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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Falsche Briefmarken. Was nicht gefälscht wird in der Welt! Beinahe Alles, was der Mensch braucht und wofür er Geld zahlen muß. Um das Unwesen der Fälscher zu bekämpfen, ist tagtäglich die Polizei auf den Beinen; Institute, Laboratorien etc. wurden zu diesem Zwecke ins Leben gerufen; dicke Werke sind über dieses Thema erschienen, und es fehlt sogar nicht ein „Illustrirtes Lexikon der Verfälschungen“ (Leipzig, J. J. Weber). Es ist ein umfangreiches Buch, in welchem wir mit wachsendem Interesse blättern; ein Buch, welches namentlich dem Kaufmann gute Dienste leisten kann, indem es seine Kenntnisse in der Waarenkunde erweitert und all die feinen Schliche aufdeckt, welche die Fälscher zu benutzen wissen. Aber auch andere Stände und selbst Laien finden in dem trefflich von Dr. Otto Dammer redigirten Werke eine seltene Fülle von Belehrung; denn auch sie müssen vor Fälschern auf der Hut sein. Da haben wir z. B. eine weit verbreitete Klasse von Menschen, welche der Liebhaberei des Briefmarkensammelns verfallen sind. Die Philatelisten, wie sie sich nennen, sind in letzter Zeit gleichfalls eine Ausbeute raffinirter Fälscher geworden; denn es ist viel lukrativer und weniger gefährlich, gerade diese anstatt die Behörden zu hintergehen. Der Staat hat es in Erfahrung gebracht, daß ihm durch die Fälschung von Briefmarken ein wesentlicher Schaden nicht zugefügt wird, und alle die früheren Vorsichtsmaßregeln gegen Fälschungen, wie besonders mit Seidenfäden durchzogenes oder mit Wasserzeichen versehenes Papier für Postwerthzeichen, werden größtentheils nicht mehr gebraucht. Nur durch Anbringung eines „Münzzeichens“ wird nach wie vor ein sicherer Schutz erstrebt. Dasselbe besteht in einem möglichst wenig in die Augen fallenden Fehler der Zeichnung, welchen der Fälscher leicht übersieht, der Eingeweihte aber sofort erkennt. Diese Münzzeichen werden aus nahe liegenden Gründen außerordentlich geheim gehalten und gelangen nur selten zur Kenntniß eines Privatmannes.

Die Briefmarkenfälscher suchen jedoch in der Regel werthvollere Objekte zu fälschen, als die in Kours befindlichen Postwerthzeichen, und solche sind eben durch die Philatelie geschaffen worden. Seltene Briefmarken werden augenblicklich mit 100 Mark und mehr für das Stück bezahlt; ja es sind sogar Fälle vorgekommen, wo für eine einzige Briefmarke 1000 Mark gezahlt wurden. Solche einfache Papierstückchen zu fälschen, erscheint schon Manchem der Mühe werth, und es ist gerade in Folge der Seltenheit der Originale ungemein schwierig, die Falsifikate als solche zu erkennen. Einzelne Vereine von Briefmarkensammlern haben darum besonders kundige Mitglieder zu Markenprüfungskommissären ernannt oder gar eine aus mehreren Mitgliedern bestehende Kommission zu diesem Zwecke gewählt.

Eine Abart der Fälschung von Postwerthzeichen sind die sogenannten Neudrucke alter seltener und nicht mehr in Kours befindlicher Marken. Personen in hervorragender Staatsstellung, welche unter die Philatelisten gegangen sind, ist es manchmal gelungen, von der betreffenden Behörde eine Anzahl Neudrucke alter seltener Marken zu erlangen. Vielfach haben auch die Behörden von den alten Originalplatten zum Besten des Aerars oder milder Stiftungen Neuabzüge veranstaltet oder auch die Platten an Privatleute verkauft, welche nach Herzenslust darauf losdrucken. Ueber den Werth der Neudrucke streiten noch die sachverständigen Sammler. Jedenfalls ist derselbe geringer als der alter Originale, und solche Neudrucke als alte seltene Marken zu verkaufen, ist zum Mindesten Täuschung und Uebervortheilung des Publikums. *

