Seite:Die Gartenlaube (1886) 867.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

im Blick; das trug den Sieg davon, selbst über den drohenden Verlust der Geliebten, und entriß ihn noch einmal der Gefahr.

„Nimmermehr!“ wiederholte er, sich losreißend. „Ich könnte nicht leben mit dem Bewußtsein, auch nicht an Deiner Seite – leb’ wohl, Heloise!“

Er eilte nach der Thür und traf dort mit Henri Clermont zusammen, der soeben von einem Ausgange zurückkehrte und ihn aufhalten wollte.

„Wohin denn so stürmisch, Raoul? Hast Du keine Minute für mich übrig?“

„Nein!“ stieß der junge Graf hervor. „Ich muß fort – augenblicklich – leb’ wohl!“

Er stürmte hinaus. Clermont sah ihm verwundert nach und wandte sich dann zu seiner Schwester.

„Was hat Raoul? Was bedeutet dies Fortstürmen?“

„Es ist seine Antwort auf meine Zumuthung, uns nach Frankreich zu folgen,“ entgegnete die junge Frau in tiefgereiztem Tone. „Du hörst es! Er sagt mir Lebewohl.“

Henri zuckte nur die Achseln.

„Für heute! Morgen wird er wiederkommen. Ich dächte, Du kenntest doch jetzt Deine Macht über ihn hinreichend. Er hat eine Hertha Steinrück aufgegeben um Deinetwillen und mit ihr ein fürstliches Vermögen; Dich giebt er niemals auf!“

(Fortsetzung folgt.)

Blätter und Büthen.

Weihnachtsbüchertisch für die Jugend. Zum Glück ist nicht die Zahl der erschienenen Neuigkeiten allein maßgebend für die Reichhaltigkeit des Weihnachtsbüchertisches! Denn sonst wäre es um die Weihnachtsfreude der jugendlichen Bücherliebhaber in diesem Jahre nicht so glänzend bestellt wie früher. Aber wir können zufrieden sein: nicht die Zahl der neuerschienenen Jugendbücher imponirt in diesem Jahre, wohl aber der Werth, die innere und äußere Gediegenheit des neu Gebotenen!

Da ist zunächst ein Buch, das den Titel „Fröhliche Jugend“ (Bremen, M. Heinsius) führt und auf den ersten Blick freundlich für sich einnimmt. Dasselbe bietet hübsche Lieder von G. Chr. Dieffenbach, Melodien dazu von Karl Aug. Kern und Bilder von V. Paul Mohn. Man lese und singe nur ein paar der Lieder und betrachte nur hier und da eines der prächtigen Bilder, und man wird sicher zu der Ueberzeugung gelangen, daß dieses Buch allein für ein halbes Dutzend andere entschädigt, die es etwa in früheren Jahren mehr gegeben hat, besonders wenn eine sinnige Mutter es übernimmt, ihre Kleinen selbst in die Lieder- und Bilderschätze dieses Buches einzuführen. – Volle Anerkennung verdienen auch ein Bilderbuch von Karl Röhling: „Die Jahreszeiten“ (Leipzig, Meißner und Buch), zu welchem der bekannte Schriftsteller Heinrich Seidel ansprechende Verse schrieb, und ein solches von Julius Kleinmichel: „Aus der Jugendzeit“ (Leipzig, E. Twietmeyer), mit Gedichten von Franz Dittmar. Beide Bücher werden mit ihren leichtfaßlichen Bildern und Texten vorzugsweise da am Platze sein, wo eine besondere Unterweisung der Kleinen durch Erwachsene nicht erfolgen kann. – „Durch Wald und Flur“ (Wien, Moritz Perles), illustrirt von Th. von Pichler, bietet kleinen Naturfreunden viel Belehrendes in unterhaltender Form.

Ein heiteres Bilderbuch für geweckte Kinder ist „König Nobel“ (Breslau, C. T. Wiskott) von Julius Lohmeyer und Fedor Flinzer. Lohmeyer hat seine jungen Freunde schon öfter durch poetische Thiergeschichten erfreut, und „König Nobel“ schließt sich den früheren würdig an; die Illustrationen von Flinzer sind meisterhaft sowohl bezüglich der Zeichnung als hinsichtlich des Farbendruckes.

