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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Im Frühjahr war große Hochzeit auf der „Post“ in S. Da ging’s lustig her! Das ganze Dorf war daran betheiligt, es war ein allgemeiner Feiertag. So ein schmuckes Paar wie Anna und Mathias hatte man lange nicht gesehen. Er hatte sich den Vollbart abnehmen lassen und sah jetzt viel jünger und sauberer aus. Sie schien so glücklich, als hätte nie ein Leid ihr Dasein getrübt. David war Brautführer. Anna wollte es nicht; sie konnte den kleinen verkniffenen Menschen nicht leiden, auch hatte er so gar kein Anrecht dazu; aber Mathias bestand darauf, und wegen einer solchen Kleinigkeit wollte sie nicht streiten.

Alles war voll Lustbarkeit – bis auf die Mutter! Die saß ernst und in sich gekehrt beim Pfarrer am Ehrentisch.

Die Hochzeit verlief ohne Störung, es wurde getanzt, geschuhplattelt, getrunken und gegessen nach Herzenslust. Jedermann verließ befriedigt mit dem „B’schoadessen“ (das Essen, das heimgetragen wird) in geblümten Tücheln das Fest. „Das war a noblichte Hochzeit,“ war das allgemeine Urtheil.

Mathias hatte sein höchstes Ziel erreicht; auf welchem Wege er es erreicht, daran dachte er an diesem Tage nicht! Auch David schien so freundschaftlich gesinnt, daß alle seine Besorgniß schwand.

„Mach’s nur mit der Bäurin weg’n meiner jetzt in Ordnung!“ sagte er ihm noch beim Abschied, „nacher fehlt Dir g’wiß nix weg’n der dumma G’schicht, da brauchst koan Angst z’ hab’n! I hätt’s ja g’rad a so g’macht!“

Mit einem Gefühl der Sicherheit, wie er es schon lange nicht mehr gehabt, ging Mathias mit Anna nach Hause. Nur eines drückte ihn noch: er mußte Anna dazu bestimmen, David ins Haus zu nehmen, und sie konnte ihn nicht ausstehen, das wußte er. Er beschloß bei sich, sie heute noch darum anzugehen; heute konnte sie ihm gewiß nichts versagen, und in der That war David am andern Tage im Hof als Oberknecht.

Alles ließ sich gut an, die Mutter hatte sich in das Unvermeidliche geschickt. Mathias war unermüdlich in der Sorge für die Wirthschaft, im Wirthshaus war er selten zu sehen. Seine Befürchtung, daß David sich übernehmen werde, traf bis jetzt noch nicht ein, auch machte er einen tüchtigen Knecht. Es schien endlich Friede eingezogen zu sein im Hause und Segen. Mathias hatte sein kleines Anwesen gut verkauft und ließ nun für das Geld den ganzen Langbauernhof neu herrichten, daß man kein schöneres Haus sehen konnte in S.

Das freute auch die Alte und söhnte sie vollends aus, ihr ganzes Herz hing ja daran, und was würde jetzt der Hannes dazu sagen, wenn er das zweistöckige schmucke Haus sehen könnte!

„Dösmal hat am End’ do das Mäd’l Recht g’habt!“ dachte sie oft bei sich.

Anna war eine strenge Bäuerin, sie war von Jugend auf an tüchtige Arbeit gewöhnt und verlangte dasselbe auch von ihren Leuten; ihr scharfes Auge war überall, bemerkte Alles!

David’s Fleiß aber hielt nicht lange an, er wollte nur erst warm sitzen, zum Arbeiten war er ja nicht hergekommen, das konnte er auch ohne Mathias und ohne – das „Büch’l“!

Er stellte sich wieder öfter auf der „Post“ ein, kam oft spät in der Nacht angetrunken nach Hause. Anna sah lange stillschweigend zu.

„Der Mathias wird es ihm schon verbiet’n!“ dachte sie.

Aber Mathias drückte immer die Augen zu, obwohl sie ihn öfters darauf aufmerksam machte.

Die Heuernte war im Gange. Das Wetter war immer regnerisch gewesen, das Heu drohte schon zu verderben – endlich kam ein schöner Tag, der mußte benutzt werden. Anna und Mathias waren schon bei Tagesanbruch bei der Arbeit, das Heu umzukehren und in Haufen zusammenzurechen. Aber David fehlte noch immer. Anna erklärte ihrem Manne, das ginge mit dem faulen Menschen nicht so fort. Mathias beruhigte sie, er sei vielleicht krank. Da kam er vom Hause, sich die Augen reibend, die Spuren einer durchschwärmten Nacht im Gesichte.

Anna war wie eine Brandfackel, sie glühte vor Zorn.

„Is das a a Manier, daß der Knecht nach die Herr’nleut’ zur Arbe’t kimmt?“ schrie sie ihm entgegen, „schamst Di net selb’r, Du Faulpelz?“

David lachte höhnisch und zündete gemüthlich seine Pfeife an. Das reizte die Bäuerin zum Aeußersten. Sie schlug ihm mit dem Rechenstiel die Pfeife aus dem Mund, daß sie weit davon flog.

„Willst mi am End’ no verhöhn’a, Du Nixnutz! Mach’ daß D’ aus mein Haus kimmst! Da is koan Platz für solche Strolch!“

David war krebsroth geworden und sah drohend auf Mathias, der mit Todesangst im Herzen weiter arbeitete.

