Seite:Die Gartenlaube (1886) 901.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

An der Heimathstätte des „Trompeters von Säckingen“.

„Grüner Bergsee, Tannendunkel
Seid viel tausendmal gegrüßt!“
Weihnachtsmorgen am Bergsee bei Säckingen. 
Originalzeichnung von R. Aßmus. 

Unter den altehrwürdigen vier Waldstädten des Badenlandes, die Jahrhunderte lang zur Habsburgischen Krone gehörten, ist Säckingen die meistgenannte. Aber dieses Städtlein würde heute kaum erwähnt werden, hätte nicht Scheffel’s „Trompeter“ seinen Ruhm in alle Welt geblasen.

Das Alter der Stadt reicht bis zur Zeit der Glaubensboten, bis zum heiligen Fridolin zurück, der im sechsten Jahrhundert, von Irland kommend, hier die rauhen Bewohner zum Christenthum bekehrte und eine Niederlassung gründete.

„Fridoline! Fridoline!
Leih’ auch fürder deinen Schutz uns,
Wolle gnädig vor Gefahren,
Krieg und Pestilenz uns wahren.“

Von der alten Stadt und deren Gebäuden ist wenig auf unsere Tage gekommen. Aber die denkwürdigen Bauten, von welchen Scheffel singt, schmücken noch die Stadt: der plumpe runde St. Gallus-Thurm, das Frauenstift und der von einem Thürmepaar gekrönte Fridolinsdom. Auch die Wirthschaft „Zum güldenen Knopf“ am Marktplatz erinnert uns an die „Herberg“ gleichen Namens, von der Scheffel erzählt.

Ein wohlgepflegter Park umgiebt das mit flankirenden Thürmen geschmückte Schlößchen Schönau, das in alter Zeit „Schönauer Hof“ genannt wurde. In dem dunkeln Grün alter Bäume liegt dasselbe mit seinen hellen, nach der Wetterseite schindelgedeckten Wänden wie ein sauberes Schmuckkästchen. Eine in der Nische stehende bronzene Statue des „Trompeters“ ist vom Besitzer des Schlosses „dem Andenken Viktor von Scheffel’s“ gewidmet. Uralte Kastanien beschatten den hart über dem Rheinufer gelegenen „Gartenpavillon“, in welchem Scheffel das Geburtstagskoncert durch Werner Kirchhofer dirigiren läßt. Farbengebung fehlt dem Inneren noch bis heute; nur gemalte Epheuzweige schmücken die leeren Wände.

Der Leser sieht daraus, wie genau Scheffel sich in seinem „Sang vom Oberrhein“ an die Wahrheit gehalten hat.

Zur Dichtung selbst mag Scheffel wohl in erster Linie der an einer Seitenkapelle des Friedhofs eingemauerte alte Grabstein veranlaßt haben, dessen Inschrift die daselbst ruhenden Edelleute den „Herrn Franz Werner Kirchhofer und dessen Frau Maria Ursula von Schönau“ nennt; darüber befinden sich die Wappen beider. Kirchhofer starb „am letzten Mai 1690“; seine „am 1. März 1691“ gestorbene Gattin überlebte ihn nur um ein Jahr. Beide haben nach den Archiven von Säckingen ein hohes Alter erreicht.

In zweiter Linie mögen gerade die Archive, in denen Scheffel bekanntlich ein nie rastender Forscher war, ihm die Anregung gegeben haben. Aus denselben geht hervor, daß um jene Zeit, in welcher die Dichtung spielte, wirklich ein Musiker Namens Werner Kirchhofer in Säckingen gelebt hat. Später wanderte derselbe nach Wien, wo er am Stephansmünster als Chordirektor wirkte und wahrscheinlich vom Kaiser geadelt wurde. Scheffel verlegt bekanntlich den späteren Aufenthalt Kirchhofer’s nach Rom. Einige Jahre darauf kehrte Werner Kirchhofer nach Säckingen zurück, übernahm daselbst ein gleiches Amt am Münster und heirathete das Fräulein von Schönau. Von ihm liegen noch heute in den Säckinger Rathsarchiven Quittungen mit seiner Unterschrift über so und so viele „Pfund Heller“, die er als Gehalt für die Chordirektorsstelle am Fridolinsmünster ausgezahlt erhalten[1].

Vom Bahnhof erreichen wir in nördlicher Richtung auf der Fahrstraße nach Herrischried in dreiviertel Stunden den schönsten, von Scheffel gleichfalls verherrlichten Punkt der Umgebung Säckingens, den romantisch gelegenen einsamen Bergsee, der von ernsten Tannen eingerahmt wird, unter denen dunkelgrüne Stechpalmen ihre Wurzeln treiben.

Der See hat eine Viertelstunde im Umfang; riesige Karpfen leben in seiner Tiefe. Die Säckinger haben in einen Felsen eine dem Andenken Scheffel’s gewidmete Inschrift einmeißeln lassen. Gern würden dieselben ein Denkmal des „Trompeters“ errichten; allein die Mittel des Städtchens reichen dazu nicht aus, und nur durch eine Sammlung in Deutschlands Gauen könnte dieser Herzenswunsch erfüllt werden.

Noch vor wenigen Jahren erhoben sich unmittelbar aus dem dunklen Wasserspiegel des Bergsees alte Tannen, welche der Gegend ein besonderes urwaldartiges Aussehen gaben. Leider hat man dieselben, weil sie abzusterben begannen, abgeholzt. Der kleine im Sommer in Gebrauch befindliche Dampfer paßt nicht zum einsamen wildschönen Bergsee. Unsere Abbildung desselben ist vom Pavillon aus gezeichnet, welcher gegenüber der auf unserem Bilde sichtbaren Waldrestauration mit kleinem Wildgarten liegt.

Das Bild des „Trompeters von Säckingen“, welches wir in der heutigen Nummer (S. 896 und 897) in Holzschnitt bringen, ist nach einem im Besitz der Kunsthandlung Wimmer u. Komp. in München befindlichen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 901. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_901.jpg&oldid=- (Version vom 2.1.2023)
  1. Der Verfasser verdankt diese durchaus neuen Mittheilungen Herrn Andreas Streicher in Säckingen.