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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

schaamen mußt! Und ich – ich bin ja jetzt die Bäurin auf der Point – und das is doch g’wiß was anders als wie so a lumpige Kellnerin, wo nix anders net is als wie a Handtüchl für ei’m Jeden seine Händ’. So geh – so komm doch, Bua!“

Bis in die Lippen war Karli erblaßt, und mit zornigen Blicken suchten seine Augen den Vater. Der aber machte ein Gesicht, dem es deutlich anzusehen war, daß er nicht wußte, was er zu Kuni’s seltsamer Rede denken sollte. Jetzt war aber auch für ihn keine Zeit zum Denken. „So geh, so komm doch, Bua, geh!“ mahnte er mit Kuni’s Worten, faßte Karli am Arme und zog ihn gegen die Thür des Nebensaales. Mit dem Ellbogen stieß er die Leute bei Seite, die sich zur Begrüßung herandrängten, und kreischte: „Da schaut’s her, was da für a Gast noch kommt!“ Was noch auf den Stühlen saß, erhob sich; nur der hochwürdige Herr blieb sitzen. Der Pointner aber zog seinen Buben nach der Mitte der Tafel, ergriff das nächste Glas und stieß es auf einen Teller, daß er in Scherben aus einander fuhr. „Stad sein, sag’ ich – jetzt hab’ ich ’was z’ reden! Da schaut’s her – mein Bua is ’kommen zum heutigen Tag! Und daß ich a größere Freud’ net hätt’ erleben können, das is wahr. Und reden will ich mit jedem, der’s net glaubt! Da giebt’s fein nix zum lachen – hörst es, Holzerbauer? Ja – und g’rad freuen thut’s mich, daß man mich als Hochzeiter noch net hat leben lassen! Denn der, wo z’erst heut’ leben soll, das is mein Bua! Und leben soll er hundert Jahr’ – na – gleich tausend Jahr’ – denn für so an Buben sind hundert Jahr’ gleich gar nix! Gelt, jetzt könnt’s lachen – ja – das is der Neid, weil keiner von Euch Glatzköpf’ so an Buben hat wie ich! Und drum soll’s ihm auch gut gehen, und Alles soll er haben, was er sich einbildt! Und leben soll er – he! Musikanten! Blasen, sag’ ich – Kreuzsaxen – g’rad blasen! Und leben soll er – dreimal – na – hundertmal hoch!“

Da schlang der Alte unter Schluchzen und Lachen seinen Arm um Karli’s Hals und leerte in gurgelnden Zügen sein Glas bis auf die Neige.




9.


An der Hochzeitstafel war die Ordnung wieder hergestellt, und in das schnatternde Geplauder mischte sich das Klappern der Gläser und Teller.

Dem Pfarrer gegenüber, der zwischen dem Brautpaare saß, hatte Karli seinen Platz erhalten. Er hob fast keinen Blick von seinem Teller, und um jedem Gespräche mit seinem Nachbar auszuweichen, nahm er zwei- und dreimal von jeder Schüssel und aß von jeder Speise so lange, bis die nächste an die Reihe kam. Auf die sprudelnden Fragen des Vaters konnte er freilich nicht immer die Antwort schuldig bleiben. Der stieß vor jedem Trunke mit ihm an und that überhaupt, als hätte der festliche Tag nur den einen Zweck, seinen Buben zu ehren – als wären die fünfzig Gäste nur geladen, um Karli’s Heimkehr mit ihm zu feiern. Er wurde ordentlich verdrießlich, als draußen die Musik begann, als der Pfarrer sich erhob, um das Hochzeitspaar zum Ehrentanz in den Saal zu führen.

Auch Karli erhob sich – erleichtert aufathmend. Es war ihm eine Wohlthat, nun endlich von Kuni’s funkelnden Blicken und ihrem ewigen Lächeln erlöst zu werden. Unter der Schar der anderen Gäste drängte er sich in den Tanzsaal. Der Pointner mochte wohl seit langen Jahren kein Tänzlein mehr versucht haben; seine Füße waren der flinken Bewegung entwöhnt und geriethen immer wieder aus dem Takte. Dafür aber that Kuni durch energische Führung das Möglichste, damit ihr „Ehrentanz“ für all diese hundert neugierigen Augen nicht zu einem lächerlichen Schauspiel wurde.

Mit finsteren Augen schaute Karli zu. Doch als er gewahrte, daß dem Vater allzu wirblig zu Muthe wurde und seine Beine schon gar zu sichtlich ins Zittern geriethen, näherte er sich mit raschen Schritten dem Paare, löste Kuni’s Hand von der Schulter des Vaters, schwenkte sie unter seinem Arme durch und tanzte mit ihr weiter, während der Pointner pustend und schnaubend seitwärts an die Mauer taumelte.

