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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

irgend etwas geeignet ist, Eroberungen zu machen, so ist es das deutsche Lied mit seiner urwüchsigen Frische. Besonders der Männergesang, für den soviel Herrliches geschaffen worden, wird auch Kreise, welche deutschem Wesen abhold sind, für dasselbe gewinnen. Und so wünschen wir den Straßburger Sängern ein neues stattliches Heim und daß sie mit dem Zauber des Liedes schwankende Gemüther zurückführen mögen in den Bann deutscher Empfindung und deutschen Nationalgefühls.

Hexenprocesse in Westafrika. Reinhold Buchholtz, dessen „Reisen in Westafrika“, aus seinem Nachlasse herausgegeben, erhöhtes Interesse gewonnen haben, seitdem das deutsche Reichsbanner in Kamerun weht, berichtet, daß bei den Negerstämmen der Bakhari und Dualla Hexenprocesse ganz üblich sind. Die Theologen und Juristen der Reformationszeit, welche sich selbst durch die Gräuel solcher Processe schändeten, finden also jetzt Genossen unter den Häuptlingen der schwarzen Männer: der Aberglaube, aus welchem die Hexenprocesse entstanden, hängt also nicht mit dem Christenthum und seiner Lehre vom Teufel zusammen; er scheint aus der Menschennatur selbst, aus ihren Schwächen und Schattenseiten hervorzugehen; sonst würde er sich nicht in allen Zonen finden. Ist bei jenen Stämmen Jemand gestorben oder erkrankt, so muß ihn durchaus Einer behext haben, oder dieser hat, wenn der Tod etwa durch eine Schlange oder ein Krokodil oder einen Leoparden erfolgt ist, das Thier dazu behext. Der Beschuldigte muß dann eine Abkochung von einem giftigen Holz trinken. Giebt er das Gift durch Erbrechen von sich, so ist er unschuldig; im anderen Falle stirbt er am Gift oder er wird umgebracht. Eine eigene Art von Gottesurtheil – statt der Feuerprobe die Giftprobe!

Auch sonst sind diese Völker sehr abergläubisch. Amulette, Zaubertränke gegen Krankheiten, Zauberceremonien zur Erreichung bestimmter Zwecke spielen bei ihnen eine wichtige Rolle. Vor den weißen Leuten haben sie eine große Scheu, und namentlich beschriebenes Papier halten sie für einen Fetisch, der den Ort oder Gegenstand zu einem „Tabu“ macht.

Als Buchholtz einmal einen schwerverwundeten Kranken verband, war ihm ein Stückchen Papier aus der Tasche gefallen. Als er später den Kranken wieder besuchen wollte, fand er ihn nicht mehr im alten Hause: er war ausquartiert worden, weil das Haus „bezaubert“ sei. Ihm aber wurde das Stückchen Papier feierlichst wiedergegeben; ja er wurde durch einen von den Negern abgesandten Boten ausdrücklich gebeten, auf seinen Spaziergängen doch nicht Papierstückchen zu verstreuen, weil sie sonst diese Wege und Orte meiden müßten.

Wohin müßten die armen Neger bei uns flüchten, wo das behexte „beschriebene Papier“, das hier alle Staaten und alle Köpfe regiert und schon den widerwilligen Kleinen gewaltsam aufgedrängt wird, ihnen auf Schritt und Tritt im Wege sein würde?

