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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Blätter und Blüthen.

Die Grundsteinlegung des neuen Rathhausbaues zu Hamburg. (Mit Illustration Seite 405.) Die alte „freie und Hansestadt“ an der Elbe und Alster befand sich am 6. Wai dieses Jahres in ungewohnter Aufregung. Die Mitglieder „Eines hohen Senates“ legten, was nur höchst selten und bei ganz besonders feierlichen Veranlassungen geschieht, ihre Amtstracht an, kostbare altspanische Kostüme von Sammet und Seide (der sogenannte „Stalt“), um den Hals breite weiße, gesteifte und gefältelte Kragen, auf dem Kopfe das Barett. Der würdigen, sich sehr stattlich ausnehmenden Herren harrten die mit dem dreithürmigen Wappen geschmückten Staatskarossen aus dem Marstall der Republik, welche die „Magnifici“ und „Wohlweisheiten“ nach derjenigen Stätte tragen sollten, wo sich nach einigen Jahren ihr neues Heim erheben wird und die schon seit reichlich vier Jahrzehnten den Namen „Rathhausmarkt“ führt.

Dorthin wallfahrtete zugleich Alles, was sich zu den Honoratioren Hamburgs zählt, sowie die Ehrengäste, welche zu der Feier der Grundsteinlegung eingeladen worden.

Die Tribünen der umfangreichen Baugrube, reich mit Flaggen, Bannern und Blumengewinden geschmückt, boten trotz des Vorherrschens des schwarzen Fracks ein farbenreiches Bild, da auch zahlreiche Damen anwesend waren und manche Militär- und Beamtenuniform für Abwechselung sorgte. Rings um den unter einer Balkenpyramide an den Ketten eines Flaschenzuges schwebenden granitenen Grundstein standen Zimmerleute mit blanker Axt auf der Schulter, sowie andere Bauhandwerker in idealisirter Arbeitskleidung, unter Führung derjenigen acht hamburgischen Architekten, welche vereint den schließlich genehmigten Bauplan entworfen hatten: Joh. Grotjan, Martin Haller, Wilh. Hauers, Bernh. Hanssen, Leop. Lamprecht, Emil Meerwein, Hugo Stammann, Gust. Zinnow. – Inmitten des Platzes erhob sich, von prächtigen Palmgruppen umgeben, das überlebensgroße goldbronzirte Standbild Kaiser Wilhelm’s.

Vor demselben stehend, nahm, nachdem die Klänge des von den Sängern mit Pauken- und Posaunenbegleitung vorgetragenen Chorals „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr“ verhallt waren, der Bürgermeister Dr. Petersen das Wort zu einer kurzen und kräftigen Ansprache. Daran erinnernd, daß an demselben Datum vor 44 Jahren, am 6. Mai 1842, das frühere seit dem Jahre 1292 bestehende hamburgische Rathhaus dem großen Brande zum Opfer gefallen war, betonte er, daß die Halle desselben in lateinischer Sprache den Spruch getragen habe: ‚Die Freiheit, welche die Altvordern errangen, würdig zu wahren, sei die Nachwelt bestrebt.‘ „Mögen Hamburgs Söhne,“ fügte er daran anknüpfend hinzu, „stets eingedenk sein der Bürgertugenden: Opferwilligkeit, unbedingte Achtung vor dem Gesetz, Mäßigung und Selbstbeherrschung, Fernhaltung verleitlichen Ehrgeizes, einfache Sitte.“

