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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Federbüschen und rothen Gurtengehängen voll klirrender Messingkugeln geschmückten Pferden, als sollt’ kein Dagl (Dohle) und kein Rab’ drei Stunden im Umkreise fortan bleiben. Dazu knallten auch die Geißeln, die langen Peitschen mit ganz kurzen Stielhandhaben, daß es gleich Böllerschüssen zu hören war. Dafür haben die Bursche eine ganz merkwürdige eingeübte Geschicklichkeit, und es ist ihr Stolz, wenn sie das so rasch und kräftig können, daß die Berge nicht leicht damit fertig werden, das Echo lange und oftmals nachzudonnern.

Man muß es auch sehen, wie so ein lebfrischer Bursche etwa fest mit den Füßen beiderseits auf den Kufen aufgestemmt, stramm über dem kleinen Reit- oder Sitzbrettlein steht, dann wieder sitzt oder reitet und dahinsaust mit seinem Goaßlschlittlein. Es ist ein kleines Ding aus dünnem, aber festem Gestänge und sieht mit seinen ausgestemmten vier Füßen, die im Schnee zu stehen scheinen, mit seinem kurzen Rücken, der nicht größer als ein knapper Sattel, einer „bockenden“ Gais ähnlich, wenn man sich den aufgebogenen Hals vorne noch hinzusinnt. Und in der Hand des Goaßlfahrers die Zügel, in der andern Hand die sausende knallende Geißel, ist jeder ein Stolz für sich selbst und alle die Seinen.

Auf dem Dorfe braucht’s nicht viel Denkens wegen der „Maschkerade“. Eine lange Papiernase, ein Hut wie eine kleine Strohgarbe, eine Weiberhaube zu einem bebarteten Gesichte, eine Perücke aus Werg, mit Hörnlein, ein riesiger Militärhut aus alter Zeit etc. sind bald beschafft, und der sehenswürdige Spaß ist fertig. Aber Hausschlitten, worauf mehrere sitzen, und wesentlich die Goaßl mit ihren gezierten Pferden sind die Hauptstücke, und heute ging’s um die Wette dahin.

Tief eingeschneit lag der Wald. Auf jenen rothbraunen zähen Blättern, die winterlich vom Ast nicht lassen, schimmerte der Schnee: breit und schwer lag er auf den alten nebelwärts emporreichenden Tannen, die ihn auf ihren gestreckten Armen hinhielten. Die Lärchenbäume mit ihrem hellen grünen Gehänge machten den Anblick noch etwas heiterer, nur schien in ihren Astwinkeln die weiße Last sie niederbeugen und brechen zu wollen.

Aber das scherte die lustigen Fahrenden nicht, denen der Wind nur zuweilen, „übers Eck“ kommend, einen silberschimmernden Staub in die Luft warf. Sie jauchzten und knallten und sangen und jubilirten bis dorthin, wo das Wettfahren begann.

Der Wirth, welcher schlauerweise Heidl am ganzen Sonntage zurückhielt, hatte sich nicht spotten lassen. Nicht den üblichen Citherspieler, sondern nicht weniger als drei Musikanten, sogar einen mit Trompete, hatte er bestellt. Und sie bewillkommten die Gäste vom fernen Dorf wie die Herrschaften nach Gebühr, und daß an der Herrlichkeit kein „Mankerl“ (Geringstes) fehle!

Und Heidl stand auch in der Thür, sogar mit schäumenden Krügen für die zuerst Anlangenden in der Hand.

Drinnen im Wirthshause waren bunte Papierketten gespannt und feurige Rosen aus zinnoberroth gefärbten Hühnerfedern leuchteten dazwischen. Als Richter am Ziele galten Alle, die da mit offenen Augen waren.

Daß der Wirth mit allem seinem Hausgesinde und Zugehör, vornehmlich mit der apfelfrischen Heidl, auf der Höhe seiner Hausschwelle und nächst den Musikanten in erregter Weise des Zuges und unvordenklichen Siegers wartete, versteht sich von selbst.

Und der Erste, der große Sieger, um den die Schneeflocken wie ein Gestöber von unten auf flogen, der um eine gute Länge voran sauste, war der Boldl mit seinem schnaubenden Rapperl und seinem eigenhändig glänzend herauslackirten Goaßl!

