Seite:Die Gartenlaube (1887) 461.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)


18 Mann faßten, flatterte allerlei Schmuck aus Blattfasern und Federn; an dem einen war selbst die Kreuzesform vertreten.

Wie fast überall, erwiesen sich auch diese Naturkinder als sehr schneidige Händler und äußerst praktisch. Obwohl sie kein europäisches Erzeugniß, keine Glasperlen, kein Stück Eisen besaßen, wußten sie das letztere doch gleich den ersteren vorzuziehen: eine Erfahrung, die ich für die Folge überall bestätigt fand. Praktischer Weise waren sie auch gut bewaffnet und führten Unmassen von Pfeilen und Speeren mit. Als sich plötzlich die ganze Canuflottille wie auf ein gegebenes Zeichen zurückzog, glaubte ich schon, daß ein Pfeilhagel folgen würde; aber es war nur ein schrillendes Ventil der Maschine, das sie scheu gemacht hatte. Durch ein eigentümliches Friedenszeichen versuchte ein Mann, wohl ein Häuptling, das neue Freundschaftsband fester zu knüpfen. Er theilte ein Kokospalmblatt in zwei Hälften, schürzte in jede einen Knoten und gab mir die eine, während er die andere an dem Maste seines Canus befestigte. Als ich ein Gleiches that, erfüllte lautes Freudengeschrei die Luft!

Im Angesicht des brennenden Berges hielten wir betreffs der weiteren Fortsetzung der Reise Rath. Das trübgefärbte Wässer gab zu allerlei Bedenken Anlaß, und die Aussicht, bei einem Unglücksfall hier eine Robinsonade durchzumachen, war keineswegs verlockend; denn die Tundren Sibiriens bieten mehr, das Leben zu fristen, als solche Tropenstriche, in welchen selbst die Kokospalme fehlt. Die nächste Civilisationsoase lag an 500 Seemeilen weit, und diese würden wir bei den herrschenden westlichen Strömungen und dem Südost-Monsun mit unseren Booten niemals erreicht haben. Wer hätte uns auch an dieser abgelegenen Küste aufsuchen und auffinden wollen?

Aus naturwissenschaftlichen Gründen konnten in diesem brackischen Wasser kaum Korallthierchen ihre heimtückischen Bauten errichten; das durfte man als ziemlich sicher annehmen. Diese Voraussetzung sowie die Erinnerung an Willem Schouten als leuchtendes Vorbild gaben den Ausschlag, und so dampften wir in westlicher Richtung weiter. Schon der folgende Tag belohnte uns in reichem Maße, denn der längst in dieser Gegend vermuthete große Fluß, welcher das Meer so weithin trüb färbt, er wurde durch uns wirklich aufgefunden. Als den größten im Kaiser Wilhelm-Land nannte ich ihn „Kaiserin Augusta-Fluß“! Leider fehlte uns eine Dampfbarkasse und die Untersuchung mittels des Whaleboots war schwierig, da die Strömung, welche ganze Bäume und kleine Grasinseln mit sich führte, eine gewaltige ist. Vom Winde begünstigt, drangen wir aber bis in die eigentliche Mündung des Flusses vor. Sie mag eine halbe Seemeile betragen und ist, wie unsere Lothungen zeigten, durch keine Barre gesperrt; ein sehr wichtiger Umstand, denn der neue Fluß eröffnet somit Aussichten auf Schiffbarkeit und eine Wasserstraße ins Innere, die zunächst für wissenschaftliche Expeditionen bedeutungsvoll werden dürfte.[1]

Außer ein paar schlechten Hütten am linken Ufer war nichts von Menschen zu bemerken; aber als wir in die Mündung selbst einbogen, sahen wir einige größere Häuser, deren Bewohner in großen Canus eiligst und lautlos die Flucht ergriffen, so sehr ich sie auch zum Stillhalten aufforderte. Der Strom drängt mit rapider Geschwindigkeit am rechten Ufer, wo er eine mächtige Sandbank mit vielen Treibholzstämmen ablagert. Hier hatte sich nach und nach eine Menge bewaffneter Eingeborener angesammelt, aber wir konnten sie der Strömung wegen nicht erreichen. Mächtige Feuer zeigten, daß unser Erscheinen die ganze, übrigens sehr geringe Bevölkerung in Aufregung versetzt hatte. Und die Leutchen hatten allen Grund dazu; war es doch das erste Schiff und die ersten Bleichgesichter, welche sie zu sehen bekamen.

Mann von Guap.