Noch eine Ansprache ward seitens des ersten Vorsitzenden der Bürgerschaft, Landesgerichtsdirektor Dr. Mönckeberg, gehalten; sodann verlas der Rechtsanwalt Dr. John Israel Namens der Raths- und Bürgerkommission, in deren Hände die Ausführung des Baues gelegt worden war, die in den Grundstein zu verschließende Urkunde, und es erfolgte die Grundsteinlegung mit den feierlichen Hammerschlägen in üblicher Form; der Senior der Hamburgischen Geistlichkeit, Dr. Hirsche, Hauptpastor zu St. Nikolai, gab durch einen über den Grundstein gesprochenen Segen dem Feste auch die religiöse Weihe. – Sänger und Orchester, welche in den Pausen zwischen den einzelnen Rede-Akten noch einige Tondichtungen zum Vortrag gebracht hatten, stimmten schließlich das zum Mitsingen für alle Festtheilnehmer bestimmte „Nun danket alle Gott“ an, und langsam, nach etwa 11/4stündiger Dauer der Feier, leerte sich alsdann unter den Klängen des Lieblingsmarsches der ehemaligen Hamburger Bürgergarde der Festplatz. G. K.     

Die größte Orgel der Welt. Um Mitte December vorigen Jahres wurde in der Heiligen Dreifaltigkeitskirche zu Libau in Kurland durch den bewährten Orgelbaumeister B. Grüneberg in Stettin ein Orgelwerk vollendet, das heute als das größte seiner Art bezeichnet wird.

Dieses Riesenwerk, mit 4 Manual-Klaviaturen und einem Pedal, nimmt auf dem Orgelchor die ganze Breite genannter Kirche, etwa 18 Meter ein, besitzt 131 klingende Stimmen und ca. 8000 Pfeifen, denen durch 14 Gebläse größter Dimension der erfordcrliche Wind zugeführt wird.

Von den 131 Stimmen gehören allein 42 dem Hauptwerk, 24 dem Brustwerk, 17 dem Oberwerk, 13 dem Feen- oder Echo-Werk und 35 dem Pedal an; die größte Pfeife des letzteren (C) Kontrabaß ist aus Bohlen von 75 mm Stärke hergestellt, besitzt eine Länge von 32 Fuß, mißt im Durchschnitt 48 Quadratcentimeter und hat ein Gewicht von 14 Centnern! Außer den 13l Registerzügen sind noch 21 Nebenzüge vorhanden, durch deren theilweise Benutzung der Spieler in den Stand gesetzt wird, die zu verschiedenen Gruppen kombinirten Stimmen oder einzelne derselben ohne weitere Registrirung momentan in Gebrauch zu nehmen. Mittelst der in dem Werk angelegten, vorzüglich konstruirten „pneumatischen Maschine“ vermag der Organist die zusammengekoppelten 4 Manual-Klaviaturen, welche 96 Stimmen repräsentiren, technisch wie einen Koncertflügel zu behandeln.

Die Tonwirkung des vollen Werkes ist eine überwältigende, wie denn auch jede der einzelnen Stimmen charakteristisch erklingt! Das Urtheil Sachverständiger fiel daher sehr günstig aus.

Vergleichsweise mögen die bisher bestehenden größten Orgelwerke hier noch Erwähnung finden. Es besitzen: Orgel im Dom zu Riga 125 Stimmen, Gardens City. Long Island 120 St., Albert-Hall, London 100 St., Dom in Ulm 100 St., St. Georgs-Hall, Liverpool 100 St., Notre Dame de Paris 90 St., Kathedrale zu Boston 86 St., Dom zu Schwerin 85 St., desgl. Nikolaikirche zu Leipzig 85 St., während Deutschlands größtes Gotteshaus, der Kölner Dom, ein Werk von nur 42 Stimmen aufzuweisen hat. Dr. Ludwig Klug-Stettin.     


Sprechsaal.


Zur Frage 13 wird uns noch Folgendes mitgetheilt: „Die Lösung der Frage: ,Wie entfernt man alten Schellackanstrich aus Fußböden!?‘ ist, glaube ich, der des Gordischen Knotens ähnlich, man hobelt nämlich den Fußboden ab. Es kann das allerdings nicht von zarten Händen geschehen, ein Tischler besorgt’s jedoch zu geringem Preise, billiger noch als Schmierseife, Lauge und Spiritus, mit denen man nie auf ‚einen grünen Zweig‘ – wollte sagen: ‚weißes Holz‘ kommen wird.“ Die meisten uns inzwischen zugegangenen Zuschriften empfehlen gleichfalls einen gewandten Tischler und einen guten Hobel.

