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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

geschirrten Schlachtrossen gezogene, durch die goldene Siegesgöttin beschirmte Triumphwagen des Königs Attalos, in dem er selbst, hochaufgerichtet, das ihn umjubelude Volk begrüßte. Auf seiner Brust strahlte eine goldene Sonne, ein goldgestickter Purpurmantel wallte von seinen Schultern herab. Beim Herannahen des Zuges schritten weißgekleidete Priester die Tempelstufen herab – voran Knaben; dann, von dem Oberpriester geführt, die Priester, die Priesterinnen und der Chor der Sänger. Diese stellten sich an dem vor dem Obeliskenplatze errichteten Triumphbogen auf, empfingen den Herrscher mit Gesang, segneten ihn und schlossen sich dann dem Zuge wieder an. Fanfaren ertönten, und Evoë-Geschrei erhob sich im Volke, als der König die Stufen des Tempels emporstieg.

Der Siegeswagen des Königs Attalos.

Nun nahm der Areopag oberhalb des Altars neben der Athene-Gruppe Aufstellung. Auf diesem selbst wurden die Feuer entzündet, und der Herrscher trat vor denselben.

Inzwischen hatten sich sämmtliche Mitglieder des Zuges in malerischen Stellungen auf die Freitreppe gelagert. Ein wundervoller Anblick!

Zunächst sprach der Oberpriester (Fingerling) in gebundener Rede. Sanfte Flötenmusik erscholl. Dann ergriff dieser noch einmal das Wort, und wieder erklang der Instrumente eigenthümlich eintönige Weise. Nun erfolgte das eigentliche Opfer, welches von Männerchorgesang und Orchestermusik begleitet ward.

Das große Standbild der Pallas Athene ward herbeigetragen und nach feierlichem Umzug hinter dem Opferort aufgerichtet.

Endlich sprach auch der König (Professor Paulsen) mit lauttönender Stimme zu dem Volke. Nach ihm hielt die Priesterin (Fräulein Geßner vom Deutschen Theater) eine Ansprache, und unter den Klängen des von Professor Joachim komponirten Hymnus begann jetzt die Opferhandlung. Priester und kerzenschwingende Priesterinnen umkreisten den Altar. Als der Oberpriester seine heilige Handlung verrichtet, begann der Reigentanz der Priesterinnen, die mit anmuthiger Bewegung Blumenkränze schwangen, um sie endlich auf den Altar niederzulegen. Und jetzt ein brausendes Evoë-Rufen des Volkes, da die Gefangenen vom König freigegeben worden waren. Abermals Musik und abermals Chorgesang und ein bewegtes Treiben auf und ab und hin und her unter den zahlreichen Menschen. Damit hatte das eigentliche Opferfest sein Ende erreicht und es folgten die Kampfbelustigungen auf dem freien Raum vor dem Tempel: Athletenspiele, Schwertertänze, Wettläufe, Ring- und Faustkämpfe, Lanzenwerfen, Wettlaufen mit Fackeln, Turniere der berittenen Fürsten und die Verleihung des Siegerkranzes durch den König Attalos. Den größten Beifall fand der Reiterkampf, welchen unser Künstler in seiner untenstehenden Illustration wiedergegeben hat. Einem der Reiter wurde das Schwert aus der Hand geschlagen, aber er verlor keineswegs die Geistesgegenwart; kurz entschlossen, umschlang er den Gegner und hob ihn aus dem Sattel.

Endlich gelangte noch auf der Freitreppe eine von Dr. Emil Jacobson, Dr. Stinde und Bildhauer Neumann erdachte und geleitete Pantomime „Der Bildhauer von Tanagra“ zur Darstellung, welche, von frischem Humor durchweht, die kleinen Nöthen und den Triumph des Künstlers der Gegenwart unter glücklich gewählter antiker Maske wiedergab.

Nach Beendigung dieses Schlußspiels verließ Fürst Attalos mit seinem bunten Gefolge den Tempel, und das großartige Volksfest, eingeleitet durch ein von Musik und Männerchor begleitetes Opfer am Dionysostempel vor dem Eingang des Platzes, nahm seinen Anfang.

Reiterkampf.

Bei diesem Abzug ward den Zuschauern die erste Gelegenheit geboten, alle Einzelheiten in der überaus großen Mannigfaltigkeit der Anzüge näher in Augenschein zu nehmen. Viele der jüngeren Künstler haben wochenlang studirt, um aufs Peinlichste ihr Kostüm der vergangenen Zeit anzupassen. Die Führer der einzelnen Züge mußten zum Theil monatelang ihre sonstige Thätigkeit einstellen, um ihrer verantwortlichen Aufgabe gerecht zu werden. Schmuck: Ringe, Ohrringe, Armreifen, Taschen, Stäbe, Kopfbedeckungen, Sandalen, Schwerter, Kostüme etc. wurden mit Fleiß herbeigeschafft, und in Allem machte sich eine Treue und Gediegenheit bemerkbar, welche auch bei Tageslicht

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 542. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_542.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)