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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

und der St. Peterianer; die Letzteren thun dem Heiligen der Ersteren allen Schabernack an und umgekehrt. Die S. Georgianer löschten einmal am S. Petritage alle in der Kirche angezündeten Kerzen dadurch, daß sie Hunderte von Fledermäusen losließen. Am S. Georgstage kam dann die Rache der Petrusmänner: sie nahmen den Zündschwamm aus allen Mörsern heraus und schlugen Nägel hinein, sodaß das Fest in der Stille gefeiert und der Knalleffekt verloren gehen mußte.

Und wie die Alten sungcn, so zwitschern auch die Jungen. An der Vigilia des heiligen Georg und an der des heiligen Petrus fangen die Buben der einen oder andern Partei die Kinder auf den Straßen ab, schleppen sie auf die Seite und zwingen sie, einem Heiligen (Hie Welf! Hie Waiblingen!) ein Vivat zu bringen. Thun sie dies mit dem Unrechten, so werden sie jämmerlich abgeprügelt. Unter den Erwachsenen geht der Haß bis zu Messerstichen. Vor einigen Jahren gab es in Medica auf dem S. Petrithurm einen Messerkampf, in dem vier junge Burschen ihr Leben ließen: man hatte um das Vorrecht des Läutens für den Heiligen gestritten!

Der Haß steigert sich bis zur Schändung des Heiligthums, bis zum Einbruch in die Kirchen: zur Unschädlichmachnng des feindlichen Heiligen. Darauf bezicht sich das Bild meines jungen neapolitanischen Freundes, des talentvollen Malers Salvatore de Gregorio. In einem Abruzzendorfe zog, vor etwa drei Jahren, ein Theil der männlichen Bevölkerung unter dem Schutze der Nacht aus, mit dem Vorsatz, den Nachbarheiligen zu stehlen und in den Fluß zu werfen. Sie waren von oben her auf Leitern in das Gotteshaus gedrungen, hatten den Sakristan zu ihrer Ueberraschung am kühlen Orte schlafend gefunden, ihn, als er erwachte, an den Stuhl geknebelt und dann versucht, die schwere Büste des Heiligen an Stricken zum Thurmfenster hinaufzuziehen. Die Stricke waren zerrissen, die metallene Büste war mit Donnergepolter auf dem Steinboden aufgeschlagen und hatte Hilfe herbeigerufen. Daß die Einbrecher bei dieser Gelegenheit die Garderobe des Heiligen einer eingehenden Prüfung unterwarfen, versteht sich von selbst.

Wer Heidenthnm kennen lernen will, braucht wahrhaftig nicht nach Inner-Afrika zu reisen. W. K.     

Napoleon IV. Der Sohn des dritten Napoleon, der Kaiser der Zukunft, zeigte sich, so lange er lebte, als eine Art von jugendlicher Idealgestalt in etwas unbestimmter Beleuchtung: man hörte von seinen wohlbestandenen Prüfungen in Woolwich, und hier und dort tauchte sein Bild auch in den Versammlungen von Chislehurst auf. Seine Betheiligung an der englischen Expedition gegen die Kaffern in Südafrika und sein Tod durch die Wurfspieße der schwarzen Männer konnten nur dazu beitragen, den jungen Prinzen mit einem romantischen Nimbus zu umgeben. Der Sohn eines Vaters von solcher geschichtlichen Bedeutung, einer Mutter von bestechender Schönheit, mußte ja überhaupt den Zeitgenossen in einem verheißungsvollen Lichte erscheinen, sodaß sich nach seinem Tode ein wehmüthiges Erinnern an seinen Namen knüpfte. Selten indeß, so lange er lebte, wurde die Frage aufgeworfen, was Frankreich wohl erwarten durfte, wenn er als Vertreter der Napoleonischen Dynastie noch einmal auf den Thron zurückkehren würde, den sein Großonkel und sein Vater mit unleugbarem Glanz umgeben hatten. Jetzt ist diese Frage beantwortet von Fidus in seinen „Erinnerungen eines Imperialisten“, in seinem „Journal de dix ans“, in welchem er die zehn Jahre schildert, die dem Tode des Prinzen vorausgingen: denn dieser Tod bildet den Abschluß der Aufzeichnungen; der Prinz ist der eigentliche Held derselben, besonders im zweiten Bande. Doch je begeisterter Fidus von ihm spricht, mit je glänzenderen Farben er das Bild desselben ausmalt: desto mehr muß jeder Unbefangene die Ueberzeugung gewinnen, daß der Prinz als Kaiser Napoleon IV. ein Unglück für Frankreich geworden wäre. Wohl war er geistig geweckt und beschäftigte sich angelegentlich mit den Fragen der Politik, aber in der Gedankenrichtung seiner Mutter, von der ja Napoleon III. selber erklärt hatte, sie sei eine Legitimistin. Fidus berichtet, daß der Prinz auf zehn Folioseiten die politischen Grundsätze entwickelt hatte, denen er huldigte und die er als Kaiser befolgen wollte. An der Spitze seines Programms steht die Aufhebung des allgemeinen Stimmrechtes, desjenigen Princips, welches die Grundlage der Napoleonischen Ideen des Vaters bildete; die Vorliebe für diesen Grundsatz rechnete der Sohn zu den Schwächen desselben.

