Seite:Die Gartenlaube (1886) 779.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

geworden, da das junge Paar meine Wirthschaft übernimmt. Was meinst, wenn ich zu Dir zöge? Schmuck genug bist noch, alte Liebste, und ich – na, ein sauberer Bub’ war ich immer –“

„Ein Lump warst immer und bleibst immer,“ sagte Terka herb. „Schämst Dich nicht, den Verliebten zu machen und auf die Freit zu gehen, Du, der bald Großvater sein wird?“

„Nu, wenn halt der Großvater die Großmutter nimmt –“ scherzte Janos. „Warum sollen wir Alten nicht noch ’mal das Glück nachholen –“

„Weil sich’s nicht nachholen läßt,“ sagte Terka. „Meinst, ich mag Dich noch? Das ist vorbei für immer, und mein Glück ist jetzt, zu schauen, wie meine Riza so einen guten, tüchtigen, treuen Mann hat, wie Du nie warst, Janos. Ja, mein Glück ist in dem meiner Kinder beschlossen, und ich hab’ Gott sei Dank keinen dummen Ehrgeiz und keinen Wunsch mehr, als den, daß sie immer rechtschaffene und glückliche Eheleut’ bleiben möchten. Und das werden sie; denn sie haben ihre Eh’ gebaut auf Lieb und Treu – wir hatten die unsere gesetzt auf Eitelkeit und Habsucht und Hochmuth; darum ist mein Leben durch tiefen Sand gekeucht und Deins ist in den Schmutz gefallen. Und nur die tüchtige Kraft des Stefan und die Kindeslieb’ meiner Riza haben uns bewahrt vor Unglück und Schmach, in die mein dummer Hochmuth – na, das ist nun vorbei und ich freu’ mich an meinen Kindern, und das ist mein Glück – und Deins, Janos, ist hinter dem Ofen und war immer da, und es würd’ Dir halt ebenso schlecht gefallen, unter meine Zuchtruth’ zu kommen, wie mir, Dich altes Kind noch zu ziehen.“

Da lachte Janos ein wenig gezwungen auf, schlich auf seinen Platz zurück und vertrank im feurigen, rothen Landwein seine Beschämung.

Fortan saß er immer im Lehnstuhl und trank und schaute zu, wie Stefan und Riza fleißig und fröhlich wirthschafteten, und war glücklich im Nichtsthun. Wenn es aber Feierabend wurde, ging das junge Paar durch die Thür, welche Terka in den Gartenzaun gefügt hatte, zur Mutter und bewunderte die alten, lieben, verstaubten Teppichbeete und plauderten von des Tages Hitze und Last und Glück. Und Stefan sprach auch von öffentlichen Angelegenheiten, denn die Stadt hatte den verständigen und tüchtigen Bauern in ihren Rath gewählt, und er konnte nun die Weisheit des „ungarischen Staatsbürgers in fünf Bänden“ reichlich anwenden.

Als aber Riza’s ältester Bube in seinem fünften Lebensjahre auf den Maulbeerbaum kletterte, um in der Großmutter Garten zu schauen, da ließ Terka in Angst um die runden Glieder ihres Herzblattes den hohen Zaun niederreißen, und Stefan zimmerte neue Bänke um den alten Baum, in dessen Schatten jetzt die vereinigte Familie saß.

Und Terka sprach davon, daß ihr Liebling, der kleine Janos, gewiß einmal Oberbürgermeister von Szegedin werden müsse. Denn sie war halt die alte Terka geblieben.


Zur Geschichte des Fingerhutes und seiner Verfertiger.

Wie die Geschichte der Erfindung vieler nützlicher Gegenstände sich im Dunkel der Vorzeit verliert, so ist uns auch der Ursprung des Fingerhutes völlig unbekannt geblieben.

Aus dem 12. Jahrhundert stammt die erste Nachricht über den Fingerhut, die allerdings sehr kurz ist und nur dessen Namen nennt. Es lebte damals die heilige Hildegard, die wegen ihrer Frömmigkeit wie nicht minder wegen ihrer Gelehrsamkeit in großem Ansehen stand. In einem ihrer Werke hat die heilige Hildegard eine Zusammenstellung von 900 Wörtern mit Uebersetzung in einer räthselhaften, unbekannten Sprache niedergelegt, in der man den sehr frühen, interessanten Versuch einer Weltsprache vermuthet. Unter diesen Wörtern findet sich nun auch der ,,vingerhuth“, der in der räthselhaften Sprache den Namen „Ziriskanz“ führt. Da die in der Handschrift zusammengestellten Wörter vielfach Gegenstände des täglichen Gebrauches nennen, so ist anzunehmen, daß unser Hütchen schon im 12. Jahrhundert etwas Gewohntes war.

Fingerhut aus dem 14. Jahrhundert.
Gefunden auf der Burg Tannenberg.