Eheschließungen auf Helgoland. Das britische Eiland in den deutschen Meeren gilt für eine Freistatt verfolgter Liebe: viele glauben, daß sich Ehebündnisse dort so leicht schließen lassen, wie bei dem Schmied von Gretna-Green, der an der schottischen Grenze die liebenden Paare zusammengiebt; sie glauben, daß der Eltern Mißvergnügen und Widerspruch, ja selbst des Vaters Fluch dort keine Rolle spiele. Ehe indeß eine abenteuerlustige Liebe sich in die Nordsee wagt, in der Hoffnung, auf jener Felseninsel werde ein bestrittenes Glück ihr gesichert werden, möge das junge Liebespaar sich doch mit den näheren Mittheilungen über die dort ihm winkenden Aussichten vertraut machen, Mittheilungen, wie sie jüngst die Zeitungen brachten. Es ist wahr, es finden in Helgoland zahlreiche Trauungen auswärtiger Paare statt: im vorigen Jahre belief sich die Zahl auf 40, und bis Ende Juli dieses Jahres waren wiederum 20 getraut. So formlos sind indeß diese Trauungen keineswegs, wie diejenigen bei dem schottischen Schmied: es bedarf der Geburtsurkunden, der väterlichen Einwilligung bei solchen, die unter väterlicher Gewalt stehen; nur dürfen diese Urkunden, wenn sie fehlen, durch eine eidesstattliche Versicherung ergänzt werden. Die Haupterleichterung aber besteht in dem nur einmaligen Aufgebot, so daß, wenn dasselbe am Sonntag stattgefunden, schon Tags darauf die Trauung erfolgen kann. Es gelten hierbei nicht englische Rechtsvorschriften, sondern das friesische Gewohnheitsrecht. Die Kosten belaufen sich auf 200 Mark, der deutsche Geistliche erhält die Hälfte.

Ehepaare, die nach Helgoland eilen, weil sie glauben, dort den väterlichen Konsens entbehren zu können, werden sich jedenfalls getäuscht sehen: nur glücklich Liebende, deren Ungeduld ein dreimaliges Aufgebot nicht erträgt, kommen hier auf ihre Kosten, vor Allen aber Diejenigen, welche dem Hochzeitsjubel in der Heimath entgehen und sich vermählen wollen im Angesicht des großen Oceans, der erhabenen Natur. Läuft doch zu Hause oft viel Klatsch und Medisance mit unter und man fürchtet auch enttäuschten oder boshaften Gesichtern zu begegnen, zurückgewiesenen Verehrern und Geliebten, die sich trügerischer Hoffnung hingaben. Wer aber glaubt, begründete Ansprüche zu haben, der mag sich beeilen, sie geltend zu machen; denn er hat möglicherweise dazu nur eine eintägige Frist, und bei einer heimlichen Reise des Bräutigams und der Braut nach dem Meereseiland kommt er sicher zu spät. Er mag sich trösten: der Trauschein ist zwar unanfechtbar, aber das böse Gewissen wird durch des Priesters Segen nicht in Ruhe gewiegt werden.

Ein Bonmot der Charlotte Wolter. Die gefeierte Wiener Tragödin gebot über einen schlagfertigen Witz. Eines Tages hatte sie sich in der Kanzlei des Burgtheaterdiretktors, des geistreichen Dingelstedt, anmelden lassen, um mit ihm irgend ein Hühnchen zu pflücken. Der Direktor war kein Freund von solchen Auseinandersetzungen und suchte sie wenigstens so lange wie möglich hinauszuschieben: er ließ sich daher verleugnen; er war auch diesmal nicht da. Die Wolter besuchte eine Freundin, die in demselben Hause, in welchem damals die Direktionskanzlei untergebracht war, einen Stock höher wohnte. Ein militärisches Leichenbegängniß zog vorüber; die Musik lockte die beiden Damen ans Fenster, und siehe, da öffnet sich auch das Fenster der Direktionskanzlei und Dingelstedt’s Kopf streckt sich aus demselben heraus. Charlotte Wolter läßt sich von ihrer Freundin sogleich ein Blättchen Papier geben, schreibt einige Zeilen darauf und schickt es herunter in die Kanzlei; Dingelstedt entfaltet das Briefchen und liest: „Lieber Hofrath! Ich habe Sie stets für einen ganz einzigen Direktor gehalten. Heute thu’ ich’s mehr als je; denn selbst wenn Sie gar nicht in der Kanzlei sind, Ihr Kopf ist doch immer da – ich hab’s soeben gesehen. Ihre Sie bewundernde Charlotte Wolter.“