Prinz Viktor, der Sohn des rothen Prinzen, der jetzt aus Frankreich mit den andern Prätendenten verbannt wurde, erklärt in seinem Manifest, er werde festhalten an den Principien des Kaiserreichs, wie Napoleon I. und III. sie aufgestellt haben, wie der Prinz sie befolgt hat, dessen Tod er beweine, und zählt zu diesen durch Volksabstimmung bestätigten Grundsätzen auch die Souveränetät des Volkes und die Organisirung der Demokratie. Hat er denn die Memoiren von Fidus nicht gelesen? Der von ihm beweinte Prinz dachte gar nicht daran, ein solches Programm mit nach Frankreich zu bringen, wenn er dorthin zurückkehrte: er war ein entschiedener Gegner dieser Grundsätze; er wollte die Preßfreiheit unterdrücken, ebenso die Macht der Deputirtenkammer; er wollte dem Klerus die größten Zugeständnisse machen, mit einem Wort, ein uneingeschränktes Regiment einführen: er glaubte sich berufen, Alle zu züchtigen, welche in dem verhängnißvollen September des Jahres 1870 in Paris zum Sturze der Napoleonischen Dynastie beigetragen: die bigotte Mutter hatte solchen Größenwahn in ihm genährt. Und was wäre die Folge gewesen, wenn es ihm mit Hilfe einzelner Generale, wie er hoffte, gelungen wäre, sich der Herrschaft zu bemächtigen? Früher oder später eine neue Revolution; denn nach einem so veralteten System der Regierung, welches blinden Autoritätsglauben verlangt, hätte sich das französische Volk nicht lange beherrschen lassen.

Natürlich sprach der Prinz den Jargon der Prätendenten mit großer Geläufigkeit: er war bereit zu kommen, wenn Frankreich ihn rufen würde; ja im Grunde war er auch bereit ungerufen zu kommen. So erklärte ja vor Kurzem der ausgewiesene Graf von Paris, in der Stunde der Entscheidung würde er bereit sein, und Prinz Viktor sagte in seiner Abschiedsrede, er würde, wenn die Stunde der großen Krisen schlägt, den Pflichten nachkommen, welche sein Patriotismus ihm auferlege. So hat auch Graf von Chambord gesprochen. Die eintönige Repetiruhr dieser Phrasen macht nur einen melancholischen Eindruck; einer dieser Prätendenten parodirt den andern. †      

