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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Die weiche, sinnige, halbleidende Physiognomie Leopold Kompert’s glaubt man vor sich zu haben, wenn man liest: „Ich kann nicht überall dabei sein, sagte der liebe Gott – und erschuf die Mutter.“ Heiter, derb, polemisch bemerkt P. K. Rosegger: „Da Herrgott liabt d’ Welt, hat die Priester erschaffen; da Teufel, sein Feind, der geht her und macht Pfaffen.“ Friedrich Bodenstedt steckt ganz in dem fröhlichen Optimismus Mirza Schaffy’s, indem er räth:

„Das Glück, sagt man, sei nur ein Schein,
 Und so ist es;
Bilde dir ein, glücklich zu sein,
 Und du bist es.“

Lyrisch zerfließend wie Nebelspuk im Sonnenschein tönt der Seufzer Hermann Kletke’s:

„Lieb’ empfangen, Liebe geben,
Ach, ist Liebe nicht das Leben?“

Und der stramme Pfälzer August Becker – Jung Friedel mit seinem dichterischen Vagabundennamen – reimt halb diplomatisch, halb selbstbewußt:

„Was er will, das kann der Mann,
Er muß nur wollen, was er kann.“

Damit ist aber der Umfang dessen, was man auf dem schmalen Stabe eines Holzfächers zum Ausdrucke bringen kann, keineswegs erschöpft. Weit hinein in das dämmerige Zwischengebiet zwischen Aesthetik und Philosophie reicht Felix Dahn’s Sentenz: „Wahre Schönheit ist schöne Wahrheit.“ Als hätte er das Diktum auf sich selbst gemünzt, schreibt Georg Brandes in dünner, fast weiblicher Handschrift: „Es giebt in der Kunst des Wortes scheinbare Virtuosen, die eigentlich nur Stimmer sind. Sie stimmen und bestimmen aber bisweilen Geister und Litteraturen.“ Wie wenn sie zu einem oberbayerischen Schuhplattltanz sich umfaßt hätten, so nickt Karl Stieler, der Frühgeschiedene, gemüthlich: „Is gern g’scheg’n“, und gleich hinterher setzt Ludwig Ganghofer fort: „Da Bua soll hinter’m Vatern gehn.“ Sarah Bernhardt stellt sich breit und anspruchsvoll auf einen obersten Stab mit der Vermeldung: „J’aime être la première“, während die arme Ernestine Wegner, übermüthig von der erfrischenden Helgoländer Luft, der Fächerbesitzerin zuschmeichelt: „Hermine, du fängst an gefährlich zu werden dem jüngsten Lieutenant.“ Otto Roquette schreibt nur: „Auf Wiedersehen!“ – L. Büchner citirt: „Knowledge is power.“ – Ernst Wichert fügt sich bescheiden in die Reihe mit dem Spruche: „Eins zum Andern.“ – Moritz Jokai giebt ein unlösbares Räthsel zum Besten. – Wilhelmine von Hillern erzählt in nachlässigen Versen ein gemeinsames Erlebniß aus dem Bade Kreuth. – Ferdinand von Saar endlich verbeugt sich als echter Minnesänger und jauchzt mit still verhaltener Begeisterung:

„Wie lebt in grauen Tagen
Ein unverhofftes Licht -
Im öden Weltgewühle
Ein holdes Angesicht!“

Fächerlitteratur im engen und eigentlichen Sinne des Wortes ist all dies nicht, so wenig als es etwa Fächerlitteratur ist, wenn Johann Strauß, der Walzerkönig, die Eingangstakte seiner „Frühlingsstimmen“ beisteuert oder ein Weiberenthusiast orakelt: „Der Frauen Gnade macht Fünfe grade“. Bis hierher haben wir es eben nur mit Litteratur auf einem Fächer zu thun, von der jedoch Niemand bestreiten wird, daß sie in ihrer Weise ein Spiegelbild ist. Echte Fächerlitteratur liefern aber diejenigen, welche sich verpflichtet glauben, die Thatsache, daß sie auf einem Fächer sich zu äußern haben, durch einen Gedankenspruch über den Fächer selbst zu markiren. Ueber den Fächer und, wie natürlich, über dessen Werth für die Frauen. Auch hier wieder erkennt man sofort in dem kurzen Gelegenheitsworte die allgemeine litterarische Physiognomie des Schreibers. Der Variationen sind viele, das Thema bleibt dasselbe. Da sind zuerst die Idealisten. Friedrich Spielhagen, zur Sommerfrische in Baden-Baden weilend, reimt:

„Wer schrieb’ in Erz und Marmelstein
Nicht gerne seinen Namen ein!
Doch wollen dieses Fächers Falten
Nur meinen Namen treu behalten,
So will ich gern zufrieden sein.“

Diese sehr liebenswürdige Hyperbel, welche den Fächer als eine Art sibyllinisches Buch behandelt, unterscheidet sich wesentlich von dem resignirten Rathe Albert Traeger’s:

„Erkenn’ in jedem sonnenhellen Tag
Des flücht’gen Glücks 1eichten Fächerschlag.“

Noch ahnungsschwerer ist Ernst Scherenberg’s meisterhaftes Gleichniß:

„Flüchtige Stunde – flüchtiges Lied!
Zierliches Tändeln – zürnender Schlag!
Wechselndes Spiel mit dem wechselnden Tag!
Eben entfaltet, schließst du dich zu –
Spiegel des Lebens, Fächer, bist du!“

