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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Winterstürme im amerikanischen Nordwesten.
Mit Originalzeichnungen von R. Cronau.

Der Schneepflug beim Angriff.

Die letzten blutrothen Blätter des Sumachstrauches sind gesunken; wochenlang schon sind die Tage klar und heiter gewesen; die Luft ist rein und trocken, der Himmel wolkenlos. Eine eigenthümliche, melancholisch stimmende Ruhe liegt über den unermeßlichen Prairien, und Nichts verkündet, daß der „Indianersommer“, die schönste Jahreszeit in Nordamerika, zu Ende geht und der schlimme Gast vor der Thür steht, vor welchem selbst der wetterfesteste Dakotamann den allergrößten Respekt hat. Noch folgen sich einige dieser stimmungsvollen Tage; da, als abermals eine leichte Röthe im Osten das Aufsteigen der Sonne verkündet, umzieht sich der Horizont allgemach mit grauen schweren Dünsten, die langsam, langsam immer näher schleichen. Gegen Mittag senkt sich über die Hügel ein feiner weißer Nebel, die Umrisse derselben leicht verhüllend, wie etwa ein Traum die Gedanken umschleiert. Langsam und unmerklich kriecht der Nebel die Flußthäler entlang; Alles rings umher ist still, regungslos – die Natur bereitet sich zum Sterben vor. Leise, leise weht eine feine Flocke hernieder. Der erfahrene Trapper und die Indianer verstehen vollkommen diese Zeichen. Sobald wie möglich suchen sie die ebene Prairie zu verlassen und irgend eine geschützte Niederung, eine Schlucht oder das ausgetrocknete Bette eines Stromes zu erreichen, um unter diesem Schutze den „Blizzard“, den mörderischen Schneesturm, vorübergehen zu lassen.

Nicht lange mehr läßt dieser auf sich warten. Der Flöckchen und Flocken werden mehr und mehr; ihre Flugrichtung wird eine immer schrägere, je mehr sich der Wind zum Sturme steigert. Hat derselbe seine Höhe erreicht, so werden die feinen Flocken mit einer solchen Kraft getrieben, daß ihre Wirkung auf das Gesicht tausend Nadelstichen gleicht. Die Augen offen zu halten, ist schier ein Ding der Unmöglichkeit, und durch das beständige Bombardement werden die Sinne so in Verwirrung gebracht, daß Jedes Ortsgefühl verschwindet. Beispiele sind vorhanden, daß Farmer, die während eines solchen Unwetters von ihren Wohnhäusern nur bis zu den Ställen zu gehen versuchten, ihren Weg verloren, in die Prairie geriethen und wenige Schritte von ihrem Herd entfernt den Erfrierungstod starben.

Abgraben der Schneemassen.

Wegfahren der Schneeblöcke.

Die Gefahr beruht weniger in der mit dem „Blizzard“ verbundenen Kälte, als in der ungemeinen Schärfe des Windes, welcher gleich einem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_077.jpg&oldid=- (Version vom 2.2.2023)