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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Schloß Rodberg befindet sich die Anlage, welche unser Bild wiedergiebt.

  Schlafstätten für Kranke im Harthwalde bei Berka.
  Originalzeichnung von A. Lewin.
Schloß Rodberg.  

Es ist ein friedlich stiller Platz unter den Wipfeln hochragender Kiefern, rings umgeben von niedrigem Tannennachwuchs. Hier liegt, völlig versteckt, die zwei Meter hohe Lattenumzäunung, welche einen 40 Meter langen und 20 Meter breiten Raum umschließt. Dieser Raum wird durch eine ebenfalls zwei Meter hohe und dicht gefügte Bretterwand in zwei gleich große Abtheilungen getheilt, deren eine für kranke Herren und deren andere für kranke Damen bestimmt ist. In jeder der beiden Abtheilungen befinden sich sieben Schlafstätten, welche in angemessenen Zwischenräumen zum größten Theil in anheimelnder Weise hinter dicht gewachsenen kleinen Tannen verborgen liegen. Jede dieser lauschigen Schlafstellen hat außer dem hölzernen Fußboden und dem ventilatorisch eingerichteten Dach nur eine einzige feste Wand, nämlich diejenige, welche hart an der allgemeinen Umzäunung liegt. Die drei dem Innern des umzäunten Schlafraums zugekehrten Seiten der Hütte sind völlig frei, können aber, wenn es durch irgend einen Umstand erforderlich wird, durch Herablassen von hölzernen Rollwänden theilweise oder ganz verschlossen werden. Diese Einrichtung ist durchaus leicht, und zwar vom Bette aus zu handhaben, da über dem Bett die Schnüre der Rollwände sämmtlich zusammenlaufen. Der theilweise oder gänzliche Verschluß der Schlafstätte erfolgt nur dann, wenn Regen, Wind oder Sonne von irgend einer Seite lästig empfunden werden oder wenn der Kranke sich aus- und ankleidet etc. In der Regel aber sind diese drei Seiten völlig frei und gestatten Tag und Nacht hindurch der würzigen Waldluft ungehinderten Zutritt zum Kranken.

Die Ausstattung der Hütte ist einfach, aber zweckentsprechend. An der festen Wand steht ein Bett mit guter Matratze, einem Keilkissen, zwei Kopfkissen und einer warmen Zudecke. Die Füße der Bettstelle stehen in kleinen, mit Sublimatlösung gefüllten Metallgefäßen, welche das Heraufkriechen von Ameisen, Käfern und anderem kleinen Gethier verhindern. Ueber dem Bette ist neben den Leitungsschnüren der Rollwände ein Knopf der elektrischen Klingel, welche zur Wache führt, die sich außerhalb des Schlafraums befindet. Ein Waschtisch mit zwei verschließbaren Auszügen, ein Spiegel, ein großer Kleiderhaken, ein Tischchen und ein Stuhl vervollständigen das Ganze. Der allen Bewohnern der Schlafstätten gemeinsame Raum ist dann noch ausgestattet mit Gartenstühlen und Tischen, mit einem sicheren Gelaß für Kleider und Koffer und mit einigen Laternen, welche des Abends und des Nachts die erforderliche Beleuchtung liefern.

Die Wache der Schlafstätten wohnt in einem Bretterhäuschen, welches unmittelbar vor den beiden dicht neben einander gelegenen Thüren der gemeinschaftlichen Schlafräume liegt. Diese Wache besteht aus einem Manne und einer Frau und hat die Aufgabe, die Schlafstättcn zu bedienen und den Nachtwächterdienst auszuüben. Die Verwaltung dieser neuen Einrichtung wird von der Pensionsvilla Schloß Rodberg aus besorgt, welche ja in unmittelbarer Nähe liegt. Die Inhaber der Schlafstätten haben das Recht zur unentgeltlichen Mitbenutzung der gemeinschaftlichen Räume im Schloß Rodberg wie der Speisesäle, des Billard- und Lesezimmers etc. und können, im Falle ein Gewitter oder irgend ein anderer Umstand den zeitweiligen Unterschlupf in ein Haus dem Einen oder Andern wünschenswerth erscheinen läßt, mit wenigen Schritten das schützende Dach eines großen Hauses erreichen. Indeß sind die Hütten so gebaut, daß dieselben jedem hier vorkommenden Wetter zu trotzen im Stande sind. Die Verpflegung der Kranken wird vom Schloß Rodberg aus besorgt, und diese neue Freiluftstation ist überhaupt Eigenthum des Herrn Petzold. Derselbe vermiethet die Schlafstätten zu dem Preise von 12 Mark die Woche, und außerdem hat der Miether noch wöchentlich Mark 1,50 an die Wache für deren Dienst zu entrichten.

Wenn ich am Schlusse meiner Mittheilung mir noch ein Wort über die Krankheiten zu sagen erlaube, welche sich zur Kur in dieser Freiluftstation eignen, so dürften wohl vornehmlich die mit ansteckendem Auswurfe einhergehenden chronischen Lungenleiden genannt werden. Auch andere chronisch entzündliche Krankheiten der Lungen und des Brustfells würden sich für diese Station eignen. Ferner nenne ich Blutarmuth des männlichen und weiblichen Geschlechts sowie endlich Schlaflosigkeit in Folge geistiger Ueberanstrengung und Ueberreizung.

Diese neu ins Leben getretene Einrichtung erregt in gleich hohem Maße die Aufmerksamkeit der Aerzte wie der Kranken. Mängel der Einrichtung werden hier und da zu Tage treten, und die Erfahrung wird gar bald die nöthigen Fingerzeige für Verbesserungen und Vervollständigung geben. Aber davon bin ich fest überzeugt: diese neue Freiluftstation wird sich das Interesse der Aerzte und Kranken dauernd sichern.




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 573. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_573.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2023)