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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

No. 24.   1887.
      Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.



Götzendienst.

Roman von Alexander Baron v. Roberts.
(Fortsetzung.)


Gamlingen begab sich zu Belzigs, um die Verwundung Mühüller’s den Damen zu melden, ehe sie von anderer Seite überrascht würden.

„Nicht möglich!“ schrie Melitta auf. „Ich habe ja noch vor ein paar Stunden mit ihm getanzt! Ich habe doch nicht weniger als drei Mal in dieser Nacht mit ihm getanzt!“

Sie sah noch die kräftige Gestalt des beliebten Officiers mitten im Saal unter der Helle des Kronleuchters stehen und mit seiner durchdringenden Stimme, der alle Paare wie am Schnürchen gehorchten, die Figuren des Contre und der Quadrille kommandiren. Und wenig Stunden darauf färbte sein Blut den schlammigen Schnee unter den Föhren der Hasenheide!

„Heiliger Gott!“ rief Frau Belzig, die Hände zusammenschlagend. „Er hat mir ja noch beim Büffett das Souper servirt!“

Olga saß ganz blaß da, mit großen, vom Schreck geweiteten Augen. Daher der eigenartige Klang, mit dem er das „Auf Wiedersehen!“ gestern zu ihr gesagt. Sie fühlte jetzt noch eine Spur des Schmerzes, den ihr sein Händedruck verursacht; noch klang sein metallenes Lachen in ihren Ohren. Und nun lag er zu Tode getroffen!

„Nicht möglich!“ hauchten ihre bebenden Lippen.

„Nun, was denn? Um was handelt es sich denn?“ fiel Herr Belzig ein.

Gamlingen zuckte finster blickend die Achseln.

„Hat da Einer seine Mütze schief sitzen gehabt, und das hat dem Andern nicht gefallen; da schießen sie sich todt!“ sagte Herr Belzig in spitzem Ton.

Diesmal blieb dem Unzerreißbaren der Vorwurf seiner Gattin, daß er Demokratenblätter lese, erspart.

Gamlingen hatte Eile. Der Dienst – und dann wollte er im Lazareth nachsehen, schließlich Urlaub nehmen und nach Stettin reisen, um dem alten Vater Mühüller’s Alles schonend beizubringen.

„Mein Gott! Mein Gott, und dieser prächtige Mensch!“ jammerte Frau Belzig. „Eilen Sie schnell hin, Walther, sehen Sie nach Allem! Sagen Sie, was wir für ihn thun können! und wenn er Pflege bedarf, so sagen Sie es ungenirt!“

Wahrhaftig, sie wäre im Stande gewesen, ihr Samariterthum selbst einem Mühüller zur Verfügung zu stellen! Sie begann sich der Aengste und der Nöthe zu schämen, die sie um den Namen ausgestanden. Es war bequem, jetzt, wo sie den Namen in der Tasche hatte. Sie meinte, sie müßte jetzt in gewissen Dingen sehr großmüthig werden, um die Erinnerung an so viel Thorheit bei sich selber, vielleicht auch bei Anderen zu verwischen.

Gamlingen war am Nachmittag des folgenden Tages von Stettin zurückgekehrt. Der alte Rendant Mühüller hatte nach der ersten Bestürzung über

Gut Wetter!0 Nach dem Oelgemälde von H. Pöck.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_385.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2023)