Und als über allen Schellenlärm hinaus die Musik Tusch blies, da schrie die rothbackige, mudlsaubere (modelhübsche) Heidl mit einem merkwürdigen Schrei aus der hochklopfenden Brust auf: „Boldl!“

„Ja, ich bin’s!“

„Ich bin völli derkema (verkommen) … so ein Schrecken!“

Er aber. schloß ihr vor Allen den Mund mit einem herzhaften Schmatz und umarmte sie, und das war eine Freude … die noch am selben Abend auf dem Tanzboden zu einer Erklärung führte: Braut und Bräutigam hieß sie!

Gejauchzt und getanzt wurde nach Gebührlichkeit, manches Glas geleert und aller Gewinn zum Besten gegeben. Der Wirth fand seine Rechnung, auch Gemüthsbefriedigung. Die Musikanten besorgten dann um die späte Mitternachtsstunde noch tapfer im eisigen Freien das „Hinausblasen“. Es galt auch zuvor dem Pfarrer, welcher zu Gast kam und der zugleich gebeten wurde, für das erste „Verkünden“ von der Kanzel noch in diesem Fasching Sorge zu tragen.

Mancher Goaßlfahrer fand sich schwerer, schwerer heim als Er.




Das erste Jahr im neuen Haushalt.

Eine Geschichte in Briefen.
Von R. Artaria.
II.
Neustadt, den 20. November. 

Es wird, liebste Marie, es wird! Aber Du hast doch keine Idee, was so ein Haushalt für Arbeit und Ueberlegen kostet. Ich komme mir wahrhaftig oft genug vor wie David Copperfield, als er im „Walde der Schwierigkeiten“ Bäume fällte. und es geht mir wie ihm, ich haue entschlossen drauf los, indem ich mir bei jedem harten Streich sage: für Hugo! wie er: für Dora! Ich habe mein Programm fix und fertig im Kopfe, wie es zuletzt werden soll und muß: ein gemüthlicher, schöner Haushalt, wo Alles klappt, ohne daß der Mann davon geplagt ist, und wo doch zu rechter Zeit gelesen, gemalt und Klavier gespielt wird. Zu Etwas muß uns die Erziehung doch gut sein, und das haben wir, die junge Generation, vor den braven alten Koch- und Flickfrauchen voraus, deren geistige Erholung im Kaffeekränzchen mit obligatem Mägdegespräch besteht!

Es giebt hier in dem kleinen Städtchen genug von dieser Sorte, wahre Prachtexemplare sogar, und an ihnen hat sich Hugo im vorigen Jahre einen solchen Schrecken geholt, daß er schnell ausriß, um sich in S… eine „nette“ Frau zu suchen. Wenn ich denke, er wäre auf jenem ersten Museumsball einer Anderen als mir begegnet und hätte sie geheirathet, es wäre doch zu schrecklich!

Aber ich komme von meinem eigentlichen Gegenstand ab; ich wollte Dir erzählen, wie der erste Baum in meinem Walde fiel, das heißt wie es mir bei meiner ersten großen Wäsche gegangen ist.

Onkel Franz pflegt zu sagen, die vollkommene Hausfrau sei nur diejenige, welche am Tag der großen Wäsche noch einen thé dansant geben könne. Und da er diese Frau in Deutschland nicht habe finden können, sein Patriotismus ihm aber verboten habe, eine Ausländerin zu heirathen, so sei er zu seinem großen Bedauern ledig geblieben. „Wenn Du zum ersten Mal große Wäsche hast, Emmy, kannst Du mir schreiben; dann komme ich als Logirbesuch dazu, um den armen Hugo zu trösten und aufzurichten.“

Ich habe mich wohl gehütet!

Es fiel mir auch gar nicht ein, mich um diese bevorstehenden Wäschetage zu grämen. Wie sie aussehen, wußte ich freilich nicht, da wir in S… ja niemals Wäsche zu Hause machten. Mama jammerte zwar oft genug über die miserablen „unpoetischen“ Zinshäuser der Großstadt, wo in dem engen Hof kein Platz sei für eine Wäscheküche und oben auf dem Boden kein Trockenspeicher ist, so wie über den Ruin ihrer schönen Leinwand durch die Wäscheanstalt. Sie war es in ihrer Jugend anders gewohnt und erzählte stets mit schmerzlichem Entzücken von dem großen Trockenplatz im elterlichen Garten, von der Rasenbleiche und der blüthenweißen, duftenden Leinwand im Schrank. Eins aber hat sie Papa in dem großstädtischen Zinshaus doch abgerungen: eine Wäschekammer unterm Dach, wo sie allwöchentlich beinahe den ganzen Montag Vormittag zubrachte, räumend, ordnend und von wo sie, wie wir Mädels fanden, immer in aufgeregter und kriegerischer Stimmung wieder herabkam, mit geschärften Blicken für jede kleine Schlamperei in Schrank und Kommode.

