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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Anwendung der Nasendouche, wie wir weiter unten sehen werden, Veranlassung geben kann.

Nasenbluten tritt in der ersten Zeit des chronischen Schnupfens bei manchen Personen häufig auf und kann mitunter zu recht erheblichen, durch ihre Dauer schwächenden Blutungen führen, die allmählich einen Bleichsuchtszustand hervorrufen; ja wir haben Fälle gesehen, bei denen alle inneren und äußeren blutstillenden Mittel vergebens versucht wurden und wo erst nach operativer Beseitigung der eigentlichen Quelle der Blutung, der Wucherung der Schwellkörper, dieselbe, aber dann wie mit einem Zauberschlage, stand.

Ehe wir uns nun der Behandlung selbst zuwenden, erübrigt es noch, ein Wörtchen über die rothen Nasen und ihre unglücklichen Besitzer zu verlieren. Wie viele Personen kommen wegen ihres dicken, wulstigem rothen Riechorgans in den schlimmen Verdacht geheimer Alkoholfreuden, während sie im Grunde die nüchternsten, enthaltsamsten Menschen sind! Und wodurch entsteht die verdächtige Röthe? Einfach dadurch, daß durch den Druck der angestauten Schwellkörper auf die abführenden Venen der Blutabfluß auch in der Haut gehemmt wird; jede vergebliche Schnaubanstrengung vermehrt diese Stauung, die kleinen Hautvenen erweitern sich und bedingen so die anatomische Grundlage der sogenannten „Burgundernase“. Der Proceß geht natürlich ganz allmählich vor sich. Anfangs zeigt sich nur ein verschämtes Erröthen der Nasenspitze, wenn die holde Besitzerin sie etwas zu tief in den heißen Suppenteller oder die Kaffeetasse taucht, allmählich aber verlernt das Näschen das Erblassen; die Röthe breitet sich mehr und mehr aus, und schließlich sieht man die ganze Nase in allen Schattirungen des Purpurs leuchtend prangen. Der beste Beweis für die Entstehung der meisten rothen Nasen durch chronischen Katarrh ist übrigens der Umstand, daß mit der Beseitigung dieses Katarrhs durch eine zweckentsprechende Behandlung und unter leichter Nachhilfe von außen her die Röthung der Nase vollständig verschwindet. Wir haben diese für den Besitzer höchst angenehme Zugabe der Heilung in allen Fällen, wo die Röthung auf Katarrh basirte, eintreten sehen.

Was nun die Behandlung selbst anbelangt, so werden bei den leichteren Formen des chronischen Nasenkatarrhs Einblasungen von Pulvern und Touchirungen mit den verschiedensten chemischen Flüssigkeiten, bei allen schwereren Aetzungen der Schleimhaut angewendet, unter denen die mit galvanokaustischer Glühhitze ausgeführten wegen ihrer Wirksamkeit und Zuverlässigkeit weitaus obenan stehen. Wir wollen hier nicht die verschiedenen empfohlenen galvanokaustischen Methoden zur Behandlung der Nase einer kritischen Besprechung unterziehen, sondern nur bemerken, daß sie im Princip darauf beruhen, durch Narbenbildung in den Schwellkörpern eine Zusammenziehung derselben und damit der gewucherten Schleimhaut hervorzurufen. Die Operation selbst ist völlig schmerzlos, wenn man, wozu wir bei einiger Empfindlichkeit immer rathen, die Nasenschleimhaut an allen zu operirenden Stellen wiederholt mit concentrirter Cocaïnlösung bestreicht, es wird dann von dem energischsten Ausbrennen nichts als ein leichtes Wärmegefühl empfunden, da das Cocaïn die Temperaturempfindung nicht vollkommen, wohl aber die Schmerzempfindung vollständig aufhebt. Polypenähnliche Wucherungen werden auf die nämliche Weise mittelst der galvanisch erhitzten Drahtschlinge abgetragen. Eine sorgfältige Durchführung der Nachbehandlung bis zur völligen Ausheilung sichert natürlich, wie bei allen Operationen, auch hier einen nachhaltigen und durchgreifenden Erfolg. –

Wir wenden uns nun zu dem sogenannten atrophischen oder trockenen Nasenkatarrh, der seines hervorstechendsten Symptoms, der übelriechenden Absonderung, wegen auch den Namen Ozaena (zu deutsch Stinknase) führt. Derselbe entwickelt sich bei besonders dazu veranlagten Personen, zumeist auf skrophulösem Boden oder bei gleichzeitig vorhandener Blutarmuth aus dem hypertrophischen Katarrh und bildet gewissermaßen das Endstadium desselben. Man beobachtet ihn am häufigsten beim weiblichen Geschlecht, insbesondere bei jungen Mädchen von zwölf bis achtzehn Jahren, die überdies bleichsüchtig sind oder in der Kindheit an Drüsen, Augen- und Ohrenentzündungen und anderen skrophulösen Zuständen gelitten haben. Wir finden beim atrophischen Katarrh einen Verkümmerungszustand der gesammen Schleimhaut, insbesondere der Drüsenelemente. Die in Folge dessen festhaftende und sich zersetzende Absonderung erzeugt einen penetranten Geruch, den man meist schon auf einige Schritt Entfernung von der betreffenden Person wahrnimmt, ohne daß sie ihn selbst zu bemerken pflegt. In der Regel geht nämlich bei diesem Leiden das Geruchsvermögen durch Entartung der Riechschleimhaut gänzlich zu Grunde, auch das Gehör leidet erheblich, weil fast stets der Nasenrachenraum gleichzeitig ergriffen ist, und es sind aus demselben Grunde häufig Schlingbeschwerden zugegen. Das Bewußtsein, ihrer Umgebung durch ihre Annäherung lästig zu fallen, wirkt auf die unglücklichen Opfer dieses Katarrhs oft sehr verstimmend und macht sie mitunter ganz menschenscheu und melancholisch, ja wir haben in einzelnen Fällen vollständigen Lebensüberdruß beobachtet.