Eine allgemeine Romanbibliothek. Das Bedürfniß der Unterhaltung durch Romanlektüre ist ein allgemeines. In den Leihbibliotheken wird dasselbe oft blindlings und ohne Wahl befriedigt: deßhalb sind jene Romanbibliotheken zu empfehlen, in denen Verleger und Herausgeber die Auswahl übernehmen. Sind dies Männer von Geschmack und Urtheil, so hat das Lesepublikum von Hause aus eine Bürgschaft, daß ihm nur Treffliches geboten wird. Das gilt von „Engelhorn’s Allgemeiner Romanbibliothek“, die in Stuttgart erscheint, von welcher soeben der erste Band des vierten Jahrgangs erschienen ist und welche eine Auswahl der besten modernen Romane aller Völker giebt. Die ausländischen Schriftsteller sind in guten Uebersetzungen vertreten; wir finden die Franzosen Daudet, Ohnet, Theuriet, Feuillet, Malot, Gréville u. s. w., die Engländer Aïdé, M. E. Braddon u. A., aber auch an namhaften deutschen Autoren fehlt es nicht; wir erwähnen nur zwei Schriftsteller von solchem Ruf wie Adolf Wilbrandt und Hans Hopfen. Der eben erschienene zweibändige Roman „Eine neue Judith“ von H. Rider Haggard, übersetzt von Natalie Rümelin, welcher den vierten Jahrgang eröffnet, gilt für das beste Werk des englischen Schriftstellers; er giebt in glühendem Kolorit ein anziehendes und spannendes Bild südafrikanischen Lebens.

Schach.
Von Dr. A. Bayersdorfer in München.

SCHWARZ

WEISS

Weiß zieht an und setzt mit dem vierten Zuge matt.
Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 596.
Weiß: Schwarz: Weiß: Schwarz:
1. K d 3 – c 2 e 3 – d 2 : (e 2) 1. S f 7 – d 6
2. D f 1 – e 2 (:) † beliebig. 2. d 2 – d 4 † K e 5 – d 5 :
3. D resp. S setzt matt. 3. S c 8 – e 7 : matt.

Auf sonstige Züge folgt 2. d 2 – d 4 † K e 5 – d 5 : 3. D f 1 – b 5 matt, event. auch 2. D f 3 etc.


Kleiner Briefkasten.

A. T. in S. Die königlich ungarische Regierung hat in diesem Jahre zum ersten Male den Eintagsfliegenfang oder die Weißwurmernte im großartigen Maßstabe betreiben lassen, und zwar einerseits, um den werthvollen Futterstoff genügend auszubeuten und für den weitesten Verbrauch zugänglich zu machen, und andererseits, um der ärmeren Bevölkerung, insbesondere in der Theißgegend, einen guten Erwerb zu schaffen. Herr Regierungsrath Dr. G. von Hayek in Wien, Marokkanergasse 3, hat die Leitung übernommen, und zum Bezug einer größeren Masse oder einer Niederlage wolle man sich an ihn wenden. Wünschen Sie dagegen nur für den eigenen Bedarf etwas von diesem Vogelfutter zu beziehen, so können Sie dasselbe von den großen Sämereien- und Vogelfutterhandlungen Karl Kappelle in Hannover, Apotheker M. Kruel, Otterberg, Rh., Vogelhändler G. Märcker, Berlin, Vogelhandlung G. Voß, Köln, Zoologische Handlung Ed. Pfannenschmid, Emden, Ostfr., in jeder beliebigen Sendung kaufen. Dr. K. Ruß.


Inhalt: Der Unfried. Eine Hochlandsgeschichte von Ludwig Ganghofer (Fortsetzung). S. 629. – Von der Camorra. Von Isolde Kurz. (Schluß.) S. 635. – Das Milchmädchen von Trianon. Eine Lieder-Erzählung von Ernst Pasqué. S. 637. Mit Illustrationen S. 629, 637, 638, 639, 640, 641, 612 und mit dem Lied der Marquise von Travanet (Pauvre Jacques) S. 643. – Zigeunerin. Illustration. S. 644. – Hausfrau und Fleischer. Von Dr. Schmidt-Mülheim in Berlin. S. 645. – Blätter und Blüthen: Ein Brief von Ottilie Wildermuth. S. 646. – Das Oktoberfest in München. S. 647. Mit Illustration S. 632 und 633. – Im höchsten Norden. S. 647. – Falsche Briefmarken. S. 648. – Eheschließungen auf Helgoland. S. 648. – Ein Bonmot der Charlotte Wolter. S. 648. – Eine allgemeine Romanbibliothek. S. 648. – Schach. S. 648. – Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 596. S. 648. – Kleiner Briefkasten. S. 648.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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