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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


Die Kunst im Kleinen. Der Elfenbeinschnitzer Leo Pronner in diürnberg hatte einst auf einen Kirschkern die beiden Wappen seiner Vaterstadt so fein und deutlich gravirt, daß diese Arbeit die Bewunderung aller Kenner erregte. Aber wie erstaunten die Letzteren, als der Künstler den Deckel von dem Kern abnahm und mit einer überaus feinen Pincette ein Dutzend Teller, ein Dutzend Messer, die Klingen von Stahl und die Hefte von Holz, und endlich ein Dutzend Löffel von Buchsbaum aus dem Innern hervorlangte! Derselbe Künstler konnte das Vaterunser mit Frakturschrift so zart schreiben, daß man dasselbe mit einer halben Erbse bedecken konnte. Die sechs Hauptstücke der christlichen Lehre schrieb er so fein, daß die ganze Schrift nur den Raum eines Pfennigs einnahm. Der Mathematiker David Schwenter[WS 1], mit welchem Pronner befreundet war, erhielt einst ein glattpolirtes Pfennigstück von ihm zum Geschenk, auf welchem zwölf Vaterunser und der Glaube gravirt, in der Mitte aber ein Krucifix mit Maria und Johannes gezeichnet war. Selbstverständlich konnte man die Schrift nur mit Hilfe eines ziemlich starken Vergrößerungsglases erkennen. Roß und Reiter schnitzte er aus Elfenbein von solcher Feinheit, daß man dasselbe durch ein Nadelöhr schieben konnte.

Ein ähnlicher Tausendkünstler war der schwäbische Drechsler Oswald Uerlinger. Er drehte einst ein Pfefferkorn zu einem Miniaturtrinkgeschirr aus und versah es mit einem elfenbeinernen Füßchen und dergleichen Deckel. Sechshundert andere mikroskopisch kleine Becher hatte er zum Einlegen in den größeren bestimmt, und sie sämmtlich erschienen durch das Vergrößerungsglas vollkommen ebenmäßig und proportionirt. Ein anderer kleiner Pokal, von demselben Künstler herrührend und ebenfalls aus einem Pfefferkorn gefertigt, hatte Fuß und Deckel von Gold und sein Inneres war mit nur dreihundert goldenen Kelchen angefüllt, weil sich das Gold nicht zu so überaus feinen Gegenständen verarbeiten läßt, wie das Elfenbein. M. L.     

Dank und neue Bitte. Seitdem Herr C. L. Glück, Chef der Hof-Pianofortefabrik zu Friedberg in Hessen, die Bitten unbemittelter Klavierbedürftiger in so großmüthiger Weise berücksichtigte, daß er, statt mit drei, mit sechs Instrumenten ebenso viele Familien wahrhaft beglückte (wofür wir ihm noch in Nr. 6 des vorigen Jahrgangs der „Gartenlaube“ unseren Dank ausgesprochen haben), wurde es uns ermöglicht, die Zahl solcher Gaben bis auf 17 zu bringen. Einer Pastorswittwe war das 7. Instrument zu Theil geworden von einem edlen Geber in Sachsen. Mit dem 8., „der Freude ihrer Jugend“, bereitete Frau S. Merklein, Professorswittwe in Nürnberg, einer Lehrerwittwe in Ostpreußen und deren Sohne wieder eine dauernde Freude. Aus derselben Stadt kam das 9. Instrument, ein Fortepiano, als eine Gabe der sehr kranken Frau Julie Hautsch an eine arme Lehrerin in Westpreußen. Abermals eine Lehrerwittwe, diesmal in Berlin, wurde mit einem Flügel überrascht, welchen Fr. Räthin Elise Bloem in Schöneberg der „Gartenlaube“ zu diesem Behufe zur Verfügung gestellt. – Das 11. Instrument, wieder ein Flügel, hilft einer schon in den Siebzigern stehenden Kaufmannswittwe in Berlin durch Ertheilen von Klavierunterricht das bescheidene Dasein erhalten. Und wie freut sich darüber der Spender desselben, ein Lehrer, der seinen lieben Flügel zurücklassen mußte, beim Umzng an einen andern Ort, weil er dort keine auch dem großen Instrument Raum bietende Wohnung miethen konnte! – Die Postkarten-Anfrage des Herrn H. Adam, Pianofortefabrik in Aachen: „Sollten Sie noch Verwendung für ein paar alte Flügel haben, so stehen diese gern zur Verfügung“ wurde sofort mit zwei Adressen beantwortet. Der eine (also Nr. 12) ist für einen Lehrer im Hannöverischen bestimmt und der andere von der Gattin eines Bäckergesellen, im Westerwald, welche durch Verwerthung ihrer musikalischen Begabung ihrem Manne die Erziehung ihrer sechs Kinder erleichtert, bereits mit Dank empfangen worden. – Das 14. Instrument, ein Fortepiano, kam aus dem sang- und klangreichen Thüringen, aus dem Besitz des Herrn Sanitätsraths Dr. Preller, des Eigenthümers und Leiters der Wasserheilanstalt in Ilmenau, in die Nähe von Magdeburgerforth, wo es nun die Freude einer Lehrerfamilie ist. – Mit dem 15. Instrument, einem Tafelklavier, wurde durch Herrn B. in C. der Wunsch eines Lehrers in der Rheinpfalz erfüllt. – Das 16., von Frau Th. Kettembeil in Leipzig geschenkt, erhielt ein alter pensionirter Lehrer in Hof, der in der Musik die einzige Freude seiner alten kummer- und sorgenvollen Tage erblickt. – Mit dem 17., welches uns von einer hochherzigen Dame in Leipzig überwiesen wurde, zog große Freude in die dürftige Behausung eines oberschlesischen Landbriefträgers, welcher, der Erblindung und damit der Erwerbsunfähigkeit nahe, seine beiden musikalisch sehr begabten Kinder für ihre spätere Laufbahn ausbilden will.