A. Godin, die beliebte Novellistin und Märchenerzählerin, bietet einen duftigen Strauß von „Märchen aus Feld und Wiese“ (Stuttgart, Gebrüder Kröner). Ich habe dieses Buch lange nicht aus der Hand legen können, sondern mich immer wieder in die reizenden Märchen vom Schneeglöckchen, Veilchen, Vergißmeinnicht, Heideblümchen, von der Schlüsselblume, Kornblume, Heckenrose und der Winde vertieft und mit gesteigerter Lust auch die dazu gehörigen Bilder von E. Kepler betrachtet, die mit ihrer schlichten Innigkeit so bezaubernd wirken, daß ich nicht zu viel zu sagen glaube, wenn ich dieses Buch als die schönste diesjährige Weihnachtsgabe für die Kleincn hinstelle. Ein gewichtiger Zeuge hierfür ist mir der pausbackige siebenjährige Bube einer befreundeten Familie. Er beehrt mich zuweilen mit seinem Besuch und sieht dann gern nach, „ob’s nicht was Schönes giebt“. Vor einigen Tagen fand ich ihn auf dem Teppich mitten im Zimmer liegen, vor sich die „Märchen aus Feld und Wiese“. „Nun?“ fragte ich, „was giebt’s?“ Er bedeckte das Buch der Sicherheit halber mit beiden Händen, blickte mit glänzenden Augen zu mir auf und sagte bittend: „Wie schön! Darf ich weiter lesen?“

Dic „Kinderträume“, Märchen von R. A. Lottka, illustrirt von Eugen Klimsch (Leipzig, C. F. Amelang’s Verlag), erfordern zumeist ein schon reiferes Verständniß, bieten einer verständigen Mutter aber auch für die Kleinen reichen Unterhaltungsstoff, eben so wie die unter dem Titel: „In der Geisblattlaube“ (Dresden, C. C. Meinhold und Söhne) erschienenen Märchen von Josephine Scheffel. Diese letztere, die Mutter J. V. von Scheffel’s, liebte es, wenn in der Geißblattlaube des Gartens ein vertrauter Kreis jugendlicher Freundinnen sich eingefunden hatte, den Lauschenden allerlei selbstersonnene Märchen zu erzählen, und übte dadurch auf die empfänglichen Gemüther einen nicht geringen Einfluß. Jetzt hat Alberta von Freydorf eine Reihe dieser Märchen, theils nach schriftlichen Aufzeichnungen der Erzählerin, theils nach der Erinnerung, veröffentlicht und dadurch die sinnigen Poesien der liebenswürdigen Frau in dankenswerther Weise auch weiteren Kreisen zugänglich gemacht. – Als letzte schöne Gabe für die Kleinen müssen wir noch Maximilian Bern’s hübsche Gedichtsammlung „Für kleine Leute“ (Leipzig, E. Twietmeyer) nennen, die eine sorgfältige, aus alten und neuen Quellen geschöpfte Auswahl der besten Gedichte für kindliche Leser enthält und von Bürkner, Pletsch, Richter, Thumann u. A. illustrirt ist.

Vorzüglicher Lesestoff für Knaben und Mädchen verschiedener Altersstufen findet sich in der bekannten „Universalbibliothek für die Jugend“. Als die Verlagshandlang vor einigen Jahren dieses wirklich gemeinnützige Unternehmen ins Leben rief, fand sie den Beifall der gesammten Lehrerwelt, und die lebhafte Anerkennung der Vorzüge der Bibliothek ist noch von Jahr zu Jahr gewachsen. Dieselbe enthält eine große Zahl der besten älteren und neueren Jugendschriften; alle Bände sind von tüchtigen Männern bearbeitet; die sämmtlichen Gebiete des Wissens und der Unterhaltung, welche zur Förderung und Belehrung der Jugend dienen können, sind vertreten; die Ausstattung ist eine gute, der Preis ein bisher unerhört billiger. Wer also sicher sein will, seinen Kindern ein gutes Buch zu schenken, und doch zugleich auch auf den Preis sehen muß, der greife ruhig zu den hübschen rothen, schwarz- und goldverzierten Bänden der „Universalbibliothek“, die auch in diesem Jahre wieder durch eine Reihe trefflicher Schriften – „Oberou“ von K. A. Müller, „Der Jugend Räthselschatz“ von W. Werther, „Beispiele des Guten“ von G. Plieninger, „Der Knabe des Tell“ von Jeremias Gotthelf etc. – bereichert worden ist. Auch die Schul- und Bibliothekvorstände machen wir wiederholt auf das gediegene Unternehmen aufmerksam.