Drei Runden tanzte Karli mit Kuni; dann stellte er sie an die Seite des Pfarrers, stieß mühsam ein „Vergelt’s Gott, Hochzeiterin!“ hervor und schoß davon. Als er die Treppe erreichte, schallte ihm aus der unteren Wirthsstube lautes Gelächter, Citherklang und eine jodelnde Stimme entgegen. Drunten im Flur prallte er auf einen Burschen, der mit wieherndem Lachen aus der Stube getreten war. Als er den jungen Pointner erkannte, packte er ihn mit beiden Händen am Arme und schrie: „Jesses na, Du bist da! Und g’rad hat man g’redt von Dir! Du, wenn jetzt g’rad dag’wesen wärst, da hättst lachen können! Weißt, der Maurer-Hansl hat a nagelneu’s Liedl zum Besten ’geben – vom Haserl und der Feechin (Füchsin). Aber geh weiter – geh ’rein a Bißl – Dir z’lieb muß er’s noch amal singen!“ Unter diesen Worten wurde Karli von ihm in die Wirthsstube gezogen, wo unter einer lachenden Gruppe von Burschen und Dirnen der Maurer-Hansl vor der Cither saß. „He, da schaut’s her – wen ich da daherbring’! Und mach’ weiter, Hansl – jetzt fang nur gleich noch amal an – der Karli muß Dein Liedl hören.“

„Ah na, ich ’trau mich net,“ meinte der Hansl, während er verlegen die Finger über die Saiten strich.

„Därfst Dich schon trauen! Der Karli is Dir net harb d’rum! Kannst es ihm ja am G’sicht ablesen, was ihm der heutige Tag für a Freud’ macht! Geh weiter und sing’!“

Und während sich alle Gesichter in Neugier und Schmunzeln nach dem jungen Pointner wandten, ließ der Hansl die Saiten schnarren und sang dazu mit näselnder Stimme:

„Z’naxt war ich gen Holzen,[1]
Net lang noch is ’s g’we’n,
Hab’ a ganz an alt’s Haserl
In Daxboschen[2] g’sehn.

Vor Kält’ hat’s Dir g’schnadert,[3]
Kein’ Sonn hat’s erwarmt –
O mein Gott, wie hat mich
Das Haserl erbarmt!“

Einer der Burschen ließ ein gröhlendes Lachen hören, während die andern in mißtönigem Chor wiederholten:

„O mein Gott, wie hat mich
Das Haserl erbarmt!“

Mit einem lauernden Blicke schielte Hansl zu Karli auf, griff einen schwirrenden Accord und sang:

„Z’naxt war ich gen Holzen,
Weiß nimmer, wann’s war,
Hab’ a Feechin drauß g’sehen
Mit brandrothe Haar’.

Mit ei’m bluhweißen Brüsterl,
Hab’s g’sehen ganz g’nau,
Mit schneeweiße Pranterln,[4]
Mit ei’m sakrischen G’schau!“

Auf Karli’s Wangen wechselte Röthe mit Blässe. Er riß mit einem zornigen Ruck seinen Arm aus den Händen des Burschen, der ihn in die Stube geschleppt, und trat mit blitzenden Augen dicht an den Tisch, indessen der Maurer-Hansl die dritte Strophe begann:

„Z’naxt war ich gen Holzen,
Hab’ Schindelholz ’kliebt,[5]
Da hat sich das Haserl
In d’ Feechin verliebt.
Und a Manderl hat’s g’macht
Und a Hupferl hat’s ’than
Und hat – –“

Doch weiter kam der Maurer-Hansl nicht, denn mit hastigem Griffe hatte ihm Karli die Cither aus den Händen fortgerissen. In der Stube wurde es plötzlich so still, daß man eine Stecknadel hätte fallen hören. Und da beugte sich Karli weit über den Tisch und raunte dem Burschen mit zornbebender Stimme ins Gesicht: „Jetzt hab’ ich’s g’nug. – verstehst mich – mit Deine spöttischen G’sang’! Und Dir und all die Andern sag’ ich’s – so lang ich noch zwei g’sunde Arm’ an meine Achseln hab’, so lang laß’ ich kein’ Spott net auf mein’ Vater kommen. Und was die Ander’ angeht – mag’s jetzt sein, wie’s will – von heut’ an tragt s’ mei’m Vatern sein’ Nam’ – und für den steh’ ich ein! Und drum gieb ich Dir’s z’merken – g’rad hören därf ich, daß Du Dein saubres Liedl noch an einzig’s mal wo singst – nachher wachsen wir z’samm’ – wir zwei – verstehst mich!“

Schwerathmend richtete sich Karli auf, warf einen drohenden Blick auf all die verdutzten Gesichter, rückte den Hut und verließ die Stube.


(Fortsetzung folgt.)


  1. Neulich war ich bei der Holzarbeit im Walde.
  2. Niederes Fichtengebüsch.
  3. Gezittert.
  4. Pfötchen.
  5. Habe weiches Holz zu Schindeln gespalten.




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