Frage 16: „Welche tragbaren Geradehalter würden Sie mir empfehlen?“

Antwort: Die „tragbaren Gradehalter“, welche bei Tage beständig und zwar unmittelbar über dem Korset getragen werden, haben den Zweck, durch Zurückziehen der Schultern die Wirbelsäule zu strecken und die besonders bei heranwachsenden Mädchen nicht seltene vorgebeugte, krumme Haltung des Oberkörpers zu bessern. Von den verschiedenen Formen führen wir Ihnen zwei einfache, mit Riemen und Schnallen versehene vor, wie sie bei Bandagisten (in Leipzig unter Anderem bei Reichel, Schädel etc.) vorräthig sind. Auch fügen wir das Bild eincr dritten hinzu, bei welcher das unangenehme Vortreten der das Kleid leicht durchscheuernden Schnallen vermieden und der Zug durch sich kreuzende, dem Körper sich besser anschmiegende Stoffstreifen ausgeübt wird, die man nach vorn mittelst Haken schließt. Letztere Form des Gradehalters wird unter Anderem von Frau Knaur-Hormann, Leipzig, Jablonowsky-Straße, angefertigt. Ob das Tragen eines Geradehalters bei Ihrem Kinde angezeigt ist, darüber muß Ihr Hausarzt entscheiden.

Frage 17: „Wie vertilgt man am einfachsten und sichersten Holzwürmer? Gemeint sind die kleinen, silberglänzenden, in der Form fischähnlichen, äußerst flinken Thierchen, welche nicht nur in alten Möbeln, sondern auch in Gebäuden großen Schaden anrichten können.“

Frage 18: „Wie kann man Bernstein zusammenschmelzen, ohne daß er seine schöne Farbe verliert? Vielleicht läßt sich derselbc aug eine andere Art und Weise zusammenbringen, ohne zu kitten. Welche Versuche sind damit gemacht worden?“


Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.)

E. G. in K. Die in dem Artikel „Die Ausstellung des Ornithologischen Vereins in Wien“ („Gartenlaube“ 1886, Nr. 18) genannten Nistkästchen können Sie von dem Erfinder derselben, Herrn Fritz Zeller in Wien, II, Untere Donaustr. 13, beziehen.

F. R. M. Die Unterschrift des betreffenden Bildes ist richtig. Wassersnoth ist die Gefahr, die übertretendes Wasser bringt; Wassernoth das dringende Bedürfniß an Wasser.

Abonnent seit 1853 in A. Die von Ihnen genannte Adresse genügt.


Inhalt: Am Pfingstmorgen. Gedicht. Mit Illustration S. 393. – Die Lora-Nixe. Novelle von Stefenie Keyser (Schluß). S. 394. – In der Kunstausstellung. Illustration. S. 397. – Vom Nordpol bis zum Aequator. Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm. 2. Bilder aus dem Affenleben. IV. Von der Begabung der Menschenaffen. Schlußbetrachtung. S. 398. – Studien nach dem Leben. Von Hermann Heiberg. Gewohnheiten und Unarten. II. S. 400. – Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit. Ein Wettkampf zwischen Geschütz und Panzer. Von C. Falkenhorst. S. 401. Mit Abbildungen S. 401 und 402. – Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 402. – Das Publikum der Kunst. Von Fritz Mauthner. S. 407. – Blätter und Blüthen: Die Grundsteinlegung des neuen Rathhausbaues zu Hamburg. S. 408. Mit Illustration S. 405. – Die größte Orgel der Welt. Von Dr. Ludwig Klug-Stettin. – Sprechsaal. – Kleiner Briefkasten. S. 408.



In der nächsten Nummer der „Gartenlaube“ wird der längst mit Spannung erwartete Roman

„Sankt Michael“ von E. Werner

beginnen. Neu eintretenden Abonnenten werden die bereits erschienenen Nummern des Quartals nachgeliefert.

Die Redaktion und Verlagshandlung der „Gartenlaube“.



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redakteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_408.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2024)