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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

No. 44.   1886.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Ueber den Gartenzaun.
Erzählung von A. Weber.
(Schluß.)


Terka war die Erste, welche, als das Gewitter sich gelegt hatte, die Sprache wiederfand. Sie zog hörbar die Luft ein, lachte dann laut auf und sagte mit der Vertraulichkeit, welche die Frucht der gemeinsam bestandenen Gefahr war:

„Wenn uns das Wetter auf der Gasse überrascht hätt’! Hut und Schuhe hätt’ man hernach dem Haderlump geben können und die Kleider vielleicht auch – meins kostet allein über zweihundert Gulden! Und Sie hätten sich ja wohl aus Haut und Haaren geängstigt, Fräulein! Ihre Nase ist noch ganz weiß! Warten’s, ich bring’ Ihnen ein Schlückchen Wein zur Herzstärkung.“

Ja, die Terka war sonst eine erfahrene Frau; aber das wußte sie noch nicht, daß wir uns nur in Momenten von Angst, Grauen und Schmerz, selten, sehr selten in solcher schönen, stürmischen Freude an etwas Großem, Allgemeinem als Menschen unter Menschen fühlen, daß aber, sobald der fliegende Puls sich beruhigt, wir wieder Aristokraten und Plebejer, Reiche und Arme, Gebildete und Ungebildete sind, einander fremd und unnahbar wie die Bürger verschiedener Welten.

Teleky kisasony trat vor Terka, die ihr vertraulich auf die Schulter klopfen wollte, zurück und dankte verlegen und wortkarg.

Aber Terka, die noch immer nicht das Bewußtsein der veränderten Sachlage gewonnen hatte, fuhr ebenso vertraulich fort:

„Wir müssen jetzt nach Hause; sonst kocht uns meine Janka einen Teufelsbrei statt Gulasch zum Nachtmahl. Aber morgen kriegen’s was Gut’s zu speisen, Teleky kisasony; denn wenn ich auch halt nicht gut plauschen kann und meine Riza mich in der Hinsicht in den Sack steckt, kochen kann ich dafür wie Eine; ’ne bessere Köchin als mich hat’s halt auf der Welt kaum gegeben, und meine frühere Gnädige hat immer gesagt: ‚Terka,‘ hat sie gesagt, ‚so wie Du –‘“

„Wir wollen gehen,“ sagte Perfy Viktor, ihr kurz die Rede abschneidend. Er war dunkelroth geworden und hatte eine dicke Zornesader auf der Stirn.

„Nu, nu, nicht gleich so hitzig, Sie Schlimmer, wenn die Schwiegermutter sich halt mal verplauscht,“ sagte Terka mit einem Versuch zu scherzen und wandte sich dann nochmals an das Fräulein:

„Kommen’s halt recht zeitlich, Teleky kisasony!“

Aber das alte Fräulein war weder geneigt, noch fähig, Terka’s Zudringlichkeit als das zu nehmen, was sie war: gutmüthiges Verkennen der Sachlage, und da in ihren Augen Taktlosigkeit weit unverzeihlicher war als Bosheit, so erwiderte sie kurz und kalt:

„Da ich es einmal meinem Neffen versprochen habe, werde ich kommen, liebe Frau.“

Ehe Terka wieder zu Worte kam, war Riza zu ihr getreten; sie zog ihrer Mutter Arm in den ihren, verbeugte sich förmlich und kühl gegen das alte Fräulein und schritt mit der Mutter hinaus, ohne sich nach ihrem Verlobten umzuschauen, der wie betäubt folgte.

In tiefem Schweigen durcheilten die Drei die Gassen, und da der Regen dieselben in Sümpfe verwandelt hatte und die das Trottoir vertretenden Holzbretter sehr schmutzig waren, schürzte Terka ihr Kleid haushälterisch nach Bauernart, was den


Faksimile aus dem Werke Christoph Weigel’s vom Jahre 1698.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 773. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_773.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)