Ein lieber Freund für Knaben und Mädchen im Alter von 9 bis 15 Jahren ist der von O. Wildermuth begründete und von ihren Töchtern Agnes Willms und Adelheid Wildermuth fortgeführte „Jugendgarten“ geworden, der heuer nun schon zum elften Male bei allen deutschen Familien um freundliche Aufnahme bittet und sicher sein darf, eine solche zu finden. Der diesjährige, elfte Band des „Jugendgartens“ bietet abermals eine Fülle gediegenen Unterhaltungsstoffes: fesselnde Erzählungen wechseln mit lebensfrischen Geschichts-, Natur- und Reiseschilderungen; für die Feier eines der schönsten Familienfeste, den Geburtstag der Mutter, ist durch ein hübsches Festspiel gesorgt; wer Gedichte wünscht, findet deren ernste und heitere; sogar eine Handvoll kerniger Knacknüsse für den Räthselfreund ist nicht vergessen. Die Namen der meisten Mitarbeiter, wie Elisabeth Klee, Ernst Lausch, C. Michael, Luise Pichler, Gustav Plieninger, Emma Schöne, Adelheid Wildermuth, Agnes Willms u. A., haben schon lange auf dem Gebiete der Jugendlitteratur einen guten Klang. Auch der reiche und gediegene Bilderschmuck – acht farbige und zwölf Tondruckbilder –, zu welchem namhafte Künstler wie G. Hahn, E. Kepler, Herm. Vogel, J. R. Wehle u. A. beigesteuert haben, trägt in hohem Maße dazu bei, den „Jugendgarten“ zu einer Zierde für jeden Weihnachtstisch zu machen.

Von unserem geschätzten Mitarbeiter Viktor Blüthgen erschienen unter dem Titel „Zum Nachtisch“ (Stuttgart, Gebrüder Kröner) vier inhaltreiche Erzählungen, mit sechs Bildern in Farbendruck von L. Blume-Siebert. Diese Gaben des beliebten Autors bedürfen übrigens einer besonderen Empfehlung eben so wenig wie die lebenswahren, von Eugen Klimsch illustrirten Erzählungen unter dem Titel „Jugendwege und Irrfahrten“ (ebenda), mit welchen uns Julius Lohmeyer erfreut. Beider Schriften haben sich in der deutschen Familie eingebürgert und dürfen stets eines herzlichen Willkommens gewiß sein.

Oskar Höcker bietet in seiner Erzählung „Ein deutscher Apostel“ (Leipzig, Ferdinand Hirt und Sohn) ein fesselndes kulturgeschichtliches Bild aus der Zeit des heiligen Bonifacius, Karl Oppel dagegen in seinen „Städtebildern“ (Leipzig, Otto Spamer) eine ganze Reihe kulturgeschichtlicher Schilderungen aus allen Gauen des deutschen Vaterlandes und aus verschiedenen Jahrhunderten. Beide Werke sind nur zu empfehlen, besonders aber das letztere. Der verdiente, treffliche Verfasser, ein im Dienste humaner Bestrebungen ergrauter Schulmann, versteht es vorzüglich, die jugendlichen Leser, insbesondere Knaben, zu fesseln und die Begeisterung für Großes und Erhebendes in ihre empfänglichen Herzen zu pflanzen. Das beweist er mit dem vorliegenden Buche aufs Neue.

Dem Namen C. Falkenhorst, den Lesern der „Gartenlaube“ wohlbekannt, begegnen wir auf dem Gebiete der Jugendlitteratur zum ersten Male. Derselbe wird jedoch durch die Erzählung „In Kamerun. Zugvogels Reise- und Jagd-Abenteuer“ (Leipzig, F. A. Brockhaus) auch auf diesem Gebiete auf das Glücklichste eingeführt. Der „Zugvogel“ ist ein junger Mann, der nicht an der Scholle kleben mochte, gleich seinen Vorfahren, sondern der sich stets mit weiten Reiseplänen trug und bereits im neunzehnten Jahre eine erste große Reise nach Afrika zur Ausführung brachte. Seine Erlebnisse auf dieser Reise, besonders in Kamerun, bilden den Gegenstand der Falkenhorst’schen Erzählung, deren Werth durch eingestreute anschauliche und fesselnde Schilderungen der Thier- und Pflanzenwelt noch wesentlich erhöht wird.

Ein herrliches Buch für die Jugend von 12 bis 16 Jahren, das andere gleichartige Werke bei Weitem überragt, ist das „Deutsche Heldenbuch“ von Richard Weitbrecht (Stuttgart, Gebrüder Kröner). Walther und Hildegund, Siegfried, Gudrun, Wieland der Schmied, Ortnit, Dietrich von Bern, Roland, Rennewart, Parzival und Lohengrin: das sind die ewig anziehenden Gestalten aus der deutschen Heldensage, welche

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 867. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_867.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2022)