Siebzehn Instrumente – in siebzehn Familien jahrelang ersehnte Freude! Und dennoch trübt sich unser Blick, wenn er auf den hohen Stoß von Bittbriefen fällt, für welche bis heute noch keine entsprechende Antwort möglich war. Nicht weniger als siebenundsechzig Instrumente würden nothwendig sein, um alle die hier niedergelegten dringenden und flehenden Wünsche zu befriedigen. Wir sind nicht so ängstlich, diese Befriedigung für unmöglich zu halten: im Gegentheil, wir sind überzeugt, daß noch Hunderte von zurückgestellten, noch brauchbaren Instrumenten im Besitz Wohlhabender und in den Niederlagen unserer vielen großen Fortepianofabriken vorhanden sind und daß die Besitzer gewiß nicht abgeneigt wären, dieselben an unbemittelte Familien zu verschenken, wenn nicht allerlei Unbequemlichkeiten mit der Ausübung solcher Wohlthätigkeit verbunden wären. Aber diese Umständlichkeiten will die „Gartenlaube“ ja gern auf sich nehmen und bittet hiermit dringend, ihr auf diesem Wege so viel Arbeit wie nur möglich zu machen. Daß die Verlagshandlung unseres Blattes die Frachtkosten für die Beförderung der Instrumente von den Gebern an die Empfänger zu tragen sich erboten, ist schon oft hier ausgesprochen. –

Täglich tritt soviel Elend und Noth mit der Bitte um Hilfe an uns heran, daß wir wiederholt und immer aufs Neue den Wohlthätigkeitssinn unserer verehrten Leser anrufen müssen. Jede Gabe, auch die kleinste, wird dankbar angenommen und nach bestem Wissen segensreich verwendet.

Möge Jeder, der ein Herz für die Armen und Verlassenen hat, sich derselben bei freudigen Ereignissen erinnern und uns ein Scherflein – seien es auch nur Pfennige (in Briefmarken) – zuwenden. In zahlreichen Fällen kann nur eine Unterstützung in baarem Gelde helfen, und viele Wenig machen ein Viel!

Gedenket der Armen! Vergesset ihrer nicht, wenn es Euch wohlgeht!

Festspiele für Kinder. Es ist nicht leicht, Passendes zu finden, wenn das junge heranwachsende Geschlecht Lust bekommt, sich auf dem künstlerischen Gebiete zu versuchen durch Deklamation und Gesang. Dafür hat jetzt Frida Schanz, die Sängerin des preisgekrönten Studentenliedes, Sorge getragen, indem sie vier Kinderfestspiele: „Die Jahreszeiten“ gedichtet hat; die darin enthaltenen Lieder sind von K. Goepfart in Mnsik gesetzt. Mit diesen Liedern wechseln zum Vortrag geeignete Gedichte ab. Nichts ist in diesen Festspielen enthalten, was über den Horizont der Kinder hinausgeht: die Verse sind gefällig und leichtgeflügelt; dafür besitzt Frida Schanz ja ein anerkanntes Talent. †      


Schach.
Von J. Hintzpeter in Siegen.
SCHWARZ

WEISS
Weiß zieht an und setzt mit dem vierten Zuge matt.

Dieses Problem sei der besonderen Beachtung unserer Schachfreunde anempfohlen.

Briefkasten.

P. K. Sie haben Recht. Das schöne Problem von Pospisil auf Seite 536 ist leider nebenlösig durch 1. D b 7, S f 3!, 2. K f 6 nebst 3. T d 8! etc. oder falls 1. .... S g 4!, so 2. T e 8 nebst 3. L g 7 !! etc. Der Verfasser vermochte eine Korrektur bisher nicht aufzufinden.

Architekt Fritz Sch. in Hannover. Falsch! Sie haben die Natur und das Wesen des Schachproblems irrig aufgefaßt. Hermann von Gottschall’s „Kleine Problemschule“ (Verlag von Adolf Roegner in Leipzig, Preis 1 Mark) sei Ihnen zum Studium anempfohlen.



[ Inhalt der Nr. 41 / 1886 ]




[ Verlagswerbung für den "Gartenlaube-Kalender 1887" ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. gemeint ist Daniel Schwenter.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 740. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_740.jpg&oldid=- (Version vom 6.3.2023)