Wohl recht fleißige Damen jener Zeit sind es gewesen, auf deren Grabstein man eine Scheere anbrachte, was namentlich in England öfter geschah; leider hat man versäumt, ihr den Fingerhut als Genossen beizugesellen und dadurch seine älteste Gestalt zu überliefern. Dieselbe dürfte aber kaum wesentlich anders gewesen sein, als sie der im Kabinettsmuseum zu Darmstadt befindliche bronzene – wohl gegossene – Fingerhut zeigt, der im Jahre 1848 auf der Burg Tannenberg an der Bergstraße ausgegraben worden. Da die Burg 1399 wegen raubritterlicher Thaten ihrer Herren zerstört und nie mehr aufgebaut wurde, so ist das Alter dieses Fingerhutes, der so ziemlich die Form der heutigen hat, nur etwas breit ist, genau festgestellt.

Die Reichsstadt Nürnberg mit ihren tüchtigen Handwerkern, deren Witz, das ist Erfindungsgabe, sprichwörtlich geworden, war ein Hauptfabrikationsort der Fingerhüte. Die Verfertiger derselben, die Fingerhüter, das heißt Fingerhutmacher, werden zum ersten Male 1462 erwähnt, doch bildeten sie damals noch keine geschlossene selbständige Korporation, sondern werden in den Meisterbüchern von 1462 bis 1533 ausnahmslos dem Handwerke der Rothschmiede zugetheilt. Erst 1534 erscheinen die Fingerhüter zum ersten Male als besonderes Gewerbe, das 1537 eine eigene Ordnung erhielt. Doch sind gewiß die Erzeugnisse derselben von den unternehmenden Kaufleuten dieser Stadt schon im 15. Jahrhundert allenthalben auf den Jahrmärkten und in den Kramläden feilgeboten worden, etwa mit Worten, die in einem Fastnachtsspiele des 15. Jahrhunderts einem das Publikum zum Kaufe einladenden Krämer in den Mund gelegt werden:

„Ich han gut Schnur in das Unterhemd,
Auch hab’ ich Nadeln, Bürsten und Kämm,
Fingerhut, Taschen und Nesteln viel,
Heftlein und Häcklein, wie man will.“

Nachdem die Nürnberger Fingerhüter ein besonderes Gewerbe geworden, hatten die Rothgießer noch das Recht, gegossene Fingerhüte zu machen. Auf welche Weise die Fingerhüter – denen dagegen natürlich das Gießen der Hütchen verboten war – die Fingerhüte fertigten, verräth uns die älteste Abbildung einer Fingerhüterwerkstätte, speciell einer Nürnberger. Sie findet sich in dem 1568 erschienenen Buche „Eygentliche Beschreibung Aller Stände auff Erden, Hoher und Niedriger, Geistlicher und Weltlicher, aller Künsten, Handwercken und Händeln“, illustrirt durch Jost Amman, den fruchtbarsten deutschen Künstler der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der namentlich als Illustrator aller möglichen Werke des verschiedensten Inhaltes eine außerordentliche Thätigkeit entfaltete. Wie unter allen Darstellungen dieses Werkes, so finden sich auch unter dem „Fingerhüter“ Verse des Altmeisters Hans Sachs, die aber meist derartig sind, daß sie seinen Ruf als Dichter weder begründen noch vergrößeren konnten.

„Aus Messing mach’ ich Fingerhüt,
Blechweiß, werden im Feuer glüt,
Dann in das Eisen blank getrieben,
Darnach Löchlein darein gehieben,
Gar mancherlei Art, eng und weit,
Für Schuster und Schneider bereit,
Für Seidensticker und Näterin,
Des Handwerks ich ein Meister bin.“

Faksimile nach Jost Amman vom Jahre 1568.

Während ein großer Theil der Reichsstädte sich eines demokratischen Regiments erfreute, herrschte in Nürnberg die Aristokratie, die den Zünften keinerlei Selbständigkeit gönnte, sondern sie bis auf die geringsten Kleinigkeiten herab regierte. In ihren Vorschriften wurde zwar Vorsorge getroffen, daß nur gute, den Ruf des Handwerkes nicht schädigende Arbeiten die Stadt verlassen durften und daß jeder Meister sein genügendes Auskommen hatte. Um ihnen das letztere zu sichern, ging man aber manchmal zu weit und erließ sogar Verordnungen, welche die Ausbildung des Gewerbes hemmten und welche man von Nürnberg, dessen Handwerksmeister so mannigfache Erfindungen machten, eigentlich nicht erwarten durfte. So wurde 1572 auf eine Eingabe der geschworenen und gemeinen Meister des Fingerhüterhandwerks dem Jörg Endtner, ihrem Mitmeister, der sich ein Drehrad konstruirt hatte, bei Strafe verboten, diese gesuchte Neuerung, die sonst von keinem Meister auf dem Fingerhuthandwerk gebraucht wurde und die nur seiner Arbeit Vortheil, den andern Meistern aber Schaden bringe, ferner zu benützen. Uebrigens scheinen die Fingerhüter doch keine großen Reichthümer gesammelt zu haben, denn ein altes fliegendes Blatt vom Jahre 1621 verkündet von ihnen:

„Die Bader, Küfer, Fingerhüter
Bringen zusammen nicht viel Güter.“

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 779. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_779.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2023)