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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Obschon sein erstes Theater trotz aller Vorkehrungen gegen Feuersgefahr bei dem Brande der großen Passage ebenfalls von dem verheerenden Elemente ergriffen und zerstört wurde und ihn nach einem Jahre das gleiche Unglück zum zweiten Male traf, fand er doch den Muth, ein eigenes Haus zu bauen, bei dem ihm die Unterstützung eines hohen Gönners, des Fürsten Schachowskoi-Glebow-Strechnew, zu Theil wurde. Der Energie und Tüchtigkeit seines Direktors dankte das Moskauer deutsche Theater bisher stets ein vorzügliches Ensemble.

Selbstverständlich erfreut sich Direktor Paradies großer Beliebtheit und Sympathie bei der deutschen Kolonie, besonders da von ihr kaum irgend ein patriotisches Fest ohne seine und seiner Mitglieder uneigennützige Mitwirkung gefeiert wurde, und derselbe in sechzehn Wohlthätigkeitsvorstellungen – mochten sie nun von Deutschen oder Russen ausgehen – gegen 18 000 Rubel zu ihren Zwecken bestimmte. So war auch Paradies seiner Zeit der erste Theaterdirektor, der den Ueberschwemmten am Rhein 1000 Rubel mit einer Vorstellung von Freytag’s „Journalisten“ zuführte.

Das neue deutsche Schauspielhaus, für welches auch deutsche Opernaufführungen in Aussicht genommen sind, ist ein durchaus massiver Bau mit Eisenverspreizungen, die Facade im alterthümlichen russischen Stil (des 16. Jahrhunderts), das Innere hellgrün mit Vergoldung im Stil der Renaissance. Es hat vier Logenreihen und faßt 1600 Besucher.

Das deutsche Theater in Moskau.

Die Schwestern. (Mit Illustration S. 817.) Wir sind in der angenehmen Lage, eine der anmuthigsten, dem Familienleben entnommenen Schöpfungen von dem Künstler, über welchen wir unsern Lesern in der letzten Nummer berichtet, von Fr. A. Kaulbach, zu bringen. Es sind ein paar reizende Gesichter, welche träumerisch vor sich hin blicken, von üppigem vollen Haar umwallt: die ältere Schwester hält in der Hand eine Fülle von Blumen, und wer wünschte nicht, daß ein freundliches Schicksal sie diesen holdseligen Mädchen auf ihre Lebenspfade streuen möge?

Vermißten-Liste. Zunächst erstatten wir Bericht über die in Folge unserer Aufrufe Aufgefundenen.

Eine große, aber freudige Ueberraschung hatten wir dem Klempner Textor aus Memel, jetzt in Moskau, zu bereiten, der seinen Vater seit Jahren im ganzen russischen Reiche suchte, während derselbe in der Colonia Esperanza de Santa Fé der südamerikanischen Republik Argentinien als „major domo“ im Hause von Enrique Lehmann lebt, wie uns aus Linares von Otto Naumann mitgetheilt wird.

J. W. Müller aus Arad meldet, daß er seinen längst als todt betrachteten Sohn durch uns endlich in Odessa wiedergefunden habe.

Friedrich Eikermann aus Hannover hat den Seinen aus Schlesien beruhigende Nachricht gegeben.

Ebenso ist die Nachfrage nach Wittwe Olliof erledigt.

Der von seinem Stiefbruder Max Cordes gesuchte Buchbinder Julius Dubois, den eine Wiener Zuschrift nach Triest versetzt, hat selbst seine Berliner Adresse eingesandt.

Eine halbe Freude konnten wir einer hochbetagten Mutter in Schleswig-Holstein bereiten: von den zwei Söhnen, Seeleuten, John und Heinrich Wulf, die wir für sie suchten, hat der eine, Kapitän John Wulf, unsere Aufforderung in der „Gartenlaube“ in Portland (Oregon) gelesen und von da seiner Mutter sofort geschrieben.

Auch der Sohn der Wittwe Golze in Brandenburg ist gefunden; ebenso der Gerber A. Müller aus Leipzig.

Eduard Hainke hat, nachdem er unsere Aufforderung zu Erfurt im nordamerikanischen Staate Wisconsin zu Gesicht bekommen, sofort seine Adresse eingesandt.

Von den Geschwistern Thiele aus Wittenberg, Bruder und Schwester, wurde ersterer, Heinrich Thiele, uns durch Herrn Bernhard Friede in Leipzig als Hausbesitzer zu Bristol in Rhode Island (Vereinigte Staaten) angezeigt.

Schiffsofficier J. H. Scherrl schreibt uns nach seiner Heimkehr, wie sehr er uns dafür danke, daß wir ihn gesucht, und spricht seine Verwunderung darüber aus, daß wir ihn, trotzdem er seinen Aufenthalt unter gewissen Umständen verschwiegen hielt, dennoch gefunden hätten. Er schreibt dies der großen Aufmerksamkeit zu, mit welcher die auf den Südsee-Inseln bei den dort zerstreuten Deutschen verbreitete „Gartenlaube“ gelesen werde.

Herr Bürgermeister Geiger in Illereichen (Bayern) benachrichtigt uns, daß von Karl Vogt endlich, nach vier Jahren, wieder ein Brief bei den Seinen eingetroffen sei, und spricht den herzlichsten Dank derselben aus.

Max Theodor Degen ist infolge unseres Aufrufes zu seiner bekümmerten Mutter zurückgekehrt und Christian Anton Wilhelm Föllger hat seiner Schwester von Cincinnati aus Nachricht gegeben, während G. F. Vor aus New-York endlich seinen Kindern in Schmiedeberg geschrieben hat.

