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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

No. 48.   1886.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Die beiden Schaumlöffel.

Eine Künstlergeschichte von Klara Biller.
(Fortsetzung.)

Ein gewisses Gefühl des Wohlbehagens, das selbst das Gespenst der Amerikaner nicht zu unterdrücken vermag, bemächtigt sich Oskar’s, als er nach der Unruhe der letzten Stunde sich wieder allein findet. Er streckt sich auf dem bequemen Divan, den eine Palmengruppe überragt, und läßt das Wiedersehen mit seinem Freunde noch einmal in der Erinnerung an sich vorüberziehen. Sein Gemüth ist besonders für solchen Hochgenuß geschaffen, während das Geräuschvolle der Wirklichkeit ihn mitunter verletzt. Er gesteht sich reumüthig, daß er nicht geglaubt, Paul so wiederzufinden; er fürchtete, der Erfolg würde den Künstler übermüthig gemacht haben – und wie treu, wie rücksichtsvoll und hilfreich war er geblieben! Nun er diesen einflußreichen Freund in der Vaterstadt neben sich hatte, faßte er wieder Hoffnung, daß noch etwas zu erreichen, und schämte sich fast, daß er so kleinmüthig gewesen. Wenn er Paul nur wenigstens bei den Amerikanern dienen könnte! So viel in seinen Kräften stand, wollte er schon versuchen, aber diese reichten ja nicht weit. Der gütige Paul, der trotz der Liebe zu dem blonden Mädchen und der neuen Bilderbestellung sein Interesse wahrgenommen und ihn diesen Menschen als Lehrer angepriesen hatte …

Ein Wagen rollt vor … kaum halb acht Uhr! Oskar greift nach seiner – vielmehr Paul’s neuester Kopfbedeckung. Er will hinaus, da reißt Fritz die Thür auf.

„Miß Dunby,“ sagt der eintretende Amerikaner, seine Tochter vorstellend, „hatte den Wunsch, heute schon einen Blick in das Atelier eines berühmten deutschen Künstlers zu werfen. Wir sind deßhalb etwas vor der verabredeten Stunde erschienen! Meine Frau fühlte sich angegriffen und hat uns daher nicht begleitet.“

Miß Dunby streckt ihm ihre kleine, schmalgefingerte Hand enthusiastisch entgegen. Ein bewundernder Blick ihrer klaren blauen Augen – die Begeisterung einer Siebzehnjährigen – trifft ihn. Sie ist über und über roth geworden aus Vergnügen, sich im Atelier des berühmten Schaumlöffel zu befinden. Es fehlt nicht viel, so erröthete Oskar auch; er ist der schüchternste Mensch Frauen gegenüber.

Lucie Dunby ist, wenn Bewunderung sie nicht stumm macht, ein etwas vorlautes, eigenwilliges, sehr verwöhntes, aber trotzdem sympathisches junges Mädchen. Sie ist noch ziemlich zart, in den Bewegungen mitunter noch etwas linkisch. Wenn Erregung ihr aber Farbe giebt, wie eben jetzt, sieht sie reizend aus.

Sie trägt ein Kostüm von sandfarbenem Wollstoff mit Seide in einer etwas dunkleren Nüance vermischt. Von der Schulter nach der Taille zu fällt ein Bouquett von Kornblumen. Der runde Strohhut ist ebenfalls mit Kornblumen garnirt und links etwas aufgeschlagen.

„Nun, Lucie, da sind wir, wo Du so sehr zu sein wünschtest – he? Sieh’ Dich um. Wie ist Dir zu Muthe?“

„Ich bin selig, Papa!“ entgegnet Lucie und wirft dem vermeintlichen Maler abermals einen strahlenden Blick zu.

„Aber wo sind die Bilder?“ fragt sie dann. „Man sieht so viel Porcellan, Vorhänge und alte Waffen, aber keine Bilder.“

Bessarabisches Mädchen. 0Nach dem Oelgemälde von Th. Kleehaas.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 837. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_837.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)