„Guat,“ sagte David, „i geh’, aber –“ und er machte eine drohende Geberde – „i sag Dir’s, Bäuerin, Dei Mann holt mi bald wieder z’ruck, der kan mi net entbehr’n!“ Hohnlachend ging er davon.

Anna war starr über diese Frechheit sie sah auf ihren Mann und fand unbegreiflich, daß er, der sonst leicht aufbrauste, heute ganz ruhig blieb. Sie kannte ihn so gar nicht mehr.

„Mathias,“ sagte sie mit vor Zorn erstickter Stimme, „hast den Lump g’hört, und das laßt Du Dir g’fall’n? Drohn möcht’ er a no, ja mit was denn – mit was denn? Das wär mir die richtige Wirthschaft! Mathias,“ sagte sie energisch, „der David muaß jetzt erst recht aus’n Haus, sonst müaßt i ja selb’r glaub’n, Du hast was z’ fürcht’n von eam!“

Da wars wieder! Der dumpfe Flügelschlag der ungesühnten Schuld rauschte wieder über ihn her. Vorbei war’s mit Ruh und Glück – die sind nur für die Schuldlosen!

„Was soll i denn von dem z’ fürcht’n hab’n?“ sagte er anscheinend ruhig, „a unverschämt’r Bursch is er, dem i den Kopf scho z’recht setzen werd! Du bist halt’ a an Bisl z’ hitzi g’wes’n, Anna! Wer wird denn glei zuaschlag’n!“

„Ganz d’erschlagen hätt’ i ’s am liabst’n, das Un’ziefer, das allweil herumschleicht im Haus, wia ’s Unglück! Mir kehrt’s Alles um, wenn i den Mensch’n nur anschau’. Red’ mir nix mehr davo, heut no sagst eam auf!“

Da gab’s keine Widerrede, wenn er die Sache nicht noch verschlimmern wollte. Mathias stürzte sich mit wahrem Fanatismus in die Arbeit, nur um nicht an den Abend denken zu müssen, wo er David aufsagen sollte, aber der finstere Ausdruck in seinem Gesicht ließ nichts Gutes ahnen. Anna sprach kein Wort mehr darüber, sie hielt es für abgemacht, daß David ging.

Mittags wurde die Mahlzeit schweigend eingenommen; Beide waren nicht zum Reden aufgelegt. Das war die erste Verstimmung seit der Hochzeit. Dann wurde wieder gearbeitet im glühenden Sonnenbrand, bis der Tag wich und der letzte Haufe verschwunden war.

Es wehte jetzt eine wohlthuende frische Luft und der würzige Duft der abgeschnittenen Grashalme lag über der glatt geschorenen Wiese, der letzte hochgeladene Wagen voll Heu bewegte sich langsam dem Hof zu. Hinter ihm gingen Anna und Mathias, die Gabel auf den Schultern neben einander her. Als sie am Hof ankamen, saß David rauchend auf der Hausbank und machte gar keine Miene zu grüßen. Das wurmte Anna von Neuem.

„I muaß in d’n Stall, um ’s Vieh zu versorg’n! Bis i ferti bi, schau, daß ’n drauß’n hast!“ sagte sie zu Mathias.

Der ging in die Stube. Nebenan lag die Mutter; sie hatte wieder ihr altes Leiden und dazu noch heftige Herzkrämpfe, die ihr oft den Athem nahmen.

Jetzt mußte er handeln! Anna gab nicht nach, und am Ende kamen einmal die zwei an einander, dann wäre er sicher verloren. Er sah nach der Mutter, die schlief schwer athmend, dann rief er David herein. Er nahm alle Energie zusammen.

„Du hast g’hört, was d’ Bäurin verlangt: daß D’ gehst, heut’ no gehst! I kann’s net ändern, ihr g’hört der Hof!“

David’s Augen glänzten katzenhaft. „Und glaubst wirkli, daß i mi von dera wegjag’n laß! Hast denn ganz vergess’n –“

„Sei do stad (still),“ entgegnete dieser, mit einer warnenden Bewegung gegen die Kammer; „deßweg’n hab’ i Di ja ruaf’n lass’n. Was verlangst für a Entschädigung, wenn’s D’ glei gehst?“

„Gieb D’r koa Müah, Mathias! I geh’ net, um koan Preis, oder Du gehst mit – aufs Landg’richt! Mach’s mit d’r Bäurin aus wie D’ magst, sag’ ihr weg’n meina die ganz’ G’schicht! Wenn’s no a mal so is mit mir, wia heut’ fruah, nacher sag i ’s ihr selb’r! Nacher wird sie si’s wohl überleg’n! Ins Zuchthaus mag’s den Langbauer do net bringa!“

Mathias knirschte vor Wuth bei dieser frechen Rede, seine ganze Mannesnatur bäumte sich auf gegen ein solch’ entsetzliches Verhältniß. Noch einmal versuchte er seine Bande zu sprengen.

„Ja, und für was denn eigentli,“ fiel er ein, „lass’ i mir dös Alles g’fall’n? Weg’n an Büachl, das Du g’fund’n hab’n willst? Dös is einfach d’ erlogen! Und was steht denn in dem Büchl, dös möcht’ i do seg’n?“

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