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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Aus den Schlössern König Ludwig’s II.

III.0 Schloß Linderhof.
(Schluß.)

Eingang zur blauen Grotte
im Linderhof.

Das eigentliche Schloß Linderhof liegt vollständig versteckt in tiefer Waldeinsamkeit, auf einer Bergwiese, welche sich zu den Abhängen der Klammspitze und des Hennenkamms emporzieht. Von der Straße, an welcher sich nur ein Försterhaus befindet, ist das Schloß durch ein Wäldchen und durch einen Hügelrücken ganz verdeckt. Man durchwandert dieses Wäldchen und erreicht ein eisernes Gitterthor, hinter welchem der Schloßpark sich erschließt und gleich darauf auch das Schloß selbst sichtbar wird. Der Bau, im Barockstil ausgeführt, ist nur von mäßigem Umfange und macht an sich einen ziemlich bescheidenen Eindruck, welcher durch die großartige Gebirgsumwallung noch bedeutend abgeschwächt wird (vergl. Illustration Seite 633). Er besteht aus zwei Geschossen, und die Façade zählt bloß sechs Fenster. Dafür hat diese drei Eingänge mit meisterhaft ausgeführten schmiedeeisernen und reich vergoldeten Gitterthoren und über denselben einen reich ornamentirten, von Steinriesen getragenen Balkon. Das Treppenhaus macht gleichfalls nur einen bescheidenen Eindruck; man gelangt in dasselbe durch ein Vestibül mit Marmorsäulen und Marmorpflaster, in dessen Mitte die Bronzestatue Ludwig’s XIV. steht. Das Treppenhaus zeigt Wände von gelbem Trientiner Marmor und Stufen aus Carrarischem Marmor, mit reichem vergoldeten Geländer. Auf einem Marmorsockel steht hier eine kostbare Sevresvase, welche einst Kaiser Napoleon III. dem Könige geschenkt hatte.

In den Parterreräumen befinden sich Küche, Badezimmer und Dienerschaftszimmer. Das obere Stockwerk enthält die zehn Zimmer des Königs. Man gelangt vom Treppenhause zuerst in das „westliche Gobelinzimmer“, welches mit künstlichen, von Baron Pechmann nach Watteau gemalten Gobelins und mit Trophäen reich dekorirt ist. Die Thüren tragen kostbares Schnitzwerk; das Deckengemälde ist eine Kopie nach Boucher. Das werthvollste Einrichtungsstück hier ist ein reich vergoldetes Pianino. Durch das „Gelbe Kabinett“, dessen Wände mit gelber Seide und geschnitzten versilberten Verzierungen bekleidet sind, tritt man in das Arbeitszimmer des Königs. Hier zeigen die Wände zwei Marmorkamine mit Statuen Ludwig’s XIV. und Ludwig’s XV., sowie Trophäen des Königthums, der Religion, der Wissenschaft und der Gewerbe. Vom reichen Plafond hängt ein Krystalllüstre herab; über dem Schreibtische ist ein mit dem bayerischen Wappen geschmückter Baldachin von grünem Sammt angebracht; auch die Möbel sind mit grünem Sammet und mit schwerer Goldstickerei überzogen.

Nun folgt wieder ein kleinerer Raum, das „Lila Kabinett“, und dann das Schlafzimmer des Königs. Dasselbe ist das größte unter allen Gemächern des Schlosses, aber unvollendet; während seines letzten Aufenthaltes auf dem Liuderhofe bediente sich der König vorübergehend eines anderen Zimmers als Schlafgemach. Die Deckengemälde von Spieß und Lesker zeigen Ludwig XV., zum Himmel fahrend, von Genien umgeben, und Apollo mit dem Sonnenwagen. Durch das „Rosa Kabinett“ gelangt man hierauf in den Speisesaal. Er enthält reichen Schmuck an mythologischen Bildern, einen Fries mit allegorischen Kindergestalten, zwei Spiegelkamine, rothe Plüschmöbel, zwei kleine Schreibtische von Rosenholz, ein vergoldetes geschnitztes Büffet und einen Speisetisch, welcher vollständig gedeckt aus einer Versenkung emporstieg. Hierauf folgen noch das „Blaue Kabinett“, das „Oestliche Gobelinzimmer“, und endlich der nach der Südseite gelegene „Spiegelsaal“. Er ist das glänzendste unter all diesen Zimmern. Die Wände bestehen aus Spiegeln in reich geschnitzter und vergoldeter Umrahmung; die Möbel aus Rosenholz mit vergoldeten Bronzeornamenten sind mit hellblauer, von Silber durchwirkter Seide gepolstert. Der Plafond zeigt ein Deckengemälde von Schwoiser: Venus im Bade. Am Fenster steht ein Arbeitstisch mit der Marmorstatue Ludwig’s XV.; gegenüber ein Büchergestell mit einer Uhr und zwei kostbaren Vasen. Die werthvollsten Gegenstände in diesem Zimmer sind wohl die beiden Kamine aus Lapis Lazuli und der geschnitzte Elfenbeinlüstre, welcher über dem Marmortische hängt.

Mehr aber als alle diese Werke der Kunst und des Kunstgewerbes fesseln uns im Linderhof die Gartenanlagen, ein Meisterwerk der Gartenkunst, mit reichen Wasserwerken und Skulpturen, letztere theils in Marmor ausgeführt, theils vergoldet. Da finden sich größere und kleinere Bassins; eine riesige Fontaine, welche einen mächtigen Wasserstrahl thurmhoch emporschleudert; Brunnen und Blumenteppiche, Terrassen und Laubspaliere, dazwischen schimmernde Götterbilder.

Durchwandert man den Park, so gelangt man in geringer Entfernung von dem Kiosk vor einen grünbewachsenen Hügel. An einer Seite desselben sieht man eine kleine Felswand. Niemand ahnt, was hier verborgen sein könnte. Da dreht sich der Fels in verborgenen Angeln, und ein unterirdischer Gang erschließt sich. Wie in ein Märchen tritt man in diesen Berg und wandert durch den dunklen Gang, einem brausenden Geräusch entgegen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 661. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_661.jpg&oldid=- (Version vom 9.11.2022)