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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)


Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa.“

VI. Längs der vorher ungekannten Nordostküste. b. Von Berlinhafen bis Humboldt-Bai.
Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen).

Im Mars der „Samoa“.

Wir dampften dem Endziel unserer Reise entgegen. Berlinhafen lag hinter uns. Das Torricelligebirge verschwand nach und nach oder rückte weiter ins Innere, und die Küste bestand nunmehr aus weitem Vorland und Hügeln, auf denen ein dichter Wald sich erhob. Kokoshaine und Menschen, wie stets fast unzertrennlich verbunden, wurden spärlicher und hörten allmählich ganz auf. Wir konnten also wenigstens eine Nacht unbehelligt von den Eingeborenen zu Anker gehen und freuten uns dieser Ruhe.

Weiter westwärts belebte sich die Küste, und mit spannender Erwartung näherten wir uns einer Buchtung, welche auf den Karten als die „Attak-Bai“ verzeichnet ist. Wir hatten kurz vorher in Massilia, einem Küstendorfe, phantastisch ausgerüstete Krieger gesehen (vgl. untenstehende Abbildung). Sie trugen als Kriegsschmuck eine Art herzförmige Schilde aus Rohr und gespaltenen Eberhauern auf der Brust; ihre Nasen verzierten runde längs durchschliffene Schweinehauer und an ihrem linken Arme staken in einem Ringe aus der Trochusmuschel Dolche aus dem Schenkelknochen des Casuars. Auf ähnliche martialische Erscheinungen in der Attak-Bai konnten wir im Voraus gefaßt sein. Kriegerisch genug lautet ja ihr Name. Sie erhielt ihn von d’Urville, der sie zuerst 1827 sichtete. Ein Anzahl stark bewaffneter Canus mit Eingeborenen ruderte nämlich der „Astrolabe“ zum Empfange entgegen und schoß einen Pfeil ab, worauf das „Kriegsschiff“ schleunigst Segel beisetzte und seewärts verschwand. Uns wurde derselbe Willkomm zu Theil; denn noch ehe der Anker fiel, hatten wir eine ganze Flotille, an 40 Canus mit schreienden und lärmenden Eingeborenen, längsseit. Wie vor 50 Jahren führten sie unzählbare Bündel von Pfeil und Bogen mit sich, um sie zunächst zum Kauf anzubieten. Ich hatte schon genug von dem Zeug auf der bisherigen Reise gesichert und freute mich, als die Leute Besseres, sogar ganz neue Dinge hervorbrachten. So Kürasse, in zierlicher Korbflechtarbeit, aus gespaltenem Rottang (vergl.Illustration S. 542), eine Art Wehr, die bisher von d’Albertis nur im Inneren des Flyflußgebietes nachgewiesen wurde. Außerdem trugen sie große, viereckige Holzschilde mit kunstvoller Schnitzarbeit in schwungvollen Mustern und den vorher erwähnten Brustschmuck. Die Leute schienen von sehr kräftigem Körperbau und stattliche, große Figuren. Der größte dieser Kämpen, den es mir unter vielen Mühen zu messen gelang – denn er zitterte wie Espenlaub und mochte denken, es gehe ihm an den Kragen – maß 1 Meter 70 Centimeter. Sie waren aber Radaumacher ersten Ranges, die bis spät in den Abend hinein mit uns handeln und feilschen wollten und erst durch den schrillen Pfiff der Dampfmaschine verscheucht werden mußten. So lag nun die „Samoa“ friedlich als „erstes Schiff“ in der Attak-Bai, und ich durfte bei einer Pfeife in aller Muße die Erlebnisse des Tages niederschreiben. Umtaufen konnte ich die Bucht nicht mehr; sie wird nach wie vor den kriegerischen Namen führen; aber zur Ehrenrettung der rohrgepanzerten Eingeborenen gab ich wenigstens dem östlichen Kap den friedlichen Namen „Concordia“.

Gleich hinter dem Angriffshafen färbte sich das Seewasser wiederum grün, was die Nähe einer Flußmündung andeutete. Wir erreichten sie bald, und ich nannte den Fluß „Sechstroh“ nach unserem ersten Officier.

Auch hier zeigten sich Eingeborene am Ufer, die durch Geschrei, Winken und Schwenken grüner Zweige unsere Aufmerksamkeit zu erregen suchten und uns an Land einluden. Aber wir sahen, daß bei der herrschenden Brandung und den Untiefen ein Landen schwierig sein würde; denn viele Eingeborene wateten weit ins Wasser und kamen kaum brusttief hinein. Damit war nichts erreicht, und so bedienten sich einige Beherzte der primitivsten Fahrzeuge und kamen auf irgend einer größeren Baumwurzel oder ein paar zusammengebundenen Stück Bambu ankutschirt (vergl. Abbildung S. 543). Canus, reichlich bemannt und bewaffnet, folgten, und bald waren wir von schreienden und lärmenden Eingeborenen umringt.

Krieger aus Massilia.

Der Sechstroh, den bisher keine Karte verzeichnete, liegt kaum drei Seemeilen von der „holländischen“ Grenze, dem 141. Meridian, und so dampften wir lustig nach der etwa sieben Meilen entfernten Humboldt-Bai, um unseren westlichen Nachbarn einen Besuch abzustatten. Freilich warnten uns die Flußbewohner, aber, wie wir meinten, nur aus Konkurrenzneid, um den Eingeborenen der nahen Bai nichts zukommen zu lassen.

Humboldt-Bai, von d’Urville 1827 zuerst gesichtet und benannt, wurde 1858 von dem holländischen Kriegsdampfer „Etna“ das erste Mal besucht und aufgenommen. Seitdem sah sie sechs weitere Schiffe, alles große Kriegsdampfer, wie den „Challenger“ (1875), aber noch nie hatte ein so kleines unter Handelsflagge hier vorgesprochen; war doch auch die „Samoa“ das erste deutsche! Alle Berichte, holländische wie englische, sprechen sich sehr ungünstig über die Bewohner aus, die sich als sehr wüst, unverschämt und diebisch gezeigt hatten. Schon auf der „Etna“ war Allerlei gestohlen worden; ja man hatte selbst auf Officiere mit Pfeil und Bogen angelegt, und es gelang nur mit vieler Mühe, der feindseligen Haltung der Eingeborenen wegen, sich in den Dörfern Einlaß zu verschaffen. Wir durften uns daher auf Allerlei gefaßt machen; doch das russische „nitschewo“ (es macht nichts) war auch hier unsere Losung. Aber was war das? Hatte Pestilenz oder Krieg die Eingeborenen vernichtet? waren sie ausgewandert? An den Ufern der Bai war keine Spur von ihnen, nicht einmal Ruinen von Hütten oder dergleichen; die Bai war todt, ausgestorben! Wo blieben die großartigen Pfahlbauten, wie sie die „Etna“- und „Challenger“-Berichte schildern? Wir sollten sie bald kennen lernen; denn weit im Westen stieg plötzlich eine Rauchsäule auf, noch eine, mehrere, und aus der Oeffnung in jenem Winkel nahten sich Canus. Wir dampften ihnen entgegen; denn dort lag die geschützte Innenbai, in der sich die Dörfer befinden mußten. Mit einer Ungenirtheit, als verkehrten hier

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 541. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_541.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2023)