen aufzuweisen, mit Ausnahme des kurzen Striches von Ostkap bis nach Chads-Bai. Hier giebt es reiche Kokospalmen-Distrikte, außerordentlich geeignet zur Gründung einer Koprastation, aber wir untersuchten wiederholt vergeblich die Küste, ehe wir etwa acht Seemeilen westlich von Ostkap einen geeigneten Ankerplatz ausfindig machten.

Jch wußte nicht, daß England diesen Theil bereits annektirt hatte, und in dem Glauben, daß es noch unvergebenes Land sei, beschloß ich, hier eine Koprastation zu gründen. Innerhalb einer Woche bauten wir hier ein Haus nebst Schuppen, landeten unsere Kühe und Schafe, und das später so gefürchtete „German East-Cape-settlement“, das in den Kolonien so viel Staub aufwirbelte, war fertig. Ich übergab diese erste Handelsstation an der ganzen Ostküste, von mir „Blumenthal“ genannt, Karl Hunstein, einem Deutschen, der schon sieben Jahre in Neu-Guinea als Naturaliensammler lebte und trefflich verstand, mit den Eingeborenen umzugehen. Ich kannte ihn schon von meinen früheren Reisen an der Südostküste her, wo er mich in das Innere von Port Moresby begleitet und mir ausgezeichnete Dienste geleistet hatte. Diese Wahl war eine sehr glückliche, denn die anfangs scheuen, später sehr umgänglichen Eingeborenen erwiesen sich, als wir mit der „Samoa“ den Platz verlassen hatten, keineswegs als die „netten Kerle“, welche sie anfänglich schienen, und nur einem Manne mit der Erfahrung von Hunstein gelang es, friedlich mit ihnen auszukommen. Unter diesen Verhältnissen war es mir lieb, später die Station „Blumenthal“ wieder anfheben zu können, nachdem ich inzwischen erfahren hatte, daß sie sich auf englischem Gebiete befand.

Die Eingeborenen dieser Küste sind echte Papuas, zeigen aber in ihrem Aufputze wie sonst gewisse Eigentümlichkeiten. Was den ersteren betrifft, so gehören hierzu auffallend große Armbänder aus gespaltenem Rottang, besonderer Trauerschmuck, die Bekleidungsmatten der Männer aus zusammengenähten Pandanusblättern und die häufige Verwendung von Menschenhaar. Die Männer trugen dicke Stränge von solchem als Gürtel, zum Theil mit weißen Cypräamuscheln verziert, und ließen ihr eigenes Haar in Form eines dichtverfilzten Zopfes im Nacken herabhängen. Der Umstand, daß an diesem Zopfe häufig menschliche Halswirbel befestigt sind, erregt in mir den Verdacht, daß auch die biederen Bewohner von Hihiaura, wie unser Nachbardorf hieß, Kannibalen sind, einen Verdacht, den ich übrigens unter Vorbehalt ausspreche.

Hihiaura ist ein sehr hübscher Platz und hat besonders stattliche Häuser aufzuweisen. Auf unserm Hauptbilde (S. 373) sehen wir eins derselben, vom Bambusdickicht umgeben und von Kokospalmen beschattet, ebenso getreu wiedergegeben wie die Gruppe der Weiber, welche neben einer Banane ihr Mahl kochen. Eine weitere charakteristische Illustration dieses Gebietes ist die der hier üblichen Fahrzeuge, Catamarans genannt. Sie bestehen in der einfachsten Weise aus drei behauenen und an einander gebundenen Banmstämmen, eine Wasserkntsche, die große Uebung erfordert, da sie bei der geringsten Bewegung umkippt.

In unserem nächsten Aufsatze werden wir mit Milne-Bai und den Inseln östlich davor ein in vieler Hinsicht interessantes neues Gebiet kennen lernen.




Was will das werden?

Roman von Friedrich Spielhagen.
(Fortsetzung.)
9.