Fragen wir nun nach den Aussichten für die Heilung einer so häßlichen Krankheit, so lauten die Aussprüche der Lehrbücher darüber wenig trostbringend. Wir können uns indessen nach unseren Erfahrungen dieser dogmatischen Ansicht nicht anschließen, sondern müssen den Hauptgrund der Mißerfolge bei dieser Erkrankung entweder im Mangel an konsequenter Durchführung einer rationellen Methode oder in Fehlern dieser Methode selbst suchen. Natürlich geben die seit Jahrzehnten eingewurzelten, oft seit der Kindheit bestehenden Fälle wenig Hoffnung auf eine endgültige Heilung. Bei allen anderen, nicht so vorgeschrittenen Zuständen kann man aber bei geeignetem Vorgehen erhebliche Besserung, mitunter sogar völlige Beseitigung des Leidens erzielen. Allerdings stellt die Behandlung die weitestgehenden Anforderungen an die Geduld und Ausdauer sowohl des Arztes wie des Patienten; es können Monate und Monate, ja Jahre vergehen, ehe es gelingt, die zu einer abnormen Absonderung neigende Nasenschleimhaut allmählich wieder zu einer normaleren Sekretion zurückzuführen, und man erreicht dies Ziel auch nur, wenn alle dazu erforderlichen Maßnahmen in gehöriger Zeit- und Reihenfolge vom Arzt wie vom Patienten immer und immer wieder ausgeführt werden.

Allerdings darf man sich nicht einbilden, einen derartigen Katarrh dadurch zur Heilung zu bringen, daß man „Salzwasser durch die Nase zieht“! Im Gegentheil, wir müssen aufs Energischste vor dem Gebrauch der Kochsalzlösung zum Ausspülen der Nase warnen, die nur reizend und austrocknend auf die Schleimhäute wirkt und dadurch indirekt den Katarrh verschlimmert, und können die leider Gottes nur zu verbreitete Anwendung derselben ebenso, wie die vielfach unzweckmäßige Handhabung der Weber’schen Nasendouche nur als einen therapeutischen alten Schlendrian bezeichnen, der bedauerlicher Weise hier wie auf anderen Gebieten noch eine große Rolle spielt. Viele Menschen glauben nämlich, es sei ausreichend, sich eine Nasendouche gekauft zu haben, um mit der Anwendung derselben vertraut zu sein, und halten eine genaue ärztliche Anweisung für überflüssig. So ereignet es sich denn gelegentlich, daß sie sich während einer Schluckbewegung den Strahl in die sich dabei öffnende Ohrtrompete treiben und damit die schönste Ohrenentzündung hervorrufen. Andere klagen stets über heftigen Kopfschmerz nach dem Douchen, weil sie dem Strahl eine falsche Richtung geben, noch Andere verschlucken sich dabei in der unangenehmsten Weise, weil sie das Wasser nicht zum andern Nasenloch wieder abfließen, sondern in den Hals kommen lassen. Kurz, es wird beinahe eben so oft falsch gedoucht, wie fehlerhaft inhalirt wird.

Wir können nicht schließen, ohne mit ein paar Worten der Schutzmaßregeln gegen chronische Nasenkatarrhe zu gedenken. Man festige seinen Körper gegen Erkältung durch systematische Abhärtung vermittelst kalter Waschungen, kalter Abreibungen und Douchen, im Sommer durch kalte Fluß- und Seebäder, Aufenthalt im Höhenklima und am Meere. Bei besonders empfindlicher Haut nehme man temperirte Schwammüberrieselungen mit absteigender Temperatur vor und schütze sich durch das Tragen wollenen Unterzeuges. Den Aufenthalt in staubiger, schlechter, übelriechender Luft beschränke man möglichst und vermeide den Gebrauch des Schnupftabaks und ähnlicher reizender Substanzen. Vor Allem aber lasse man den Schnupfen nicht einwurzeln und chronisch werden, sondern beseitige ihn, sobald er Neigung zeigt, sich festzusetzen.

Mögen unsere freundlichen Leser diese Andeutungen beherzigen und in Zukunft nicht mehr so gering von einem „bloßen Schnupfen“ denken!




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_312.jpg&oldid=- (Version vom 14.5.2023)