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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

suchte. Ein General z. B. erbittet Geld gegen leidliche Zinsen zur Aufbesserung seines Gutes. – „Ich bin kein Banquier,“ weist ihn der König ab. Ein Graf beschwert sich über einen Ausspruch der Justiz und will im Besitz der Lehnsgüter erhalten bleiben. – „Er kann keine Gewaltthätigkeit von mir fordern; meine Schuldigkeit ist, die Gesetze zu unterstützen, aber nicht, sie umzuwerfen.“ Ein Geheimrath schlägt vor, die Staatseinkünfte durch Gehaltsabzüge bei den Unterbeamten zu vermehren. Friedrich antwortet darauf (4. Juni 1786), daß die armen Leute jener Klasse ohnehin schon so kümmerlich leben müssen, da die Lebensmittel und Alles jetzt so theuer sei, und sie eher eine Verbesserung als Abzug haben müssen. „Indessen will ich doch Seinen Plan und die darin liegende gute Gesinnung annehmen, und Seinen Vorschlag an Ihm selbst zur Ausführung bringen und Ihm jährlich 1000 Thaler mit dem Vorbehalte an dem Tractamente abziehen, daß Er sich übers Jahr wieder melden und Mir berichten kann, ob dieser Etat Seinen eigenen häuslichen Einrichtungen vortheilhaft oder schädlich sei. Im ersten Fall will ich Ihn von seinem so großen als unverdienten Gehalte von 4000 Thaler auf die Hälfte heruntersetzen und bei seiner Beruhigung seine ökonomische Gesinnungen loben.“

Friedrich’s des Großen Tod.

Um sechs Uhr früh war der König oft schon mit diesen Geschäften fertig, und dann ließ er Graf Lucchesini rufen, damit er ihm vorlese, wobei auch über litterarische und philosophische Dinge geplaudert wurde. Es meldeten sich darauf die Minister, Generale oder die Besuche vornehmer Fremder[1]. Mit jenen verhandelte der König amtsmäßig, mit diesen als geistreicher Mann, der immer mit scharfen Urtheilen kurz und bestimmt die Unterhaltung würzte. Allemal mit einem Lüften seines Hutes, der nicht mehr von seinem Haupte kam, gab er das Zeichen zur Entlassung. Nach Tische ward er mehr und mehr in diesen Leidenstagen des Schlummers bedürftig; aber derselbe war meist unruhig, leise und von gichtischem Zucken gestört. Dann wieder befohlene Besuche, Vorträge, Briefschreiben, Abends eine kleine Gesellschaft seiner Günstlinge und Hausbeamten, endlich wieder Vorlesen oder eigenes Lesen. Qninctilian, den großen römischen Rhetor, wählte Friedrich mit Vorliebe noch in der letzten Zeit, auch den alten Liebling Voltaire. Meist las er laut, zumal Poetisches. Und dann schlummerte er wieder, geschwächt von der Anstrengung, der er doch nicht mehr gewachsen war. Die Tafelfreuden, wenn man von solchen in Beziehung zu einem so schwer kranken Greis reden kann, nahmen ihn viel mehr in Anspruch, als man denken sollte. Friedrich aß bis zuletzt nicht nur gern und viel, sondern auch leidenschaftlich übermäßig gewürzte und siedend heiße Speisen. Die schwerst verdaulichen, wie Erbsen und Pasteten, waren ihm die liebsten. Jeden Morgen mußte ihm sein Koch die Speisekarte für den Tag vorlegen, dann strich er darin, was ihm mißfiel, und setzte hinzu, was er wünschte. Wiewohl er immer mehr Beschwerden von diesem Essen hatte, so fand der sonst so philosophische Mann niemals die Selbstüberwindung, sich auf den Genuß leicht verdaulicher Gerichte zu beschränken. Wenn ihm die Aerzte deßwegen Vorstellungen zu machen wagten, nahm er es sehr übel und schickte sie ungnädig fort, „zum Teufel“, wie er gern sagte. Ebenso wollte er nicht hören, daß er die Wassersucht habe; er bestritt dies sogar heftig, und erst als seine Beine ungeheuerlich aufschwollen, widersprach seine Eigensinnigkeit nicht mehr den Thatsachen.

Da wurde er denn immer mürrischer und dachte oft an sein Ende, indem er Worte ausstieß, wie: „Ach, sprechen Sie mir nichts mehr von Hoffnung!“ Er wollte auch nur ohne Schmerzen sterben, glaubte aber trübsinnig nicht mehr daran, daß er noch Erleichterung seiner körperlichen Leiden finden werde. Er fühlte sich einsam und freudlos. Der alten Freunde, die schon der Tod geholt, gedachte er oft. „Ja, ja, man lebt nur, um sterben zu sehen!“ pflegte er dann zu sagen. Solche und andere Reden entfuhren ihm in dieser gedrückten Stimmung. Wenn er noch, wie sonst, hätte die Flöte spielen können! Aber mit diesen zitternden Händen! Nun, der Tod sollte ihn denn doch noch in der Arbeit finden; er führte das „Im-Stehen-Sterben“ Vespasian’s gern im Munde. Am 15. August ordnete der König noch die Ausführung eines Manövers der Potsdamer Garnison für den nächsten Tag an, diktirte Depeschen und unterzeichnete die im Kabinett gefertigten Schreiben. Am 16. Morgens war er bewußtlos, erholte sich dann und ließ den General von Rohdich zwischen sieben und acht Uhr wegen der Parole eintreten. Aber er konnte nicht mehr sprechen. „Es geht zu Ende!“ flog jetzt die Botschaft aus Sanssouci nach Potsdam an den Thronfolger, Prinzen Friedrich Wilhelm, an den Minister von Herzberg, an den abgedankten Leibarzt Selle. Die beiden Letzteren eilten in der Nacht zum sterbenden König. Er schlummerte sanft, nur manchmal vernahm man aus seinem eingefallenen Munde halbverständliche Phantasien. Wohin richteten sie noch ihren letzten Flug? Sechsundvierzig Jahre König, und welch ein Reich hatte er sich in dieser Zeit geschaffen, welche Stellung ohne Gleichen in der Welt! Zog seine letzte Geisteskraft noch einmal die große „Summe seines Lebens“?

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 578. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_578.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)
  1. Die Anfangsvignette unseres Artikels stellt eine dieser Audienzen dar. Der Minister Herzberg, der vor dem König steht, ist nach einem Portrait aus der damaligen Zeit gezeichnet. Die Vignetten zu diesem Artikel sind dem Werke „Geschichte Friedrich’s des Großen. Geschrieben von Franz Kugler. Mit 400 Illustrationen von Adolf Menzel“ entnommen.