Von hier setzt sich die Küste fast gleichmäßig in westlicher Richtung fort; die tiefe Buchtung, welche die Karten bisher punktirt verzeichneten, ist also nicht vorhanden. Ich benannte diese 65 Seemeilen lange neue Küste nach dem Geheimrath A. von Hansemann, dessen Name mit der Entdeckungsgeschichte Neu-Guineas stets verbunden bleiben wird, da er der eigentliche Urheber des Unternehmens ist, aus dem die jetzige „Neu-Guinea-Kompagnie“ hervorging.

Die Hansemann-Küste besteht aus bewaldetem Flachland mit niedrigen Hügelketten und wird voraussichtlich für Kolonisation und Anbau Bedeutung erlangen. Es fehlt ihr nicht an Flüssen, denn noch immer ging unser Kiel durch grünes oder trüb-gefärbtes Wasser und wir selbst entdeckten die Mündungen von mehreren, aber alle waren durch Barren gesperrt. Weiter nach West rückten bewaldete Hügelketten näher ans Ufer, die nach und nach höher wurden. Aber auch Kokospalmen und mit ihnen Dörfer der Eingeborenen zeigten sich und brachten in die Einförmigkeit der Uferlandschaft einige Abwechselung. Der äußerste Ausläufer dieser mit hübschen grünen Matten gefleckten Bergküste erschien wie eine Insel, und so durften wir irgend eine geschützte Buchtung hier erwarten. Dies war leider nicht der Fall, sondern die anscheinende Insel erwies sich als ein Kap, das ich nach Kapitän Dallmann benannte; es begrenzt nach Westen eine hübsche Bucht, die Krauelbucht.

Bald nachdem wir Kap Dallmann passirt hatten, öffnete sich der Blick auf eine Bai, weiter nach Ost auf eine dichtbewaldete bergige Insel, Kairu der Eingeborenen, oder d'Urville-Insel der Karten, der eine niedrigere, Muschu (Gressien) vorgelagert ist, die an der Westseite ausgedehnte grüne Grasflächen ausweist. Sie scheinen für Viehzucht wie geschaffen. Zwischen dieser Insel und dem Festlande bildet das Letztere eine hübsche Buchtung, die wir untersuchten und als guten Hafenplatz erkannten, den ich nach unserem braven Kapitän Dallmann benannte.

Schon seit geraumer Zeit hatten sich Eingeborene in Canus bemüht, uns zu erreichen, hier gelang es ihnen endlich, da wir ankerten. Auch am Ufer belebte es sich, zahlreiche Eingeborene riefen uns an und winkten mit grünen Zweigen. Als wir aber landeten, setzten sich Alle nieder und eine ehrfurchtsvolle Stille herrschte, bis sich die Leutchen von ihrem ersten Staunen erholt hatten. Bald waren sie zutraulich, und wir folgten ihnen auf gut betretenem Pfade nach ihrem Dorfe, Rabun genannt. Dasselbe zeichnete sich durch stattliche, große Häuser aus, wie das aus der beigegebenen Skizze (S. 462), in welche, wie hier sehr richtig dargestellt, die scheuen Weiber und Mädchen schleunigst verschwanden. Nur einzelne wurden nach und nach zutraulicher und nahmen zitternd, von den Männern anfgemuntert, ihre Geschenke an Glasperlen und Streifen rothen Zeuges entgegen. Den Leuten mochte mein unstätes Wesen, mit welchem ich Alles zu sehen, zu skizziren, zu messen bemüht war, nicht sonderlich gefallen; denn bei jedem Hause wurde ich zum Niedersitzen eingeladen. Wie sich später ergab, wollte man uns bewirthen – eine Art von Gastfreundschaft, die mir bisher nirgends in Melanesien vorgekommen war und der wir in dem nächsten Dorfe nicht entgingen. Hier half alles Weigern nicht, wir mußten an dem aufgetischten Mahle aus gerösteten kleinen Fischen und Sagoklößen theilnehmen oder doch davon kosten und Kokosnußmilch trinken, die bei der Hitze ganz willkommen war, obwohl sie, wenigstens bei mir, den Durst nur vergrößert. Von einer Menschenmenge, die sich fortwährend mehrte, begleitet, traten wir den Rückweg nach unserem Boote an, das die guten Eingeborenen mit Kokosnüssen fast überluden. Und das geschah Alles freiwillig. An der wirklichen

  1. Diese Vermuthungen haben sich bestätigt und der Augustafluss ist seitdem etwa 100 Meilen mit Dampfer befahren worden.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 461. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_461.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2023)