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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

wirkt er nur eisig kalt. Es ist für denselben ja der Tag gekommen, an dem seine Liebe hinausgetragen werden soll, um endlich in die Erde gebettet zu werden. Nochmals blickt er ihr ins Gesicht, und dann bricht er vor Schmerz an ihrem Sarge zusammen. Ja, das arme Menschenherz muß viel ertragen!

Die Leser der „Gartenlaube“ wissen schon, daß in Paznaun kein Reichthum zu suchen ist. Allein das Zeugnis muß man den Bewohnern doch geben, daß sie sich anständig ernähren. Man sieht keine Ruinen als Häuser, sondern überall ist Alles gut gehalten, herrscht Reinlichkeit und Sauberkeit, und wenn das Völklein „gesund und freßmunter“ ist, so kann es auch heiter und witzig sein. Was aber am allermeisten überrascht, das ist der gänzliche Mangel an Bettlern, im Lande Tirol gewiß eine kaum glaubliche Erscheinung. Doch eine typische Figur in Tirol, die ich sonst nur noch in der katholischen Schweiz gesehen, findet sich gleichwohl in Paznaun – die Professionswallfahrerin um Geld (vergl. S. 32). Sie ist ein altes Weib, das gerade ein junges Mädchen zurückhält, um noch ein Herzensgeheimniß, das der Gnadenmutter zur Erhörung vorgetragen werden soll, zu übernehmen. Der heilige Gang geht entweder nach Maria-Einsiedeln in der Schweiz oder nach Absam bei Hall, und das Geschäft besteht darin, daß das Weib kirchliche Uebungen um Geld für Andere übernimmt und besorgt. Der Bauer oder vielleicht auch der Schwärzer, die Mutter mit einem Haufen Kinder, die Söhne und Töchter haben nicht immer Zeit, Wallfahrten zu machen, an den berühmten Wallfahrtsorten Ablässe zu gewinnen, den dortigen Gnadenbildern ihre Anliegen vorzutragen und etwa an ihrem Altare auch Messen lesen zu lassen. Sie thäten es gern und haben es vielleicht auch gelobt; allein es will sich durchaus nicht schicken. Da tritt nun die Professionswallfahrerin als Vermittlerin ein. Wie eine Botengeherin nimmt sie die Aufträge entgegen oder fragt solchen nach. Sie treibt das Geschäft, das ihr selbst einen gewissen Heiligenschein verleiht, schon lange, und man war mit ihr stets zufrieden. Es fehlt ihr darum auch nie an Aufträgen aller Art, und wo sie einkehrt, sieht man sie gern und gewährt ihr Mittagessen und Nachtquartier. Kommt sie dann von dem Gnadenorte zurück, so bringt sie auch die Neuigkeiten von dort mit, namentlich allerlei Wundergeschichten, welche an solchen Orten ja nie ausgehen. Das Geschäft ist übrigens einträglich für die Professionswallfahrerin, um so weniger Vortheil haben davon die Auftraggeber, wenn jene, woran jedoch manche zweifeln, ihre Aufträge auch wirklich besorgt. Es ist aber einmal eine Tiroler Specialität, welche so schnell nicht verschwinden, sondern für das Land typisch bleiben wird. – –

Die gefrorene Braut.
Originalzeichnung von Mathias Schmid.

Nach einer Reihe genußreicher Tage, in welchen ich die oben mitgeteilten Studien gesammelt, nahm ich von Mathias Schmid wieder Abschied. Mit köstlichen Erinnerungen kam ich über Silz nach Kufstein zurück. Aber jetzt erst sollte ich innewerden, welch eine wunderbar kräftigende Luft man in Paznaun athmet. Kurz vorher höher als Brennerbad (1313 Meter) oder Schuls bei Tarasp (1215 Meter), war ich jetzt um beinahe 1000 Meter tiefer (Kufstein 487 Meter); ich glaubte es anfänglich hier nicht wieder aushalten zu können. Die Kufsteiner selbst aber, denen ich auf ihre neugierigen Fragen von der großartigen Schönheit ihres heimathlichen Thales Paznaun erzählte, wollten mir durchaus nicht glauben und werden es wohl nie glauben. Einen Abbruch thut das aber dem Paznaun nicht.

Prof. Dr. J. Friedrich.     

Buttersäure – Magensäure.

Es möge erlaubt sein, in dem verbreitetsten Familienblatt auch einmal ein Thema anzuregen, dessen Wichtigkeit viele Tausende im Magen spüren, ohne gewöhnlich sich recht klar darüber zu sein.

