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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)


täglich Dampfer, versuchten die Eingeborenen, noch als wir in Fahrt waren, an Bord zu klettern, und als der Anker fiel, umgab uns bereits eine große Anzahl Canus, die sich fortwährend vermehrte. Die Leute machten in der That keinen guten Eindruck, schon der völligen Nacktheit wegen, und überboten an Lärm und Zudringlichkeit alle bisher gesehenen. Aus dem Bericht der „Etna-Reise“ hatte ich einige Worte gelernt und konnte die Eingeborenen gleich in ihrer Sprache anreden. "Wapimeh", Freund, ging es hin und her, aber "szigo" (Eisen) blieb das Hauptwort im Munde der Eingeborenen. Auch Canus mit Weibern, die Bananen und Yams anboten, fehlten nicht, und unter ihnen gab es ganz hübsche Gestalten. Die Mädchen gingen wie die Männer total nackend; aber die Frauen hatten ein Stück Tapa sarongartig um die Hüften geschlungen, was ihnen sehr gut stand, besonders im Verein mit der gefälligen Haarfrisur: sie trugen dünne gedrehte Stränge, welche à la pony abgeschnitten und nicht selten roth gefärbt waren, an ihren Ohren hing meist eine Unzahl dünner Schildpattringe, sonst hatten sie wenig Schmuck. Aber seit der Ostspitze Neu-Guineas sahen wir hier zuerst Tätowirung wieder, und zwar in einer neuen, durchaus originellen Form, zu welcher bei manchen Weibern als besonders hochgeschätzte Verzierung noch mächtig aufgeworfene Ziernarben, in schwungvollen Schnörkeln auf Achsel und Schultern, hinzukamen.

Krieger im Rottang-Panzer von der Attak-Bai.

Da wir von unserem Ankerplatz kaum den Eingang der Binnenbai sehen konnten, beschlossen wir einen Ausflug in dieselbe und ließen das Whaleboot klar machen, sehr zum Schrecken unserer Miokoschwarzen, die, in bunte Uniformen gesteckt, äußerst respektvoll aussahen, aber nach Gewehren verlangten; denn sie fühlten sich unter so vielen ihrer schwarzen Brüder doch ziemlich ungemüthlich.

Die eigene Landessitte mochte ihnen kein gutes Prognostilon stellen; denn nur vier Weiße und eben so viel Schwarze wären gegenüber so vielen Eingeborenen in Neu-Britannien wohl eine große Verlockung gewesen, sie zu erschlagen und wenigstens die Schwarzen – aufzufressen. Dies mochte unseren braven „Neu-Pommern“, wie sie jetzt auf einmal officiell heißen sollen, in den Sinn kommen, daher die erklärliche Entmuthigung derselben. Aber „go on! pull! pull!“ (rudert, rudert) war die Aufmunterung, und wir gelangten glücklich in die Binnenbai. Sie hat mehrere kleine Buchten, und schon in der ersten sahen wir ein Pfahldorf, so merkwürdig und originell, wie ich es bisher nirgends in Neu-Guinea angetroffen. Ich kannte vollständig im Wasser auf Pfählen erbaute Dörfer zur Genüge von der Südküste Neu-Guineas, aber was waren jene elenden Hütten in Port Moresby, Hood-Bai etc. gegen diese stattlichen Häuser, oder wenigstens gegen die hervorragendsten derselben! Doch rudern wir nach Tobadi dem größten Pfahldorfe, von welchem wir einen Theil, denn das ganze Dorf zählt 32 Häuser, hier im Bilde kennen lernen (vergl. S. 545).

Frau und Mädchen von der Humboldt-Bai.

Das größte Gebäude ist links der sogenannte „Tempel“, von dem schon die „Etna-Reise“ eine Ansicht giebt, leider total falsch. Der allgemeine Eindruck desselben ist der eines achteckigen, unten auf niedrigen senkrechten Wänden ruhenden, nach oben spitz zulaufenden, pagodenartigen Gebäudes, von 50 bis 60 Fuß Höhe, aus Ried oder Gras. Dasselbe ist am unteren Rande mit Guirlanden aus ausgeblasenen Schildkröteneiern, in seinen vier Absätzen mit kunstvoll geschnitzten Querbalken, gleich Friesen, im Uebrigen mit großen Holzschnitzereien verziert, welche bunt bemalte Thiere (Fische, Eidechsen, Vögel) darstellen und ebenso wie die dazwischen angebrachten Palmenwedel weit vom Dache herausstecken. Die Spitze selbst ist offen und mit einer runden Scheibe bedeckt, aus der eine roh geschnitzte menschliche Figur, in sitzender Stellung, über dieser ein fliegender Vogel als äußerster Schmuck thront. Ein wahrhaft bewundernswerther Bau, nur mit Hilfe von Steinwerkzeugen errichtet und jedenfalls der großartigste der Steinzeitperiode! Wir bestiegen die bereits an einer Seite eingesunkene Plattform vor dem „Tempel“, einen ungeheueren Bau auf Pfählen von 50 bis 60 Fuß Länge, und gelangten über dieselbe ins Innere. Dies war den Holländern 1858 nur nach vielen Mühen möglich geworden, während man den Challenger-Forschern nicht einmal den Eintritt in ein Haus erlaubt hatte. Freilich fragten wir nicht erst lange, und hier und da Einen zur Seite schiebend, gelangten wir in das Heiligthum.

Es herrschte ziemliche Dunkelheit in demselben, so daß wir zunächst fast nichts sehen konnten. Nach und nach orientirte man sich und konnte die kunstvolle und geschickte Ineinanderfügung des wunderbaren Dachstuhles bewundern, dessen einzelne Theile nur an einander gebunden waren. Das Innere enthielt im Ganzen wenig. Eine Anzahl mit Sand gefüllte Feuerstellen, hölzerne

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 542. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_542.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2023)