Nothverkauf. (Mit Illustration S. 97.) Nicht in des Pfandleihers Komptoir und nicht zum hartherzigen Wucherer läßt der wackere Genremaler A. Müller den bedrängten Musiker die Schritte lenken, sondern in die Werkstatt des sachverständigen Meisters. Sieht man’s dem Manne doch an, wie schwer ihm der Entschluß geworden ist, sich von der bewährten Genossin seiner frohen und trüben Stunden, sei es auch nur auf kurze Zeit, zu trennen. Indessen, „Noth kennt kein Gebot“, und dem braven Meister traut er schon zu, daß er den hohen Werth der Violine erwägen und sie entsprechend bezahlen wird. Von ihm hofft er auch, seine geliebte Geige in besseren Tagen zurückkaufen zu können; denn freud- und poesielos würde sein Dasein werden, wenn dieser Nothverkauf eine Trennung für immer bedeutete. Gar bedächtig zieht der alte Herr das Futteral von der Cremoneser und prüft, bevor er zahlt, eingehend Griffbrett, Steg, Wirbel, Ton und Bau. Er ist Kenner, und es ist eigentlich überflüssig, ihm die besonderen Vorzüge des Instrumentes auseinanderzusetzen. Im Laufe der Zeit ist er jedoch ein wenig vorsichtig geworden; er nimmt kein Pfand mehr, sondern kauft nur noch; denn nur zu oft schon verpfändete ihm ein oder der andere leichtlebige Künstler sein Instrument und vergaß dann das Einlösen. Bei unserem Verkäufer allerdings stehen die Sachen sehr ernst; deßhalb gewährt ihm der wohlwollende Käufer eine geraume Frist zum Zurückkauf. Hoffen wir, daß es ihm bald gelingt, mit heitererem Antlitz als heute zum Meister zurückzukehren und seinen Liebling wieder zu erwerben!

Eine Damenbörse in New-York hat ein Ende mit Schrecken gefunden: der Banquier dieser Damen, T. Brigham Bishop, hat das Weite gesucht und seine weiblichen Kunden in großer Entrüstung und Bestürzung zurückgelassen. Er war übrigens einer jener wenigen Finanzmänner, die sich auch auf künstlerischem Gebiete einen Namen gemacht haben: er war früher Schauspieler und hat auch ein Volkslied gedichtet und komponirt, das die Runde durch die nordamerikanischen Freistaaten machte. Als Bankhalter hatte er sich am unteren Broadway etablirt, wo es auch noch andere Damenbörsen giebt. Wir erfahren bei dieser Gelegenheit, daß das Börsenspiel in New-York sehr zahlreiche Anhängerinnen hat und daß außer den eigentlichen Winkelbörsen sich im oberen Broadway vornehmere Familien finden, die hinter diesem oder jenem „Saloon“ ihm Altäre aufgebaut haben. Es soll dort oft so lebhaft zugehen, daß man schon der Ansicht war, es habe sich eine Abtheilung der Heilsarmee versammelt. Doch würde der flüchtige Bishop, wenn er wieder eingefangen worden, sehr wenig zufrieden sein mit den Segenssprüchen, die ihm dort zu Theil werden würden. Vorzugsweise sollen an diesen Unternehmungen einige kalifornische und andere Wittwen betheiligt sein, die natürlich in Folge des Börsenkraches in die höchste Aufregung versetzt sind.

Während die äußerste Linke dieser für den Fortschritt kämpfenden Frauenwelt New-Yorks so bei ihren finanziellen Abenteuern verunglückt ist, sehen wir von der äußersten Rechten Siege erfechten, indem zwei Frauen zu Schulinspektorinnen ernannt worden sind: respektable Stellen, welche freilich den Winkelbörsianerinnen für immer verschlossen bleiben werden.

Ein Kostüm aus weißen Straußfedern wird der Königin Viktoria in diesem Jahre, in welchem sie ihr fünfzigjähriges Regierungsjubiläum feiert, von ihren südafrikanischen Unterthanen zum Geschenk gemacht werden. Alle Straußenfarmer des Kaplandes steuern dazu die schönsten Federn bei. Das Kostüm soll aus einer Schlepprobe, einem Fächer und einem Sonnenschirm bestehen, und natürlich ist es der innige Wunsch der loyalen Südafrikaner, daß die Königin es bei ihrem Jubiläumsfeste auch wirklich trage. Die hervorragendste Schneiderin der Kapstadt ist damit beschäftigt, aus dem auserlesensten Gefieder des schnellfüßigen Wüstenvogels jenes in seiner Art einzige Toilettenstück herzustellen.

