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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

„Ja, sie wollte bei Großpapa bleiben; seine Pflegerin kommt erst morgen an: in Wahrheit glaube ich aber, sie hat sich auf Deiner Hochzeit den Magen verdorben.“

„Hortense, Du bist doch immer noch die alte Spötterin,“ sagte Lucie, aber sie mußte lachen dabei; denn ihr Mann hatte es bereits bestätigt. Mademoiselle aß zu leidenschaftlich gern etwas Gutes, und da der alte Herr von Meerfeldt ihr überlassen hatte, das Menu für diesen Ehrentag zu bestimmen, so war es echt französisch ausgefallen. Frau Steuerräthin bemerkte hinterher, es habe gut geschmeckt; aber woraus die einzelnen Gänge nun eigentlich bestanden, das hätte sie nicht herausgekriegt: es könne alles Mögliche in den Ragouts gewesen sein; und nun glaube sie auch, daß die Franzosen Anno siebzig in Paris Giraffen und Strauße wirklich schmackhaft zubereitet hätten; mit den Saucen müßte Alles schmecken, selbst Schuhsohlen.

„Wie geht es Tante Dettchen?“ fragte Hortense.

„Gut! Die Kinder hängen an ihr, und Georg schreibt, die Behaglichkeit sei mit ihr wieder eingezogen.“

„Werden sie bald heirathen?“

„Ich kann Dir keine Auskunft geben. Aber setze Dich, Hortense, oder Wollen wir hinaufgehen in meine Stube?“

Aber Hortense saß schon am Ofen auf der Truhe, die sie Lücken geschenkt hatte, und sah sie ernsthaft an. „Wie Du blühst,“ sagte sie lächelnd, „das ist Dein altes Gesicht wieder.“

Die junge Frau erglühte über und über. „Ich bin glücklich,“ sprach sie.

„Komm her, Lucie,“ bat Hortense; und als sie neben einander saßen, flüsterte die schöne Frau: „Bist Du mir noch böse, Lucie? Ich hätte Dich so gern auf Deiner Hochzeit schon gefragt; aber Du warst so ernst, so ganz in der Bedeutung des Tages verloren, daß ich es nicht wagte.“

„Ach, laß das ruhen, Hortense; ich war Dir niemals böse, ich war nur traurig. Mich friert, wenn ich an die Zeit denke, da wir uns Beide einbildeten, frei und glücklich zu sein, erhaben über alles Mögliche, und ich so recht im innersten Herzen krankte. Gott sei gelobt, es ist überwunden!“

Hortense saß ganz still. „Du hast Wohl Recht; mir kommt es zuweilen vor, als hätte ich dumpf und fieberhaft geträumt. Es ist schön, so zu erwachen. Aber Du, Luz, Du kamst gesund hierher, Dich habe ich angesteckt; ob Du mir das vergeben willst, möchte ich wissen?“

„Ach tausendmal, Hortense! Ich weiß ja jetzt erst mein Glück so recht zu schätzen. Nun sei ruhig davon, auf immer!“

Sie bog sich herüber und küßte die junge Frau. „Horch!“ rief sie dann aufspringend, „da klingen Schlittenglocken!“

Sie eilte hinaus und den verschneiten Weg entlang. Vor dem Gartenthor hielt das Gefährt; ein Mann im Pelz sprang eilends heraus.

„Alfred!“ rief sie jubelnd.

„Wie? Mein eigenes, leichtsinniges Weib?“ antwortete er fröhlich, „da muß ich ja schelten, obgleich wir erst drei Tage verheirathet sind! Du willst Dich erkälten, wie? Komm her, Du Bösewicht,“ fuhr er fort, und er nahm die zierliche Gestalt mit unter den weiten Pelz, und so kamen sie langsam, eng an einander geschmiegt, den Gang hinauf, wie ein Liebespaar im Mai.

„Wie ist’s meiner kleinen Frau ergangen, während ich fort war?“ fragte er zärtlich, „hat sie an mich gedacht?“

„Ich habe gar keine Zeit gehabt, Dich zu vermissen; ich habe Heringssalat gemacht für unsere Gäste.“

Er lachte laut und glücklich. Sie standen nun vor der Hausthür, über der noch die Tannenguirlanden hingen mit der Inschrift: „Gott segne Euren Eingang!“ Sie sahen sich ernst in die Augen, und er bog sich hinunter und küßte sie. Und um sie her wogten die Klänge der Glocken, die das alte Jahr zu Ende läuteten.

„Nehmt mich mit!“ sagte eine lachende Männerstimme hinter ihnen, „mich friert hier draußen.“ Es war Waldemar Weber.

Lucie floh erglühend in das Zimmer zu Hortense. „Sie kommen alle Beide!“ rief sie; die junge Frau wandte sich lächelnd um, sie hatte am Fenster gestanden.

Bald saßen sie am Tische, vier glückliche Menschen, und sprachen von allen möglichen Dingen, wie fröhliche Leute es thun.

Dann stand der Doktor auf. Er hielt das Glas in der einen Hand, mit der andern ergriff er Luciens Rechte. Eben schlug die alte Uhr auf der Konsole „Zwölf“.

„Ein neues Jahr,“ sprach er bewegt, „es sei gegrüßt! Möge es das Glück befestigen, welches das scheidende uns so überreich gebracht!“




Blätter und Blüthen.

Uhland-Häuser in Tübingen. Das Bild, welches wir hier bringen, stellt das Haus dar, welches der berühmte schwäbische Dichter im Jahre 1836 in seiner Vaterstadt kaufte. Wenn man über die Neckarbrücke zur Stadt hinüberwandert, steht rechts am Thor neben schönen Akazienbäumen ein hübsches Haus mit vorgemauerter Terrasse und mit großen ionischen Pilastern. Hinter dem Hause steigt steil der Oesterberg hinan mit dem Garten und Weinberg, welcher zum Besitzthum des Dichters gehörte und eine freundliche Aussicht darbot. Hier lebte Uhland still und zurückgezogen mit seiner geliebten Gattin.

Uhland-Haus.
Die Neckarbrücke in Tübingen und das Uhland-Haus.

Doch noch ein anderes Uhland-Haus hat die württembergische Universitätsstadt aufzuweisen. Es ist das Geburtshaus des Dichters, das an der Neckarhalde liegt und auf der alten innern Stadtmauer ruht; es ist ein altes gutbürgerliches Haus mit drei über einander vortretenden Stockwerken und hohem spitzen Giebel. Vor ihm steht die äußere Mauer mit dem Zwinger, an dem der Neckar hinabströmt; rückwärts stößt es an den Schloßberg und zwar an das erste so malerische Thor des Schlosses, das, auf sehr hoher Mauer stehend, mit seinen zwei kecken Erkerthürmchen gerade über dem Firste des Hauses emporsteigt. So schildert uns Paulus in seiner Schrift „Ludwig Uhland und seine Heimath“, die jetzt in einer Jubiläumsausgabe vorliegt, diese Dichterhäuser und daneben die landschaftlichen Reize der Neckarstadt, den poetischen Zauber ihrer Umgebung, von welchem der Dichter angeregt wurde und den er im Spiegel seiner Dichtung für die Nachwelt aufgefangen hat. †

Uhland als Kind. (Mit Illustration S. 273.) Dies Bild, welches sich im Besitze des Herrn Arthur Meyer in Stuttgart, eines Neffen des Dichters, befindet,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1887, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_287.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)