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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Kopfkissen, ein paar der großen, aus einem ausgehöhlten Baumstamm gefertigten Trommeln, wie sie allenthalben in Neu-Guinea vorkommen, und die „heiligen“ Flöten. So bezeichnet sie der Bericht der Etna-Reise! Ich versuchte sogleich auf einer zu blasen, welche Profanation wegen ihres Mißerfolges viel Heiterkeit bei den Eingeborenen erregte, die uns zum Wiedersehen einluden und als echte Enthaltsamkeitsfreunde mit Wasser bewirtheten. Daß dieses Gebäude nicht religiösen Zwecken dient, also kein „Tempel“ ist, kann meines Erachtens keinem Zweifel unterliegen. Vielmehr dient es als „Junggesellenhaus“ zum Aufenthalt der unverheiratheten jungen Männer, sowie für Versammlungen der Männer im Allgemeinen. Die Unzahl im Innern aufgehangener Schweineschädel waren die Souvenirs gehaltener Schmausereien und Festlichkeiten, bei denen auf der Plattform getanzt wird.

Ganz ähnlich dem „Tempel“ waren die großen Wohnhäuser, welche von mehreren Familien bewohnt werden und von denen Tobadi unter 32 Gebäulichkeiten im Ganzen nur 12 aufzuweisen hat. Wir fanden nirgends Anstand, in das Innere zu gelangen, das in Abtheilungen getrennt war und allerlei Hausrath, darunter wahre Magazine von Töpfen enthielt. Die Bewohner, zwar aufdringlich und keck, zeigten sich nicht unfreundlich, aber diebisch. Dem Kapitän Dallmann war gleich im ersten Hause das seidene Taschentuch eskamotirt worden; meine rothen Zeuglappen, die ich als neuguinesisches „Taschengeld“ für kleine Geschenke und Ankäufe bei mir trug, folgten nach, und als ich mit Zeichnen des Tempels beschäftigt war, versuchte mir ein Biedermann den Schuh auszuziehen. Wohl mehr aus Neugier; denn diese Humboldtianer waren ein wißbegieriges Volk, die Alles und Jedes an uns, von der Farbe der Haut bis zum Inhalt unserer Taschen kennen und, was ihnen gefiel, z. B. Fernrohr, Taschenuhr etc., haben wollten.

Es war Zeit, daß wir nach der „Samoa“ zurückkehrten; denn um sie lagen Canus in erschreckender Weise versammelt, und der erste Steuermann, mit zehn Leuten Alles in Allem, hatte vollauf zu thun, um das Deck klar zu halten. Der Dampfer glich einem Jahrmarkt zu Wasser; nicht weniger als 75 Canus, je zu vier bis acht Mann, lagen längsseit. Und diese Leute führten Unmassen von Pfeil und Bogen, fertig zum Gebrauch, mit sich, und Einzelne hatten bereits im Anlegen Probe geübt, waren aber durch ein kräftiges „Donnerslag!“ und ähnliche Kraftausdrücke in gutem Plattdeutsch abgeschreckt worden. Aber die Eingeborenen gewöhnten sich bald an dieses Idiom, wie sie bereits die Dampfpfeife kannten und es mußte zu anderen schuldlosen Hilfsmitteln gegriffen werden. Abblasen des heißen Wasserdampfes schaffte etwas Luft, aber nur für kurze Zeit; denn lachend kamen die Eingeborenen bald wieder. Dieser kleine Scherz erhöhte nur den Lärm, und wir hatten nicht Hände genug, um die Emporkletternden wieder über die Railing zurückzubefördern. Das ist ein gar anstrengendes Geschäft, und da wir hier doch nichts weiter zu thun hatten, strichen wir die Segel, das heißt machten Dampf auf und nahmen Abschied von der Humboldt-Bai.

Die „Samoa“ hatte eine Reise vollendet, welche zur Kenntniß der Nordostküste Neu-Guineas ohne Zweifel einen wesentlichen Beitrag lieferte. Außer drei netten, praktikablen Häfen und einem großen, schiffbaren Flusse hatten wir den Nachweis der sicheren Befahrung eines vorher nicht besuchten Küstenstriches von 250 Seemeilen Länge gegeben: Resultate, mit denen wir wohl zufrieden sein durften.

Auf Baumwurzeln.




Magdalena.

Von Arnold Kasten.
(Fortsetzung.)
9.

Graf Erich hatte sich nach dem Weggang seiner Frau wieder vor seinen Schreibtisch gesetzt. Nach der fürchterlichen Aufregung kam jetzt eine körperliche Müdigkeit über ihn, die ihm das Peinliche seiner Situation wie mit einem Schleier wohlthätig verhüllte. Aber dies dauerte nur kurze Zeit, und bald genug fühlte er seine entsetzliche Lage und besonders die von Felsing drohende Gefahr aufs Neue mit allen ihren Schrecken. In einer Stunde wollte seine Frau zurück sein und mit ihr kam dann auch wohl die Entscheidung, ob seine Ehre wenigstens gerettet war, oder ob er, um der Schande zu entgehen, sein Leben von sich werfen mußte; denn das stand unabänderlich fest bei ihm: er konnte und wollte nicht weiter leben beschimpft, entehrt, ausgestoßen aus der Gesellschaft! Es war ihm, als sollte er eine Stunde lang über einem Abgrund hängen, jeden Augenblick befürchtend, daß der dünne Zweig, um den sich krampfhaft seine Hände klammerten, reiße und er hinabstürze in die Nacht!

Wie schnell das Alles gekommen war! Er erinnerte sich, daß er vorgestern früh noch frei war von der furchtbaren Last, die ihn jetzt zu Boden drückte. Er war in Geldverlegenheit, mehr nicht; dieselbe hätte sich gehoben so oder so. Und um dieser Verlegenheit zu entgehen, that er wider seinen Willen eigentlich, sinnlos, den einen falschen Schritt, den er so gern wieder zurückgezogen hätte! Aber erbarmungslos unabänderlich ist das Geschehene. Mit dem einen unbedachten Schritt hatte er das schwere Verhängniß heraufbeschworen, dem er nun vielleicht erliegen mußte! – Zuweilen war es ihm, als habe er die folgenschwere That gar nicht gethan, als sei Alles nur ein Phantom, das ihn überallhin verfolge, still, körperlos, unfaßbar, aber auch unentrinnbar wie die Luft, die ihn umgab.

Warum hatte er nicht vor Unterzeichnung des unheilvollen Papiers den Doktor angehört? Alles wäre dann anders gekommen. Verhängnißvoller Zufall! Oder doch vielleicht nicht bloßer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 543. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_543.jpg&oldid=- (Version vom 26.11.2023)