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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Tölz und sein „goldener Ritter“.

Wo der Isarstrom, mit weißgrünen Wellen durch ein breites Kiesbett schäumend, aus seiner Alpenheimath in die bayerische Hochebene heraustritt, liegt reizend und sonnig der Marktflecken Tölz. Wenn auch der kundige Blick des Geologen hier noch deutliche Spuren entdeckt, daß einst meilenbreite Eisfelder sich über diese prächtige Landschaft hingewälzt: jetzt zeigt sie nur noch üppige Matten, Hügel mit dunklen Forsten und fern gegen Süden zu ein heiteres Thal, das nur in seinem Hintergrunde von gigantischen Felsbergen vermauert ist.

Es ist eine gesegnete Landschaft hier, vom Volksmunde und von den Geschichtsschreibern als „Isarwinkel" bezeichnet. Auf den grasreichen Triften und zwischen den hochstämmigen Wäldern erwuchs seit undenklichen Zeiten ein kraftvolles, löwenmuthiges Völkchen, recht eigentlich der Kern des oberbayerischen Stammes. In den Tagen der Karolinger, als die Bayernherzoge mit ihren Heeren siegreich nach Kärnten und Krain vordrangen, als die slawischen Länder des Ostens bis zum Karst und den Karpathen germanisirt wurden: damals wurden kriegsgefangene Tolenzer, einem südslawischen Volksstamme angehörig, hier angesiedelt. Von ihnen erhielt Tolenz, später Tölz, seinen Namen. Er ist das Einzige, was von slawischem Wesen hier erhalten blieb, das Häuflein der Kriegsgefangenen selbst wurde vom bayerischen ansässigen Volke aufgesogen. Die Leute aus dem Isarwinkel aber mit ihrem Hauptorte Tölz blieben seit der Karolingerzeit der Kern des wehrhaften bayerischen Volkes. ihren ritterlichsten Vertreter fanden sie in dem treuen Helden, dessen Standbild jetzt die Hauptstraße zu Tölz beherrscht: in dem Feldhauptmann Kaspar von Winzer.

Der Ritter von Winzer war einem alten bayerischen Adelsgeschlecht entstammt; seine Ahnen saßen wie er als Pfleger auf der herzoglichen Burg zu Tölz, wo Ritter Kaspar im Jahre 1465 geboren ward. Als Kind einer wohlhabenden Familie erhielt er eine vortreffliche Erziehung, so daß er späterhin ein ordentliches Latein mit ins Kriegslager bringen konnte. Seine ersten Sporen verdiente er sich, als er im Jahre 1490 im Gefolge der Bayernherzoge Georg und Christoph dem ritterlichen Fürsten Max I., dem späteren Kaiser, gegen die Ungarn zu Hilfe zog. Damals ward das Fußvolk und der Proviant von Tölz auf Flößen thalab transportirt, in die Donau und nach Ungarn hinab. Siegreich drangen die Bayern bis nach Ofen vor, dem Habsburger seine Erblande zu retten.

Acht Jahre später finden wir den Ritter von Winzer auf einer Pilgerfahrt nach Jerusalem im Gefolge des Herzogs Heinrich von Sachsen. Zu Jerusalem erhält der Tölzer Junker den Ritterschlag mit dem Schwerte Gottfried’s von Bouillon. Sein nächster Feldzug führte ihn, im Dienste seines Herzogs, als Vertheidiger in die Veste Braunau am Inn. Das war aber nur ein Vorspiel für die grimmige Schlacht auf dem Hasenreuter Felde gegen böhmische Heerhaufen. Hier führte Kaspar von Winzer die Landsknechte, welche den Kaiser Max und den verwundeten Herzog Erich von Braunschweig aus den Händen der Böhmen retteten und die böhmische Wagenburg erstürmten. Zum Dank dafür ward dem tapfern Tölzer von des Kaisers eigener Hand noch auf dem Schlachtfelde die höchste ritterliche Ehre zu Theil: mit einigen andern Edlen ward er zum „goldenen Ritter“ geschlagen. Jörg von Frundsberg war damals sein Kampfgenoß. Der Kaiser verlieh ihm überdies die Burggrafschaft zu Dürrenstein, glänzender noch war der Dank, den er ihm dadurch erwies, daß er auf einem Turnier zu Wien im Jahre 1516 selber mit Winzer in die Schranken ritt. Beider Lanzen zersplitterten zu Spähnen, ohne daß einer der Kämpfer bügellos ward.

Einem kurzen Feldzug gegen Herzog Ulrich von Württemberg, wobei Winzer als kaiserlicher Oberst eine Schar von Landsknechten führte, folgten einige Jahre des Friedens für den ritterlichen Tölzer, dann zog er mit Georg von Frundsberg nach Italien zur Entsetzung von Pavia. Hier ward am 24. Februar 1525 die denkwürdige Landsknechtschlacht geschlagen, wo die Blüthe der französischen Ritterschaft kämpfte und fiel oder mit König Franz gefangen ward. Die Ehre jenes Tages hat die Geschichte dem tapferen Frundsberg zugeschrieben; unter seinen Feldhauptleuten aber war Winzer der ersten einer, wie Frundsberg selbst in seinem Schlachtbericht an den Kaiser bestätigt.

Der Zug der Landsknechte bei der Enthüllung des Kriegerdenkmals in Tölz.
Originalzeichnung von A. Brunner.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 493. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_493.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2023)