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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

No. 43.   1887.
      Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.



Lisa’s Tagebuch.

Erzählung von Klara Biller.
(Schluß.)


10 Uhr Abends. 

Ach – ich möchte so gern Etwas wissen – aber wie soll ich es heraus bekommen! Ich glaube nicht mehr, daß Herr Heinrich sich viel aus der Kousine Bertha macht – aber wenn ich nur wüßte, ob er eine Andere gern hat …

Als ich Onkel wegen der Pinsel frug (ich stotterte etwas!), hat er mich gleich für eine Skizze festgehalten. Ich wußte ja, daß ihm mein Anzug gefallen würde.

„Unterhalte sie, Heinz, daß ihr die Zeit nicht lang wird,“ sagte er. Der liebe, gute Onkel, wie er immer an Alles denkt!

Eine Viertelstunde habe ich so still gestanden , da rief Tante, daß der Wagen warte – leider!

Und seitdem möchte ich so gern wissen – niederschreiben kann ich’s nicht –

Während wir zu Nolimé’s fuhren, hielt Tante eine Lobrede auf den Trauermantel, ich dachte an etwas ganz Anderes.

„Tante,“ fing ich an, als sie eine Pause machte, „wie hat denn Onkel um Dich angehalten?“

Sie sah mich mit einem sonderbaren Blicke an: „Hat Herr von Trauermantel-Papier etwas gesagt, was Dich auf diese Frage bringt?“

(Gut, daß sie immer nur an den denkt!)

„Nein. Aber ich kann mir gar nicht recht vorstellen, wie Onkel es gemacht hat.“

„Sehr einfach …“ Die Erinnerung stand ihr gut, sie sah auf einmal ganz belebt aus.

„Hattest Du Onkel vorher schon sehr lieb?“

„Komisches Kind! Hätte ich ihn sonst geheirathet?“

„Tante, woran hast Du denn gemerkt, daß er Dich lieb hatte?“

„So etwas fühlt sich heraus; jeder Mann hat seine besondere Art. Wenn Du ein bescheidenes und verständiges Mädchen sein willst, Lisi, so glaube ich, daß Jemand, auf den ich große Stücke halte …“

(Sollte er vielleicht gar vierspännig fahren?)

„… Dir auf seine Art zeigen wird, wie man eine Frau lieb hat.“

Ich fragte nicht weiter; mir war ganz heiß geworden, wie wird das mit dem coup de foudre enden! Jeder hat also seine besondere Art, und das fühlt sich heraus? Aber wenn ich nun etwas herausfühlte und dann wäre es nicht das Richtige? O – mein Gott, wie mich das quält! Die ganze Zeit, während wir bei den Nolimé’s waren, habe ich darüber grübeln müssen und da hatte ich ein paar Mal wieder keine Antwort bereit.

Es war nur eine kleine Gesellschaft, aber sehr „comme il faut“, meinte Tante. Die Gräfin war eine liebenswürdige Wirthin, obgleich sie nicht gut hört und sehr zerstreut ist. Sie hatte eine Seite ihrer Locken noch aufgewickelt, als sie uns empfing. Keiner wollte es ihr sagen. Als sie beim Spiegel vorbeikam und es bemerkte, lachte sie sehr und zog die Wickeln vor aller Welt heraus. Der Salon war etwas dunkel, weil das Licht durch rothseidene Gardinen fiel, die man zugezogen hatte. Aber der rothe Schein verschönerte Alle. Selbst Tante sah leidlich aus. Junge Herren gab’s nicht, nur ältliche und alte. Wenig Damen. Eine Baronin Papier fiel mir auf. Verwandte der Trauermäntel. Sie besah mich von unten bis oben, als wollte sie mich kaufen und vorher prüfen. Eine große,


Johann Karl August Musäus.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 709. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_709.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2023)