Wir konnten die Wäschekammer nicht ausstehen und fanden es höchst überflüssig, wie dort die schmutzigen Strümpfe, Betttücher, Nachtjacken und der sonstige menschliche Ueberzug schön methodisch auf Latten und Stricken geordnet hingen. Wenn Mama Alles auf einen Haufen geworfen hätte und alle sechs Wochen einen Montag zum Aussuchen und Aufschreiben verwandt, so hätte sie viel Zeit erspart, raisonnirten wir im Stillen. Aber es war nun einmal ihre Freude, es anders zu machen.

Meine Freude würde es nicht sein, das stand fest, und so warf ich alle diese Wochen her jeden Montag mit einer gewissen Satisfaktion den ganzen Inhalt des Wäschekorbes in die kleine Kammer auf dem Gange, die ich fest verschloß. Auf die Art konnte auch nichts weg kommen und das Hantiren in der schmutzigen Wäsche ersparte ich mir. Ich hoffte eigentlich, sie ausgeben zu können; allein das ist hier nicht möglich, davon mußte ich mich bald überzeugen. Es giebt keine ordentliche Anstalt dafür, außerdem wäre es höchst „unsolid“, sie zu benutzen. Die tugendhafte Hausfrau wäscht selbst.

Nun, neulich, als ich gerade Morgens die As-dur-Etüde von Chopin übte und eben daran war, die schwierige Oberstimme so recht in den kleinen Finger zu kriegen, streckt meine Rike ihren viereckigen Kopf zur Thür herein und schreit: „Ja, Frau Assessor, wenn Sie jetzt nicht die Großwäsch’ zählen, hernach kann ich heut’ nach dem Essen nicht einweichen. Seif’ brauchen wir auch noch!“

Ich stand resignirt auf, holte das reizende Wäschebuch mit den Amoretten auf dem Deckel, das Du, Liebe, mir gemalt hast, und ging in die Kammer hinüber, ans Geschäft. Aber, o weh! Schon nach den ersten sechs Stücken fand ich etwas, woran mein Herz nicht gedacht – Löcher, kleine und große gebissene Löcher in den Tischtüchern und Servietten, immer dort, wo Fettflecken gewesen waren! Ich griff mit zitternden Händen weiter, es kamen immer noch mehr: die Mäuse hatten sich offenbar an meinem schönen Damast eine rechte Güte gethan. Ich war so alterirt, daß ich mich setzen mußte – nun war mir mit einem Male klar, warum Mama ihre Sachen hängte! Ich fühlte mich ganz zerknirscht, besonders auch im Gedanken an Rike und die Waschfrau, die das sicher im Haus herumtratschen würden. – Endlich schloß ich die ärgsten Stücke in den Schrank ein – fein Stopfen habe ich ja in der Arbeitsstunde gelernt, aber es wird eine lange Mühe werden! Und das Uebrige übergab ich dann ohne Erklärung der Rike. Bei der Gelegenheit erfuhr ich aus einer mürrischen Bemerkung von ihr, daß „richtige Hausfrauen“ ihre Seife vier Wochen voraus kaufen, damit sie austrocknen kann. Merk’ Dir’s!

Am andern Morgen tobte Rike mit einer solchen Vehemenz in den Zimmern umher, daß ich Angst für meine Möbel bekam; um neun Uhr aber war sie fertig, und ich erkannte aus ihren Maßnahmen den festen Entschluß, diesen Tag in der Wäscheküche neben der Waschfrau zuzubringen. „Es ist Alles schon hergerichtet zum Kochen,“ schrie sie mich eilig an, packte einen Laib Brot, eine Flasche Wein, Messer und Gläser in die Schürze und schlug die Gangthür hinter sich zu. Nicht einmal

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_130.jpg&oldid=- (Version vom 18.7.2023)