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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

No. 17.   1887.
      Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.



Götzendienst.

Roman von Alexander Baron v. Roberts.
(Fortsetzung.)
6. Euer Graf.

„Litta! – gute Litta! – Sei ruhig – beruhige Dich! – Komm – es wird Alles gut werden!“

Die Worte der Schwester klangen so lieb und gut, wie sonst nur mildheilende Trostesworte einer Mutter zu klingen vermögen.

Aber Melitta wollte nichts von Trost und Heilung wissen. Sie lag ausgestreckt auf ihrem Bette, noch im vollen Kostüm, so wie die erste Verzweiflung sie dorthin geworfen, das Gesicht ins Kissen gepreßt.

Nein, nein, nein – Nichts wird gut werden! Sie wiegte den Kopf, immer schneller, erregter, in leidenschaftlichem Ungestüm. Nichts wird gut – es wird keine Sonne mehr scheinen und kein Stern mehr strahlen – die Welt wird in ein stummes Grau versinken – es ist Alles aus – sie will nicht mehr leben – ohne ihn nicht. Lolo gab jeden Tröstungsversuch auf. Mag der heiße Schmerz in sich selber vertoben! Ein Weilchen stand sie in Gedanken versunken am Fenster.

Wie überraschend doch Alles hereingebrochen! Am meisten wunderte sie sich darüber, daß sie selbst so gleichgültig geblieben.

Wie war es doch geschehen? – Papa hatte sie bei der Hand gefaßt; seine farblosen Augen zwinkerten lebhaft, ein Zeichen seiner Erregung, doch die Worte kamen ganz trocken heraus: „Lo, ich muß Dir die Mittheilung machen, daß Graf Nachewski heute früh um Deine Hand angehalten hat. Deine Mutter und ich, wir sind einig darüber …“

Und er stockte.

Ein kurzes Lächeln der Ueberraschung zuckte über ihr Antlitz. Sie fühlte das heiße Wallen einer Blutwelle hier in der Brust und der Athem verging ihr.

„Nun, wie denkst Du, Lo? Deine Mutter und ich sind, wie gesagt, darüber einig …“

„Ach, Papa!“

Während sie das Köpfchen gegen die Schulter des Vaters gelehnt hielt und dessen Hand besänftigend, ja fast wie belobend ihren Nacken klopfte, war sie sich wie ein Kind vorgekommen: etwas ungemein Glänzendes wurde ihr hingehalten, und sie war im Begriff, ohne Besinnen danach zu greifen, ohne sich Rechenschaft zu geben, ob das Dargebotene auch nicht brannte und nicht weh thäte beim Anfassen, ob es nicht zerbräche, ob es überhaupt nicht schädlich wäre.

Ludwig Uhland in seinem siebenten Lebensjahre.
Nach einem Oelgemälde im Besitze des Herrn Arthur Meyer in Stuttgart.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_273.jpg&oldid=- (Version vom 14.11.2023)