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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

der Gesellschaft, vor Allem in den untergeordneten: er suchte dasselbe auf in den engen Gassen, wo es in manchen Städten seit der Zeit mittelalterlicher Bedrückung noch seinen Wohnsitz aufgeschlagen. „Aus dem Ghetto“ war der Titel seiner ersten Novellensammlung. Ein dumpfer Druck lastet auf diesen Schilderungen einer Welt, die mit ihren alten Satzungen fremdartig in die Gegenwart hineinragt: doch die mumienhaften Sitten und Gebräuche sind mit lebendiger Anschaulichkeit geschildert, und das Lieblingsthema des Dichters ist der Kampf in der Seele seiner Helden und Heldinnen zwischen der Anhänglichkeit an die Ueberlieferung und das Gesetz der Väter und der Hingabe an die neue Zeit, die an die Pforten des alten Ghetto und an die Herzen seiner Bewohner und Bewohnerinnen klopft.

Leopold Kompert ist ein feiner Seelenmaler. Das wissen erprobte Kenner und Geschmacksrichter zu würdigen; aber das große Publikum, abgesehen von seinen Glaubensgenossen, wird sich durch diese Kulturbilder nicht leicht erwärmen lassen. Die Werke Leopold Kompert’s sind gesammelt in acht Bänden erschienen 1882 bis 1883. Er selbst war am 15. Mai 1822 zu Münchengrätz in Böhmen geboren, hatte in Prag studirt und, bis er sich der schriftstellerischen Laufbahn widmete, mehrfach Hauslehrerstellen bekleidet. Er war ein warmherziger und bescheidener Mann, in seinem Leben und in seinen Schriften frei von jeder Aufdringlichkeit, von allem Haschen nach äußerem Erfolg und von manchen litterarischen Unarten, welche vielen Jüngern Heine’s und Saphir’s eigen sind. Der Interessen der Schriftsteller hat er sich stets mit Eifer angenommen und war längere Zeit Vorsitzender der Wiener Schillerstiftung.†      

Kinderball. (Mit Illustration S. 888 u. 889.) Weihnacht war vorüber, aber noch einmal durfte im Hause des Herrn Geheimraths der Christbaum in vollem Glänze erstrahlen, ehe er an des Jahres Wende all seiner Pracht beraubt wurde. Zehn, zwanzig und noch mehr ihrer jungen Freunde, Freundinnen und Verwandten hatten der Sohn und die Tochter des Hauses im Einverständniß mit den Eltern eingeladen, als diese ihnen die Erlaubniß zu einem „Ball“ ertheilt hatten. Jetzt war der ersehnte Abend da: die Lichter des Christbaums erstrahlten; der Salon war glänzend hell erleuchtet; das Orchester – Piano, Geige und Baß – war vollständig, und schon erklang die erste Weise! Alles drängte in den Saal, und verlassen stand auf einmal der schöne Christbaum: Terpsichore hatte gerufen, und ihrem Rufe waren Alle gefolgt. * *      

Einnahmen der Jockeys. Die deutschen Dichter, welche das Musenroß besteigen zu einem Ritt ins romantische Land, der ihnen in der Regel sehr geringe Schätze abwirft, werden mit stillem Neid von den Einkünften der englischen Jockeys hören. Und was ist solch ein Jockey dort für ein gefeierter Mann! Die ganze Nation legt Trauer an bei dem Tode einer solchen Größe des Rennplatzes, während dies einem deutschen Dichter nur in den seltensten Fällen passirt. Es fehlte nicht viel, so wären die englischen Blätter mit Trauerrand erschienen, als jüngst der gefeiertste Held des „Turfs“ das Zeitliche segnete. Doch wenn die Pietät für die Todten in Deutschland bisweilen Ersatz bietet für die Gleichgültigkeit, mit der die Lebenden einem traurigen Lose überlassen wurden, so ist in England das Los der Berühmtheiten zu Pferde auch bei Lebzeiten keineswegs ein beklagenswerthes. Der Jockey Frederic Archer hatte sich mit einem Einkommen von 10000 Pfund Sterling (circa 200000 Mark) eingeschätzt, und ein anderer Jockey von New-Market blieb in seiner Selbsteinschätzung nicht weit hinter derjenigen Archer’s zurück. Woher beziehen aber die Jockeys solche Einkünfte, gegen welche diejenigen unserer ersten Tenoristen und Primadonnen, der gefeiertsten Künstler und Künstlerinnen zurückstehen, ganz abgesehen von den Ministergehältern großer Staaten, welche im Vergleiche damit nur einen bescheidenen Eindruck machen? Man wird zunächst an die Wetten denken, die ja auf den Rennplätzen eine große Rolle spielen; doch den Jockeys sind alle Wetten untersagt. Auch die immerhin sehr ansehnlichen Gebühren allein genügen nicht, ein so großes Einkommen zu Stande zu bringen. Die Gebühr für einen siegreichen Jockey beträgt 5 Pfund, die für einen besiegten 3 Pfund. Archer hat im letzten Jahr 421 Rennen ohne Erfolg mitgemacht, und ist in 246 Rennen Sieger geblieben: die ersteren trugen ihm 1282 Psuud ein, die letzteren 1292 Pfund. Viel Geld erwerben sie aber beim Trainiren der Pferde, bei Versuchsritten, durch Geschenke, die ihnen gemacht werden, besonders aber durch eine feste Summe, die ihnen als Haftgeld von einzelnen Pferdebesitzern ausgezahlt wird und die sich bis 2000, ja bis 5000 Pfund jährlich steigern kann! †      