Die Tropfsteinhöhlen zu Wolmsdorf. In der zu Schlesien gehörigen, an Naturschönheiten reichen Grafschaft Glatz liegt in der Nähe des Badeortes Landeck das kleine Dörfchen Wolmsdorf. Noch vor Jahresfrist war der Ort nicht weit über seine Nachbargrenzen hinaus bekannt. Da wurden vorigen Herbst dort ausgedehnte Tropfsteinhöhlen entdeckt, welche während des Winters dem Publikum durch Herstellung eines neuen Einganges, durch Ebnung des Bodens, Anlegung von Treppen über entgegenstarrende Felsen bequem zugänglich gemacht wurden, und nun wird Wolmsdorf bereits von Touristen aus Nah und Fern besucht. Die Höhlen befinden sich in dem dortigen sogenannten Kalkberge und wurden bei Anlegung eines Marmorbruches entdeckt. Durch einen 15 Meter langen Gang gelangt man in die erste 47 Meter lange, 6 bis 8 Meter breite und gegen 2 Meter hohe Höhle, worin sich zur Seite ein Wasserbehälter von beträchtlicher Tiefe und mehreren Metern Ausdehnung befindet. Decke und Wände erscheinen mit Tropfsteingebilden, die bald schneeigem Flaum, bald Lämmerfellen oder Fichtenzapfen gleichen, überkleidet. Die anstoßende zweite und zugleich schönste Höhle, genannt der Kaisersaal, ist 27 Meter lang, 6 Meter breit und 7 Meter hoch. Tropfsteine von der Gestalt eines Elefanten- und Schweinsohres, einer Kuhwamme etc, sowie zahlreiche oft fußstarke Stalagmiten finden sich hier vor. Die sich anschließende dritte große Höhle, der Dom, hat eine Lauge von 15 Meter, eine Breite von 10 Meter und eine Höhe von 5 Meter. Hier befinden sich Tropfsteine in der Form meterhoher mächtiger Pilze. Die letzte Abtheilung hat eine Ausdehnung von 80 Meter Länge, bei 3 Meter Breite und 2 Meter Höhe. Zahlreiche interessante Tropfsteingebilde, Stalaktiten und Stalagmiten, oft von bedeutender Größe, sind hier zu sehen. Im Ganzen sind vier große und vier kleine Höhlen vorhanden, welche eine Ausdehnung von ungefähr 200 Meter haben und durch 40 Lampen erleuchtet werden. n.      

,,Der älteste Krieger der Rheinlande“ vom Jahre 1870 und 1871, Heinrich Lüttgen, dessen wir im Jahrg. 1883, S. 310 Erwähnung gethan, ist am 27. Juli nach zweitägigem Krankenlager zu Metz gestorben. Er wurde in feierlicher Weise beerdigt; seinen Leichenzug begleitete eine Deputation des Rheinischen Ulanenregiments Nr. 7 sowie des Dragonerregiments Nr. 9. †      

Eine deutsche Kolonie in Irland wurde im 17. Jahrhundert in der Grafschaft Limerick (Provinz Munster) bei Adare etc. durch Lord Southwell gegründet. Diese eingewanderten Deutschen werden Pfälzer genannt und gelten als sehr fleißige und wohlhabende Leute. Zwar ist ihr deutsches Wesen in Charakter und Tracht noch erkennbar, die Muttersprache aber sprechen sie nicht mehr. H. Z.      



Inhalt: Sankt Michael. Roman von E. Werner (Fortsetzung). S. 645. – Räuberromantik. S. 651. – Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 653. – Auf dem Heimwege. Illustration. S. 657. – Aus den Schlössern König Ludwig’s II. III. Schloß Linderhof. (Schluß.) S. 661. Mit Illustrationen S. 648 und 649, 652 und 661. – Vom kranken Mann und seinen lachenden Erben. Reise-Erinnerungen eines alten Orient-Fahrers. Von Karl Braun-Wiesbaden. S. 662. – Blätter und Blüthen: Mißglückter Einbruch. S. 663. Mit Illustration S. 645. – Napoleon IV. S. 664. – Die Tropfsteinhöhlen zu Wolmsdorf. S. 664. – „Der älteste Krieger der Rheinlande“ vom Jahre 1870 und 1871. S. 664. – Eine deutsche Kolonie in Irland. S. 664.




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Heraugegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 664. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_664.jpg&oldid=- (Version vom 24.12.2022)