Graf Münster sagt in der Vorrede zu dem bekannten Kochbuch seiner Frau unter Anderem Folgendes:

„In deutschen Küchen ist man mit dem Fleisch gewöhnlich sehr sparsam, dagegen verschwenderisch mit Butter, und wenn man bedenkt, daß ein Pfund Butter ungefähr so viel kostet wie zwei Pfund Fleisch, so zeigt das deutlich, daß auch die Oekonomie eine nicht richtig verstandene ist.“

Wir möchten gegen diese Eigenart unsrer Küche durchaus nicht ankämpfen; denn frische Butter ist ein sehr gesundes Nahrungsmittel, und erst in neuester Zeit hat Professor Dr. von Krafft-Ebing in seinem Buch über „Gesunde und kranke Nerven“ nachgewiesen, daß der geistige Arbeiter in unserem Jahrhundert seine Leistungen nicht vollbringen kann ohne ausgiebige Fleisch- und Fettnahrung; ja der amerikanische Arzt Beard behauptet sogar, daß der geringe Fettreichthum der Nahrung bei der heutigen Generation mit eine Ursache ihrer zunehmenden Nervosität sei. „Thatsächlich,“ erklärt er, „haben unsere Vorfahren eine fettreichere Kost genossen, und zweifellos sind, neben dem Eiweiß, die Fettstoffe die wichtigsten Ingredienzien in dem chemischen Laboratorium unserer Gedanken – der Hirnrinde. Auch ist den Aerzten für Nervenkranke der wohlthätige Einfluß des Genusses von Fetten wohlbekannt und Leberthran für solche Kranke ein wichtiges Heilmittel, vielleicht viel wichtiger als für den Lungenkranken.“

Das Fett ist also in jedem Fall für uns ein sehr wichtiger Nahrungsstoff; leider ist es sehr wahr, daß die Durchschnittsküche, ganz besonders die Gasthofsküche, es mit der Gewissenhaftigkeit nicht sehr genau nimmt und von der Idee auszugehen scheint: Fett ist Fett!

Wie oft wird schlechte, ranzige Butter zur Bereitung von Speisen und zum Backen verwendet! Was aber jene Fetttöpfe in den Küchen verschulden, wo das überflüssige Fett immer wieder abgegossen wird zu erneuertem Gebrauche: das ist allgemeines Küchengeheimniß, und viel tausend verdorbene Mägen führen ihre Leiden zum großen Theil zurück auf diese Rücksichtslosigkeit, um keinen schlimmeren Ausdruck zu wählen.

Leider wird bei uns der Erzeugung von Butter im Großen und Ganzen noch zu wenig Aufmerksamkeit gezollt. Die Ursache davon liegt theils im Mangel an Verständniß, theils in jenem bei unseren Bauersfrauen althergebrachten Schlendrian, der zwischen Unwissenheit und Eigennutz die Mitte hält.

So begegnet man sehr oft dem landläufigen Gebrauch, die Butter nicht gehörig auszukneten, so daß viele wässerige Bestandtheile, Buttermilch, darin zurück bleiben: ein Umstand, der es ganz allein verschuldet, daß die Butter sich besonders im Sommer kaum ein paar Tage hält und dann ranzig wird.

Ist es aber nicht eine jämmerliche Kurzsichtigkeit, die Buttermilch bloß deshalb nicht gehörig aus der Butter herauszuschaffen, weil das Bischen Wasser mit ins Gewicht geht?

Glücklicher Weise haben bereits zahlreiche Molkereien angefangen, die Butter mit der Centrifugalmaschine zu bereiten, mittelst welcher auch das letzte Atom Wasser aus der Butter herausgeschleudert wird, wodurch diese viele Wochen sich hält, ohne ranzig zu werden.

Dennoch giebt es ein Mittel, um auch die ranzig gewordene Butter unschädlich und genießbar zu machen, und das ist das Auslassen derselben auf gelindem Feuer zu dem sogenannten Butterschmalz. Wir möchten namentlich die Gastwirthschaften auf die Vorzüge dieses Verfahrens aufmerksam machen; denn durch das Schmelzen der Butter werden alle Unreinigkeiten und sauren Bestandtheile auf dem Boden abgesetzt, so daß die überstehende klare, goldgelbe Flüssigkeit ein ganz neutrales, reines Fett repräsentirt, das sich über Jahr und Tag unverändert gut hält.

Allerdings ist es nicht rathsam, das Butterschmalz so ohne Weiteres fertig zu kaufen, wenn man nicht ganz zuverlässige Bezugsquellen zur Hand hat, da dasselbe vielfach mit Unschlitt untermischt wird. Wer also die allerdings etwas theurere Butter von der Centrifugalmaschine nicht haben kann, der thut besser, sich seinen Bedarf an Butter im Sommer fürs ganze Jahr auf dem Wochenmarkt zu kaufen und sie auf gelindem Feuer zu Butterschmalz selbst auszulassen; er ist dann wenigstens sicher, für das ganze kommende Jahr ein reines und gesundes Fett im Kasten zu haben, bei dem Niemand Gefahr läuft, sich den Magen zu verderben und das so überaus lästige Sodbrennen zu bekommen. E. B.     


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_034.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2024)