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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Die Schwäche des Grafen wurde bei den letzten Worten so groß, daß die beiden Frauen Mühe hatten, ihn zu halten, und Emil und Richard zu ihrer Unterstützung beispringen mußten, um den Grafen zu einem Stuhle zu geleiten.

„Ihr Eugen, Herr Graf, ist gerettet! Ich – ich habe ihn wieder auf die Füße gestellt – in diesem Augenblicke ist er wieder bei seinem Regimente und von seinen Thorheiten gründlich geheilt!“

„Felsing!“ rief der Graf, den die Worte mit neuer Lebenskraft zu erfüllen schienen; „Sie – Sie hätten – o Dank! Dank!“

„Ich verlange keinen Dank, es war nur so eine Marotte von mir,“ erwiederte Felsing und seine Stimme hatte einen weicheren, milderen Klang bekommen. „Auch Magdalenens Sohn will ich Ihnen nicht rauben. Er soll frei sein in seinen Entschließungen. Ich habe ja das Entsagen gelernt! Leben Sie wohl, Graf Erich! Unsere Rechnung ist ausgeglichen!“

Lautlos hatten Alle auf diese Jedem unerwarteten Worte gelauscht. Jetzt aber eilten Emil, die Gräfin und Gabriele auf Felsing zu und faßten in überströmendem Dankesgefühle seine Hände.

„Nicht doch, Felsing,“ redete die Gräfin ihm zu – „Sie dürfen nicht von uns gehen, Sie können so nicht von uns gehen. Ihr edles Herz wird das nicht zulassen.“

Und mit einem Blick auf ihren Gatten fuhr sie fort: „Was er verschuldet, hat er schwer gebüßt! Wollen Sie den Tiefunglücklichen, Schwerbereuenden nicht mit einem Worte aufrichten? Wollen Sie die zitternde Hand, die er Ihnen entgegenstreckt, nicht ergreifen?“

„Wenn ich es auch wollte – ich kann es nicht,“ erwiederte tiefergriffen Felsing. „Magdalena steht zwischen uns und wehrt mir ab!“

„Nicht doch, mein Vater,“ sagte Emil feierlich, „Du irrst! Der Wahn, der Haß sind nur von dieser Welt, da droben schwinden sie, und wenn meine arme Mutter jetzt auf uns hernieder schauen kann, so wird sie den Augenblick segnen, wo Ihr Beide dem Sohne zulieb Eure Hände in einander legt!“

Felsing machte einen Schritt dem Grafen entgegen, dann zauderte er wieder.

„Ich stehe schwer in Ihrer Schuld, Felsing,“ flüsterte der Graf.

„Wir haben Beide geirrt und gefehlt,“ erwiederte Felsing. „Auch ich habe gethan, was mich reut! – Hätt’ ich gewußt, daß Sie es waren, der mich damals unterstützte, Manches wäre nicht geschehen! Was ich an Gütern dieser Welt besitze, dank’ ich Ihnen!“

„An Gütern dieser Welt! Sie haben Ihnen kein Glück gebracht,“ sagte der Graf. „Sie sind mir keinen Dank dafür schuldig. Ich aber, ich danke Ihnen einen Sohn – zwei Söhne!“

Felsing stand in heftigem inneren Kampfe; er vermied es, einem der Anwesenden ins Gesicht zu sehen, und Niemand wagte, in diesem Augenblick das Wort an ihn zu richten. Da trat Gabriele, die bis jetzt zur Seite gestanden, leise zwischen ihn und ihren Vater. Sie hob die feuchten Augen mit kindlich bittendem Ausdruck zu Felsing empor, und indem sie seine Hand nach dem Grafen hinzulenken suchte, drückte sie schweigend einen Kuß auf dieselbe.

Die einfache Liebkosung wirkte erschütternd wie keine der vorhergegangenen Reden, sie schmolz den letzten harten Groll von seinem Herzen – und laut aufschluchzend umfing er das blonde Haupt und drückte es fest und innig an seine Brust.

Dann streckte er die Rechte dem Sohn entgegen und rief mit bebender Stimme:

„In Gottes Namen – ja – Ihr habt gewonnen – die Vergangenheit soll begraben sein – für immer!“

„O Vater,“ rief Emil, indem er ihn stürmisch umarmte, „wie glücklich machst Du mich!“ –

„Denn ich habe in den letzten Stunden erkannt,“ fuhr Felsing ernst und feierlich fort, „daß der Mensch sich nicht vermessen soll, den Richter und Rächer zu spielen. Unser Haß ist blind und eine höhere Hand schnellt den Pfeil auf den Schützen zurück. Wir haben es erlebt. Und jetzt heißt es umkehren!“ rief er mit seiner alten Energie, „den falschen Weg verlassen und den rechten einschlagen. Die Sühne, das fühle ich jetzt tief, liegt nicht in der Rache – ich glaube,“ fügte er leiser hinzu, „sie liegt in der Selbstüberwindung, in –“

Im Verzeihen,“ vollendete die Gräfin und legte die Hände der beiden Männer in einander.




Blätter und Blüthen.