Wir veröffentlichen diese erfreulichen Ergebnisse unserer Aufrufe in der Hoffnung, daß auch die folgende Liste der Vermißten manchen Verschollenen seinen um sein Schicksal bekümmerten Anverwandten zuführen werde:

Fortsetzung aus 2. Beilage zu Nr. 16 dieses Jahrganges.[WS 1]

72) Am 18. August 1870 wurde in der Schlacht bei St. Privat der Hornist Wilhelm Karl Friedrich Ulbricht, geboren am 25. Juli 1852 in Breslau, durch einen Schuß in den Rücken verwundet und an das Feldlazareth abgegeben. Ueber sein weiteres Schicksal ist nichts zu erfahren gewesen; er ist spurlos verschwunden. Seine tiefbetrübten Angehörigen hoffen, daß sich unter den Lesern der „Gartenlaube“ vielleicht einer befindet, der ihnen Auskunft über den Verbleib des Vermißten zu geben vermag.

73) Franz Simmet, geb. den 13. November 1844 zu Wien, zuletzt Maschinenführer bei der Franz Josefs-Bahn, stationirt in Krems, Nieder-Oesterreich, verließ seine Familie am 27. Februar 1872, ohne daß es bisher gelungen wäre, über sein Verbleiben einen sichern Anhaltspunkt zu gewinnen. Wahrscheinlich hat er sich nach Amerika gewendet, da er Geld und seine Papiere mitgenommen.

74) Eine arme, bekümmerte Frau mit zwei Kindern sucht ihren seit 1883 verschwundenen Mann. Derselbe, am 10. Juni 1840 in Ober-Boihingen in Württemberg geboren, heißt Christian Koch, ist Eisenbahnarbeiter und verließ 1878 seine Frau. um in Konstantinopel Arbeit bei den Bahnbauten zu suchen. Sein letzter Brief ist vom Juni 1883 aus Belgrad datirt. Seitdem fehlt der trauernden Frau jede Nachricht von ihrem Mann. Alle Nachforschungen auf den Bahnen Serbiens blieben ohne Erfolg.

75) Der Fabrikschlosser Xaver Brandl, am 2. Februar 1865 in Hirschling bei Mallersdorf geboren, wird von seiner Mutter, die seit März 1884 keine Nachricht von ihrem Sohne erhalten hat, dringend um ein Lebenszeichen gebeten.

76) Johann Daniel Gustav Albold, geb. 8. Juli 1843 in Erfurt, gab als Steuermann des englischen Schiffes „Oribe“, Kapitän Irving, aus Port Elisabeth am 3. December 1871 seinen Eltern die letzte Nachricht, laut weicher er auf einem andern Schiffe, dessen Namen und Kapitän er jedoch noch nicht bezeichnen konnte, nach Philadelphia gehen wollte. Der alte Vater des Verschollenen ist inzwischen gestorben; die Mutter möchte wenigstens Gewißheit über das Schicksal ihres Sohnes haben.

77) Der Matrose Johann Friedrich Wilhelm Schiller, geboren 2. Februar 1858 in Mittel-Lobendau bei Liegnitz, schrieb am 2. September 1881 von Hamburg an seine Eltern, daß er Ende desselben Monats nach England zu gehen gedenke. Seitdem sind seine tiefbetrübten Eltern ohne jede Nachricht von ihrem Sohne.

78) Christian Theodor Nikolaus Holst, Sattler, geb. 1. December 1838 zu Groß-Königsförde in Schleswig-Holstein, wanderte vor vielen Jahren nach Paris aus und hat seit 1869 nichts mehr von sich hören lassen.

79) Der Tapezierer Moritz Giselbreth, geboren am 14. December 1858 in Linz, verließ 1879 seine Vaterstadt und hielt sich dann kurze Zeit in Gerona und Barcelona auf. Seit jenem Jahr ist er spurlos verschwunden.

80) Ludwig Ebner, magyarisirt im Jahre 1862 in Liuz Endrényi, geb. 20. April 1826 zu Pécska im ungar. Komitat Arad, war im Jahre 1860 Kaufmann in Arad, fuhr am 4. Januar 1864 von Genua mit der Gennefer Barke „Katharina prima“ nach Rio de Janeiro, ging von dort in die Kolonie Blumenau Prov. St. Katharina und wurde am 1. April 1864 in Itahay, 3¼ Stunden von Blumenau entfernt, kolonisirt. Im September 1865 nahm er Officierdienst in der brasilianischen Armee und ward 1866 Kommandant des deutschen Kontingents I. Bataillon aus der Provinz St. Katharina. Am 25. Juni 1870 ging er von Rio de Janeiro mit dem Schiff „City of Limerick“ nach Antwerpen mit 17 Stück wilden Thieren. Am 18. September 1870 reiste er von London nach Liverpool und von dort am 20. September nach Rio de Janeiro mit 400 Stück Kanarienvögeln, 1 Hyäne und 2 Himalaja-Bären. Von Liverpool datirt seine letzte Nachricht; seitdem ist er verschollen.

81) Am 5. December 1883 Abends 6 Uhr entfernte sich Franz Kunkel aus dem elterlichen Hause in Klein-Krotzenburg (Hessen) und ist seitdem spurlos verschwunden. Er ist am 17. December 1857 in jenem Orte geboren, diente mehrere Jahre im Großherzogl. hessischen Artilleriekorps und war Landwirth von Beruf.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Zum Anschluss müsste diese „2. Beilage zu Nr. 16.“ die lfd. Nummern 67 bis 71 umfassen. Sie liegt aber nicht vor.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 820. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_820.jpg&oldid=- (Version vom 17.6.2023)