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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

mageren Einsilber von ehemals klang, über die Lippen fließen zu lassen.

„Ah, ein parlez-vous! Aus Elsaß?“ rief es aus der Gruppe.

„Lorraine!“ antwortete Baptist mit funkelndem Blick.

„Ah, ein Franktireur! – ein Nixversteh! – Malöhr bur nu – bur fu – bur tummelmond!“[1] rief Einer, der offenbar den Feldzug in Frankreich mitgemacht. Das Interesse der Gruppe wendete sich von dem Wagen auf den Diener hin.

Da zerschnitt die Glocke mit ihrem Gellen die Scene. Die Arbeiter trollten sich zögernd und lässig nach ihren Plätzen hin. Der Pockennarbige schob sich im Gehen an den Amerikaner:

„Hast Du den Namen verstanden?“ raunte er ihm zu. „Es klang ja fast – es klang ja gerad’ so wie ein gewisser Name.“

Der Bursche stieß einen Fluch aus.

„Was geht’s mich an! Mag es heißen wie es will! Ich heiße Trutz – Andere heißen anders. Zum Donnerwetter, ich hab’ die Namensgeschichte satt! – Wenn einmal wieder Einer mit diesem Baron kommt …“

(Fortsetzung folgt.)




Jagdleben im Hochland.

Geschildert von Ludwig Ganghofer.
1. Auerhahnfalz.

Vor manchen Jahren, an einem Sommertage war’s, als ich in Begleitung des Jagdgehilfen, eines stämmigen, schwarzbärtigen Gesellen, das Forsthaus verließ, um zu Berge zu steigen. Unser Ziel war die „Lärchkogelhütte“, ein kleines, hölzernes Jägerhaus, das drei „gute Bauernstunden“ über dem Thale zwischen Wald und kahlen Felsen auf einem mit schütteren Lärchen bewachsenen Hügel stand, inmitten des wildreichsten Jagdgebietes.

Ueber der mit grobem Kiesgeröll beschwemmten Isarau, welche wir durchwandern mußten, ehe der Wald uns aufnahm in seinen kühlen Schatten, brütete die Sonne mit zitternder Gluth; zahllose Fliegen, wilde Bienen und Bremsen sumsten und surrten um die heißen Steine und um unsere Köpfe. Mich aber kümmerte weder die drückende Sonne, noch der schlechte Weg, noch das Geleite der kleinen blutgierigen Teufelchen. Rastlos stolperte ich über das Geröll dahin, die Blicke sehnsuchtsvoll der fernen Höhe zugewendet, von welcher uns die sonnbeschienene Jagdhütte als ein weißglänzender Punkt entgegenblinkte. Brannte mir doch das Jagdfieber in jedem Nerv und in allen Adern! Und wenn der Jagdeifer schon manch einem graubärtigen Waidmann, wie das Sprichwort sagt, noch Feuer unter die Maschine zu legen weiß, wie kocht und brodelt das erst in solch einem blutjungen Bürschlein, das nach den Hasenschlachten des Flachlandes zum ersten Male das Jägerparadies der Berge betrat! Da draußen auf den ebenen Stoppelfeldern und in den sauber gehaltenen Waldgehegen hatt’ ich mich bei meinen zwanzig Jahren für einen großen Nimrod gehalten. Zu welch einem armseligen Nichts aber war mir bei dem ersten Schritt in die Berge mein waidmännisches Selbstbewußtsein zusammengeschrumpft gegenüber dieser in ihrer Schönheit und ihren Schauern so gewaltigen Natur, deren Jagdleben mich fast in jeder Stunde mit Neuem und Ungekanntem überraschte! Wie hatt’ ich es „da draußen“ so wohl verstanden, mit den ergrautesten Hasentödtern um die Wette zu lateinern – wie still aber mußte ich hier im Försterhause hinter dem Eichentische sitzen, wenn diese stahlsehnigen Gesellen mit den verwetterten Gesichtern und den blitzenden Augen um mich her ins Reden kamen! Und wenn ich von Seite des Försters und seiner Gehilfen auch alle Ehre und Bevorzugung eines „Jagdgawliers“ genoß, so war ich eben doch nur der „dappige Jaagerlehrbua“, in welcher demüthigenden Stellung ich mir höchstens durch meinen rastlosen Eifer und meine Eigenschaft als guter Schütze einige Anwartschaft auf zukünftige Achtung zu erwerben wußte. Da eilte denn meine Phantasie gar manchmal der Zeit voraus, und wenn ich nach einem an Jagdgeschichten ergiebigen Plauderabend mein Lager suchte, wurde ich im Traume mit einem Schlag zum fertigen Hochlandsjäger, der „jaagermaßig“ jede Fährte „anzusprechen“ und waidgerecht auf jedes Wild zu pirschen wußte. Was Wunder, daß ich von diesen Träumen häufig ein erkleckliches Theil mit hinübernahm in den wachen Tag.

Auch damals auf meinem Wege zur Lärchkogelhütte kürzten mir solche Träume die heiße Wanderung. Ich sah im Geiste schon den Vierzehnender aus dem Dickicht brechen und sah ihn stürzen unter dem Wiederhall meines Schusses; ich sah den Gemsbock niederflüchten übers Geschröff und hoch aufspringen in die Luft, aufs „Blatt“ getroffen von meiner Kugel, und dann – ich kniee vor dem erlegten Wilde auf der Erde; da plötzlich huscht ein großer Schatten über den Steingrund, aus den Lüften hör’ ich ein fauchendes Rauschen; unwillkürlich nach der Büchse haschend spring’ ich empor und sehe über mir mit zitterndem Schrei den König der Berge kreisen, den schwingenmächtigen Adler. Nicht zu hoch für einen gut gezielten Schuß! So kalkulir’ ich in Eile und bebender Erregung – da lieg’ ich auch schon mit der Büchse im Anschlag, und –

„Zeit lassen! Zeit lassen!“ störte mich recht unerwartet die Stimme meines Begleiters aus meinen hochfliegenden Träumen auf, deren fiebernder Eifer sich auch meinen Füßen mitgetheilt hatte. „Zeit lassen! ’s Laufen kann bei Enkere Hasen gut sein; aber in die Berg’ herin, da heißt’s: derwarten muß man’s können bei der Jaagerei, denn mit’m Derlaufen richt’chst nie nix G’scheidts net aus!“

Eine Weile hielt die Nachwirkung dieser guten Lehre wohl an; als wir jedoch in Wildhöhe kamen, prickelte mir schon wieder die Ungeduld und der Uebereifer in allen Gliedern, so daß ich auf dem schmalen Jagdsteige oft um Büchsenschußweite meinem

  1. Malheur pour nous, pour vous, pour tout le monde! – Redensart der Franzosen Anno 1870.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_392.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2023)