Die Frauen in Persien. Was uns über die Lage des weiblichen Geschlechtes in dem Sonnenlande Persien berichtet wird, ist ganz geeignet, dasselbe den Frauen des Abendlandes als eine Art von „Eldorado“ erscheinen zu lassen. Nicht als ob die gesellschaftliche Stellung der Frauen irgendwie an die unserige erinnerte; aber sie sind frei von jeder Arbeitslast; die Bedienung des Hauses besteht nur aus Männern, die auch auf den Markt gehen und jede häusliche Arbeit verrichten. Ausgenommen sind nur die Haremssklavinnen, welche sich natürlich, da sie in alle Geheimnisse der Toilette eingeweiht werden, nicht ersetzen lassen. Diese Toilette ist fast die einzige Beschäftigung der Frauen: dazu Gesang und Tanz, Bäder, Besuche und Spaziergänge. Mit Farben, Salben, Schminktöpfen jeder Art ist die Toilette der Perserinnen reich ausgestattet. Die Wimpern werden mit Salbe zusammengepappt und geschwärzt; die Brauen müssen über der Nase zusammenstoßen; Wangen und Kinn werden roth und blau gemalt, das Haar, die Nägel und Handflächen roth gefärbt und zwar mit dem Pflanzenstoff Hennah. Das Haar hängt meist in zahlreichen Zöpfen herab, wird indeß auch von vielen Frauen hinten in einem Knäuel aufgesteckt. Es giebt in den persischen Harems blutjunge Frauen: mit zwölf Jahren ist ein Mädchen heirathsfähig. Der Mann lernt das Gesicht seiner Braut erst nach der Hochzeit kennen; auch die Gestalt wird durch die bis zu den Füßen wallenden Schleier unkenntlich gemacht. Kaufen und ausstatten muß der Mann die Frau, die in der Regel nur ein kleines Gegengeschenk in Waffen oder ähnlichen Dingen bietet. Bei der Heirath giebt es allerlei symbolische Gebräuche, besonders bei den Kurden: der Mann tritt der Frau auf den Fuß und läßt ihr einige gelinde Ruthenhiebe zu Theil werden. Die persischen Schönheiten haben runde Gesichter, Gazellenaugen und Neigung zur Körperfülle. Die ehelichen Verhältnisse sind übrigens von einer Bequemlichkeit für die Männerwelt, von welcher das Eherecht des Abendlandes nichts weiß. Vier rechtmäßige Frauen sind dem Perser zugestanden, und auch der gemeine Mann hat in der Regel mehr als eine Frau; der Unterhalt ist nicht theuer; ein Landmädchen wird oft für wenige Groschen verkauft, wenn es nur versorgt wird. Doch bleibt diese Versorgung unsicher, denn der Mann kann sich jeden Augenblick wieder scheiden lassen und braucht dafür gar keine Gründe anzugeben.

Nun giebt es aber noch allerlei Spielarten des ehelichen Glückes; außer den rechtmäßigen Ehefrauen giebt es noch Vertragsfrauen, Frauen auf unbestimmte Zeit, welche meistens aus der Zahl der geschiedenen Frauen und der Wittwen genommen werden und deren jeder Mann sich so viele halten kann, als seine Mittel irgend erlauben. Die Zeit kann sehr kurz gemessen sein; denn beim Landaufenthalt oder auf Vergnügungsreisen kann der Perser irgend ein Bauernmädchen heirathen, von dem er sich dann nach beendigter Villeggiatur wieder scheiden läßt. Daß die rechtmäßigen Ehefrauen sich mit denen „auf Zeit“ nicht aufs Beste vertragen und auch die mehrjährigen und mehrmonatigen sich gelegentlich in den Haaren liegen, ist begreiflich; es sollen sogar häufig genug Vergiftungen vorkommen. Am schwierigsten ist natürlich das persische Erbrecht: denn es bedarf einer mehr als Solonischen Weisheit, um die Rechtsansprüche der Kinder aus diesen verschiedenen Ehen in billiger Weise festzustellen. †     

Der Regenstein. (Mit Illustration S. 577.) In ungeheuerlichen drohenden Massen ragt am Nordrande des Harzes ein theils bewaldeter, theils wild zerklüfteter Felsblock empor, der den ganzen Gau zwischen Halberstadt und Quedlinburg beherrscht, der Regenstein. Unheimlich ist das Gepräge dieses nach Norden und Westen steil abfallenden, von Süden und Osten sanft ansteigenden Sandsteinfelsens, unheimlich wie die Reste jener trotzigen Burg, die einst den Scheitel dieses gewaltigen Klotzes krönte.

Die Ruine Regenstein ist eine der merkwürdigsten natürlichen Befestigungen des frühesten Mittelalters; möglich, daß die zahlreichen Klüfte und Höhlen in und an den Felsen schon die Schlupfwinkel jener längst vergessenen Geschlechter waren, die mit dem Ur, dem Riesenelch und dem Höhlenbär im Kampfe lagen. In geschichtlicher Zeit soll es Heinrich der Vogelsteller gewesen sein, der hier (919) eine Burg errichtete. Später hausten hier oben die Grafen von Regenstein, Kampf- und Schnapphähne im wahrsten Sinne des Worts, die in fast allen mittelalterlichen Fehden und Händeln dieser Gegend eine bedeutende Rolle spielten. Sie waren es auch, die ihre Burg in ein Raubnest verwandelten, dem man mit Recht nachrühmen konnte, daß es völlig uneinnehmbar sei. Alle Theile der Burg, Gänge, Hallen, Kammern und Gemächer waren mit Benutzung vorhandener natürlicher Höhlungen aus dem Felsen herausgemeißelt. Gemauerte Räume schlossen sich unmittelbar an die aus dem Felsen gehöhlten und fanden in ihnen ihre Fortsetzung und Ergänzung. Ganze gewaltige Felsen wurden so zu Geschossen umgewandelt, die sich, einem riesenhaften Taubenhause vergleichbar, neben und über einander in dem Hauptstocke des Felsberges befanden. Viele dieser Geschosse waren durch schmale Durchgänge verbunden, und der ganze Bergrücken stellte also eine Naturveste dar, wie sie eigenartiger, seltsamer in deutschen Landen wohl

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 579. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_579.jpg&oldid=- (Version vom 26.11.2023)