Ein Streit um des Kaisers Bart. In der Vorstellung des Volkes lebt Kaiser Karl der Große als eine ehrwürdige Greisengestalt mit langem grauen Barte. So schilderten ihn Volksdichter, so verherrlichten ihn viele Maler und Zeichner. Auf unserer Illustration (S. 93), zu der stimmungsvollen Ballade von Felix Dahn, ist das Antlitz des sterbenden Kaisers anders dargestellt: der Vollbart fehlt, nur ein mächtiger Schnurrbart ziert das ausdrucksvolle Gesicht. Welche Auffassung ist die richtige? Unser Künstler hat für die seinige klassische Zeugen und Vorbilder. Man hat in früherer Zeit eine Statuette Karl’s des Großen und Münzen mit seinem Kopfe gefunden. Auf diesen ist der Kaiser so abgebildet, wie ihn Karl Gehrts mit geschichtlicher Treue auf unserer Illustration wiedergegeben. *

Allerlei Kurzweil.
Flecht-Räthsel.

Die 4 Wörter des äußeren Randes haben 9 Buchstaben, die anderen 14 Wörter der inneren Reihen nur 4 oder 5 Buchstaben.

Vorderste senkrechte Reihe: Festung in Deutschland.

Hinterste senkrechte Reihe: Festung an der Donau.

Oberste wagerechte Reihe: Berühmte Sängerin.

Unterste wagerechte Reihe: Einer der 5 Sinne.

Innere 7 wagerechte Reihen: Ein Monat, ein Mineral, ein Fluß, ein Prophet, eine Himmelsrichtung, eine deutsche Stadt, ein beliebtes Getränk.

Innere 7 senkrecht oder aufwärts gehende Reihen: Ein Theil eines Wagens, ein Theil des Körpers, ein künstlicher Wasserlauf, eine Stadt in der Schweiz, ein indischer Titel, ein männlicher Vorname, eine hannoversche Stadt.

Kapsel-Räthsel.

Kennst Du den Busch, aus welchem jederzeit,
Und selbst wenn es im Winter friert und schneit,
Wo Du ihn triffst, auf allen Wegen,
Ein Lied Dir tönet hell entgegen?


Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

Dr. R. R. in Wien. Wir danken Ihnen für Ihre gef. Mittheilung und werden nicht verfehlen, der fraglichen Angelegenheit auf den Grund zu gehen.

L. B. in Schönebeck. Der Uebersetzer der „Linguet’schen Denkwürdigkeiten“ über die Bastille heißt Robert Habs.


Inhalt: Herzenskrisen. Roman von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 85. – Ueber den Schlaf und die Verhütung der Schlaflosigkeit. Von Dr. A. Kühner, prakt. Arzt in Frankfurt am Main (Schluß). S. 88. – Ein Lieblingsberg der Deutschen. Von Max Haushofer. S. 91. Mit Illustrationen auf S. 89 und 92. – Die rothe Erde. Ballade von Felix Dahn. Mit Illustration. S. 93. – Ein verhängnißvolles Blatt. Erzählung aus den bayerischen Bergen von Anton Freiherrn v. Perfall (Fortsetzung). S. 94. – Berliner Vereine. Von Gustav Schubert. S. 96. – Eine schlechte Angewohnheit. Bühnenerinnerung von Marie Knauff. S. 98. – Blätter und Blüthen: Eine Kinderschutzgesellschaft. S. 99. – Der Alcazar zu Toledo. S. 99. Mit Illustration S. 85. – Noch einmal Heine’s Memoiren. S. 99. – Ein deutsches Sängerheim in Straßburg. S. 99. – Hexenprocesse in Westafrika. S. 100. – Nothverkauf. S. 100. Mit Illustration S. 97. – Eine Damenbörse. S. 100. – Ein Kostüm aus weißen Straußenfedern. S. 100. – Ein Streit um des Kaisers Bart. S. 100. – Allerlei Kurzweil: Flecht-Räthsel. S. 100. Kapsel-Räthsel. S. 100. – Kleiner Briefkasten. S. 100.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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