Ich hatte hier die höchste rauhe Höhe des Waldgebirges überschritten, das nun nach Norden schroffer zur Ebene absank. Mit der Form der berge hatte sich auch der Wald verändert: Laubholz drüben, Nadelholz hüben; hochragender Wald, zwischen dessen schlanken Stämmen das Wild aus weiterer Ferne sichtbar wurde, und durch dessen Wipfel es einförmiger und feierlicher rauschte, daß es fast wie das Rauschen meines geliebten Meeres klang.

Und daß es mit der Stimmung zusammenklang, die jetzt in meiner Seele obwaltete. Nicht mehr die weiche Friedenssehnsucht, die mich ganz erfüllt hatte, als es noch galt, mich aus den wilden Herzensstürmen zu retten; eine stille gefestete Entschlossenheit jetzt, das Rettungswerk zu vollenden und das letzte Glied der Kette durchzufeilen, das mich noch an den Herzog fesselte.

Zwar einen letzten Versuch wollte ich machen, ihn zu Adele's Gunsten umzustimmen. Mißlang der Versuch - und ich hatte wenig Hoffnung, daß er gelingen werde - nun, so mußte mir Adele Freiheit geben, mich loszuringen aus einer Lage, in die ich nicht gehörte: nicht nach meiner Geburt, Erziehung, nach meinen Ueberzeugungen, und nicht nach der Begabung, welche ich schließlich als die einzige in mir fand, für die zu leben sich für mich der Mühe des Lebeus verlohnen könne.

Schwere, düstere Gedanken, als ob sie aus den schwarzen Wolken gekommen wären, welche sich über dem Walde zusammenzogen, und unter deren Druck die Tannen ihre hohen Wipfel zu beugen und im vielverschlungenen Geäst zu stöhnen und zu knarren begannen. Und nun große, warme Tropfen, vereinzelt erst, dann dichter und dichter, daß der Wanderer auf der Landstraße sich unter die vorspringenden Nadeldächer an der Wegseite drückte, die auch bald keinen Schutz mehr vor dem jetzt in Strömen hernieder rauschenden Regen gewährten. Im tiefen Forst hatte ich zu wiederholten Malen ein Unwetter gern über mir sich austoben lassen, hier zerstörte die Landstraße mit ihrem grauen Staube, der sich alsbald in rinnende Schmutzwasser verwandelte, die Poesie des Regensturms. Auch hatte ich vorhin an dem einen Ende einer Schneise, welche die Landstraße durchschnitt, ein Haus liegen sehen, das seitdem allerdings wieder verschwunden war, in dessen Nähe ich mich aber, wenn mein Ortssinn mich nicht trog, befinden mußte. So entschloß ich mich, weiter zu gehen, und erblickte nach ein paar hundert Schritten das gesuchte Haus: ein ziemlich ausgedehntes niedriges Gebäude auf einer Waldblöße, die den Scheitel des Berges zu bilden schien, welchen ich bereits seit einer Stunde emporstieg.

Triefend langte ich auf der Schwelle an, zusammen mit einem halben Dutzend Personen, die irgendwo anders her aus dem Walde kamen, ich hatte bis zu diesem Moment keinen von ihnen wahrgenommen. Es mußten sich hier viele Wege kreuzen: die weite, sehr niedrige Gaststube war bereits halb gefüllt, als wir eintraten, und immer noch kamen neue Nachzügler, triefend wie wir; denn das Unwetter wüthete weiter, ja gebärdete sich immer toller. Obgleich es eine halbe Stunde zuvor heißer heller Nachmittag gewesen, war es jetzt dunkel, wie beim Einbruch der Nacht, und das Heulen des Sturmes vernahm man nur zu deutlich durch die klappernden Fenster, gegen die Guß auf Guß prasselte und klatschte.

Nur zu deutlich, denn in dem weitem Raum, trotzdem längst jede Bank und jeder Stuhl besetzt war, und so Manche, die keinen Platz in ihr gefunden, sich an den wenigen freien Stellen zwischen den Tischen zusammendrückten, herrschte eine Stille, die das jeweilige, murmelnd geführte Gespräch zwischen ein paar Benachbarten nur noch bänglicher zu machen schien. Offenbar kannten einander die Wenigsten, die hier der Zufall zusammengetrieben;

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_370.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2021)