Und mitten inne zwischen der idealistischen und der realistischen Vorstellung bemerkt Ernst von Wildenbruch:

„Der Frauen Fächer,
Ist Amors Köcher.“

Dann aber kommen die Realisten und diese sind – man kann es nicht anders sagen – äußerst unterhaltend. Julius Stettenheim spottet gutmüthig: „Warum die Fächer wohl dem schwachen Geschlecht gefallen? – Weil sie ihm Wind vormachen.“ Hans Hopfen öffnet nachdenklichen Spruches seine empfängliche Seele:

„Wer’s wie so’n Fächer wüßte zu machen,
Abzukühlen und anzufachen!
Freilich, wenn man’s recht überlegt,
Ist’s Frauenhand, die ihn wie uns bewegt.“

Der alte Ludwig August Frankl in Wien klagt: „Ein Erster, ach, in keinem Fach, zersplittre ich mich in Fächer“. Ludwig Anzengruber ironisirt:

„Ist mancher der Männer im Wissen gleich schwach,
Die Frauen sind doch noch schwächer;
Zersplitt’rung! die Männer betreiben ein Fach,
Die Frauen entfalten die Fächer.“

Ludwig Hevesi erhebt den Fächer ins Historische:

„Der Fächer ist der Marschallstab des Weibes,
Denn unterm Schein des losen Zeitvertreibes
Schlägt spielend er aufs Haupt den Herrn der Welt.
Des Fächers Wink regierte meist die Heere,
Sein Fächeln trieb zur Seeschlacht die Galeere,
Er winkte und man war sofort ein Held,
Cäsar, Armin, der Korse – arme Wichte,
Der Fächer kommandirt die Weltgeschichte.“

Gustav von Moser endlich, der Kavalier und Lebemann, weiß, was er von der geheimen Zauberkraft des Fächers zu halten hat:

„In guter Gesellschaft und in schöner Hand
Ist Fächerspiel kein leerer Tand.“

Nun aber sei es genug der Proben. Sie erschöpfen bei weitem den Reichthum nicht, der in „dieses Fächers Falten“ geborgen ist; doch sie reichen hin, um zu zeigen, daß der Autographen-Sport auch litterarischen Feinschmeckern eine gewisse Befriedigung gewähren kann. Und das ist’s nicht allein. Ein Stück modernster Kulturgeschichte steckt doch auch in dieser Spielerei. Fächer und Frau sind unzertrennliche Dinge; die Verwendung des Fächers zu Autographenzwecken beweist, wie weit der Einfluß unserer Frauen und Jungfrauen auf Litteratur und Kunst reicht, wie groß ihr Interesse für dieselben ist. Ein naiver Dilettantismus kennzeichnete zumeist die alten Stammbücher; der Fächer ist zu vornehm und auch zu indiskret, um Jedermanns Denksprüchlein zu beherbergen. Bequem ist es freilich nicht für die Auserwählten, daß ihnen jeden Augenblick ein Fächer wie eine Pistole entgegengehalten werden kann, zu deren Abwehr ein geistesgegenwärtiges Autograph erforderlich ist; aber so hart, wie es Scheffel gethan, braucht man über diese „neue Plage“ gleichwohl nicht zu urtheilen. Sie ist zu harmlos, um des Ekkehard-Dichters beißendes Epigramm zu verdienen:

„Ward dir der Musen Gunst verliehen,
So brich dir nie den rechten Arm;
Du wirst als rücksichtslos verschrieen
Vom Autographenjägerschwarm.“




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Ein verhängnißvolles Blatt.

Erzählung aus den bayrischen Bergen von Anton Freiherrn v. Perfall.
(Fortsetzung.)


In der Wirthsstube saß David mit mehreren Kameraden. Mathias wollte zurück, als er ihn bemerkte, doch es war zu spät. David rief ihm schon zu, und er mußte gehorchen. Seine Kette rasselte wieder! Er setzte sich mit an den Tisch und ließ Bier kommen.

„Di siecht mia so gar net mehr,“ sagte der Kleine, „immer bei den Weibsleut’n! Du muaßt ja ganz fromm werd’n, und wie guat Du ausschaust, muaßt im guat’n Futta steh’n – hat d’ Anna den Rupert scho vergess’n?“ setzte er lauernd hinzu, „das geht ja schnell bei so oaner!“

Mathias lief es kalt über den Rücken, er versuchte dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, doch David kam immer wieder darauf zurück.

„Jetzt schwimmst wohl Du ob’n im Langbauernhof! Hat der Mensch a Glück, wird eam der Jaga g’rad zur recht’n Zeit wegputzt! Du darfst dem dankbar sei, der ’s ’than hat!“ sagte er spöttisch, „schad daß man net woaß –“

„Da wird a nix mehr ’raus kumma!“ sagte einer der Anwesenden.

„Wer woaß,“ entgegnete David, eine bedenkliche Miene annehmend. „So a Sach’ braucht oft lang, und wann’s oaner am wenigst’n vermuth, wird er packt! Der ’s ’than hat, hat do koan Ruah bei Tag und Nacht, und vor jed’n Gendarm muß er Angst hab’n! Glaubst net, Mathias?“

Der rückte unruhig hin und her und wechselte zusehends die Farbe. „Dös glaub’ i a, daß er koan Ruah hat,“ erwiederte er,

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