'Nach der Bescherung. (Vergl. die Kunstbeilage.) Der Großvater wohnt in der Mitte des Dorfes; das Heim der Tochter dagegen, welche an den Dürhofbauern verheirathet ist, liegt schon außerhalb desselben. So galt es einen „tüchtigen Marsch“, als früh am ersten Weihnachtsfeiertage die Schwester der Dürhofbäuerin mit deren beiden Lieblingen nach der Bescherung beim Großvater wieder dem Dürhof zuschritt. Und recht bitter kalt war’s dazu; der Schnee wirbelte in großen Flocken, und wenn’s an einem Hause vorüberging, so blies ein tückischer Kobold wohl gar auch noch die feinen Krystalle vom Dache herab, und die braune Lise und ihre Schützlinge konnten froh sein, wenn sie das Beginnen des Schadenfrohen rechtzeitig bemerkten und schnell zur Seite zu weichen vermochten. Wurden sie indeß wirklich einmal überschüttet: „Huh!“ sagte dann die Lise, „wie arg!“ Aber aus ihren braunen Augen lachte es lustig, und die Schwesterkinder fuhren mit der Patschhand über Gesicht und freuten sich weiter. Das unruhige Annemareile auf dem Arme streckte begehrlich die Hände nach der buntbemalten hölzernen Puppe und dem Tannenbaum aus, und das blonde kleine Kätherle, welches tapfer an der Seite schritt, blickte vergnügt bald auf das Schwesterchen, bald auf die Tante Lise. „Fröhliche Weihnacht!“ hatte der Großvater gesagt, als sie gekommen waren, und das war auch sein Gruß gewesen, als sie wieder gingen. Ja, diese feierten sie in der That, und der Sturm von draußen vermochte den Jubel im Herzen nicht anzufechten, auch nicht das Wort des Großvaters: „Grüß’ Dei’ Schwester und den Bauern, und recht fröhliche Weihnacht Alle mitsammt!“ zu übertönen. . .

„Fröhliche Weihnacht!“ Aus unserem Bilde lacht es uns entgegen, und es ist der Gruß, den auch die „Gartenlaube“ allen ihren Lesern sendet! * *      

Das deutsche Theater in Moskau, dem wir als einem vorgeschobenen Posten deutscher Kultur im fernen Russenlande unseren Antheil nicht vorenthielten, hat leider! in dieser Saison nicht dasselbe Glück gehabt wie früher und seine Pforten schließen müssen. Wir hoffen, daß es sich nur um einen vorübergehenden Zwischenfall handelt, der vielleicht mit der jetzigen deutschfeindlichen Stimmung in Rußland zusammenhängt, und daß die deutsche Kunst in der alten Zarenstadt bald den verlorenen Boden wieder gewinnen wird.†      

Einbanddecke zur „Gartenlaube“. Auch zum laufenden Jahrgang der „Gartenlaube“ haben wir wieder neue, geschmackvolle Leinwanddecken nach einer Zeichnung von Prof. Fr. Wanderer anfertigen lassen. Die Decken sind in olivenbrauner Farbe in Gold- und Schwarzdruck sehr elegant hergestellt und zum Preise von 1 Mark 25 Pfennig durch alle Buchhandlungen, welche die „Gartenlaube“ liefern, zu beziehen. Mit Benutzung derselben ist jeder Buchbinder im Stande, zu verhältnißmäßig billigem Preise einen soliden und eleganten Einband herzustellen.


Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Anfragen werden nicht beanwortet.)

L. N. in Breslau. Sie fragen: „Ob wir nicht auch für die ,Gartenlaube‘ zu dem kleinen Format greifen werden, welches jetzt Mode zu werden scheint?“ Nein, wir gedenken unser altes gutes Format, in welchem die „Gartenlaube“ nun seit über 30 Jahren erscheint, so leicht nicht aufzugeben. Die Mode wechselt ja auch auf diesem Gebiete sehr häufig, und die Zeit ist noch nicht fern, wo die Journale sich gegenseitig darin übertrafen, ihr Format größer und größer zu machen, bis schließlich ein Journal bei einem Riesenformat, einer Art von illustrirter Tischdecke angelangt war. Die „Gartenlaube“ ist damals unbeirrt bei ihrem mäßigen Format geblieben, welches ebensowohl ein bequemes Lesen als auch die Unterbringung großer Illustrationen ohne jene störenden und dem Zerreißen ausgesetzten, oft mehrfach zusammengefalteten Beilagen gestattet. Und dabei gedenkt sie auch für die Folge zu bleiben.

Es ist wahr, daß ein gebundener Jahrgang der „Gartenlaube“ etwas schwer zu handhaben ist; aber das trifft auch bei dem von Ihnen erwähnten Format zu. Ein gebundener vollständiger Jahrgang ist auch in diesem Format nicht sehr „handlich“. Dem von Ihnen erwähnten Uebelstand läßt sich am leichtesten dadurch abhelfen, daß man den Jahrgang in zwei Theilen (Nr. 1 bis 26 und Nr. 27 bis 52) einbinden läßt, was allerdings etwas größere Kosten verursacht, aber entschieden bequemer ist.

E. L. in Köln. 10 Mark „Für Ihre Armen“. A. Behr in Dresden. 10 Mark „Für die Armenbüchse der ‚Gartenlaube‘“. – Stallupönen. 5 Mark in Briefmarken „Für die Armen“. – Herzlichen Dank für Ihre Gaben, die manche Thräne versteckter und hilfloser Armuth gestillt haben. Möge Ihr edles Beispiel recht viele Nachahmer finden!

J. W. und A. F. in St. Paul. Der Beitrag über den Fürsten Lichnowsky erschien im Jahrgang 1873 der „Gartenlaube“, Nr, 40, 41 und 42. Diese Nummern stehen gegen Einsendung von 85 Pfennig zu Ihrer Verfügung.

E. M. in Leipzig. Wir haben unsern Standpnnkt in dieser Angelegenheit unter der Zustimmung aller unbefangenen und vernünftigen Leser bereits dargelegt. Angriffe, wie der, über welchen Sie so sehr in Entrüstung gerathen, verdienen nicht die Ehre einer Erwiderung.


Inhalt: Zu Weihnachten, Gedicht mit Illustration. S. 885. – Unser Männe. Von W. Heimburg. S. 886. Mit Illustratioinen S. 886, 887, 890, 891 und 892. – Erfrieren. Von Geheimrath von Nußbaum in München, S. 892. – Für die Enkel. Illustration. S. 893. – Sankt Michael. Roman von E. Werner (Fortsetzung). S. 894. – An der Heimathsstätte des Trompeters von Säckingen. Mit Illustrationen S. 896, 897 und 901. – Vom Nordpol bis zum Aequator. Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm. Christnacht im Urwalde. S. 902. – Blätter und Blüthen: Für den Weihnachtstisch. Mit Illustration. S. 903. – Leopold Kompert. S. 903. – Kinderball. S. 904. Mit Illustration S. 888 u. 889. – Einnahmen der Jockeys. S. 904. – Nach der Bescherung. S. 904, – Das deutsche Theater in Moskau. S. 904. – Einbanddecken zur „Gartenlaube“. S. 904. – Kleiner Briefkasten. S. 904.


manicula Hierzu die Kunstbeilage: „Nach der Bescherung“, Weihnachtsgruß der „Gartenlaube“ an ihre Leser.


Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das vierte Quartal dieses Jahrgangs unserer Zeitschrift, wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das erste Quartal des neuen Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.


Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahres aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig).

manicula Einzeln gewünschte Nummern liefern wir pro Nummer incl. Porto für 35 Pfennig (2 Nummern 60 Pf., 3 Nummern 85 Pf.). Den Betrag bitten wir bei der Bestellnng in Briefmarken einzusenden.

Die Verlagshandlung. 0



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von A. Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 904. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_904.jpg&oldid=- (Version vom 7.8.2023)