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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Wohlthaten empfangen habe, die für meine ganze Lebenszeit entscheidend gewesen sind. –0

Von höchstem Werth ist für mein geistiges Leben die Art gewesen, wie Professor Berndt uns in die Naturwissenschaften einführte und die Mathematik lehrte, insbesondere, wie er es verstand, bei seinem Unterricht die Eigenart der Einzelnen von uns zu behandeln, uns heranzunehmen oder frei gehen zu lassen. Er weiß, daß, als ich am 1. Mai 1870 meine jetzige Stellung antrat, die erste Feder, die ich in derselben ansetzte, ihm galt, um ihm in einem Dankbriefe zu sagen, welche Kraft ich in vielen Lagen meines Lebens aus dem Studium der Natur und der alten Klassiker geschöpft hatte.“

Mit diesen Bruchstücken einer Art Selbstbiographie hatte ich wenigstens einige allgemeine Züge gewonnen, deren Vervollständigung ich mir eifrig angelegen sein ließ. Endlich fügte es auch ein günstiger Zufall, daß ich mich dem Gegenstande meiner Forschungen persönlich nähern durfte und, ihm selbst unbewußt, in seiner Häuslichkeit, in seinem Privatverkehr ihm diejenigen Züge ablauschen konnte, die zur Vollständigkeit eines Lebensbildes unumgänglich nothwendig sind.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.

Weihnachtsbüchertisch. Zur neuen deutschen Kunstgeschichte liefert Adolf Rosenberg einen willkommenen Beitrag in seiner Schrift: „Die Münchener Malerschule in ihrer Entwicklung seit 1871“ (Leipzig, E. A. Seemann). Die Einleitung behandelt Karl von Piloty und Fr. A. von Kaulbach, während der reiche Stoff sich in folgende Abschnitte gliedert: „Die älteren Genremaler und die Landschaft“, „Die Schule Piloty’s“, „Wilhelm Lindenschmit und seine Schule“, „Wilhelm Diez und die Seinigen“, „Fritz von Uhde und die religiöse Malerei“. Als Weihnachtsgeschenk eignet sich das prächtige Buch durch die Wiedergabe der vorzüglichsten Erzeugnisse der Münchener Schule, theils in Radirungen und Kupferlichtdrucken, theils in Textillustrationen. Die Portraits der hervorragendsten Maler: Piloty, Makart, Gabriel Max, Franz Lenbach u. A. gereichen ihm zur besonderen Zierde; neben reizenden Genrebildern finden sich auch historische und besonders religiöse Gemälde. Von der Tüchtigkeit und Strebsamkeit der deutschen Kunst an der Isar und von ihrer ganzen Bedeutung legt diese Schrift ein vollgültiges Zeugniß ab.

Von der rühmlich bekannten „Gustav Freytag-Galerie“, welche Edwin Schloemp in Leipzig herausgiebt, ist eine billige Jubiläumsausgabe erschienen; sie enthält 20 Blätter mit begleitenden Texten nach den Originalgemälden und Kartons der ersten Meister der Jetztzeit; sehr reichhaltig sind die Bilder aus den „Ahnen“, die zwar in poetischer Hinsicht hinter den andern Dichtwerken Freytag’s zurückstehen, aber bei der diskreten Farbengebung des Dichters der malenden und zeichnenden Kunst einen desto größeren Spielraum gönnen. Das Titelbild ist ein wohlgetroffenes Portrait Gustav Freytag’s. Aus der verschollenen Sammlung seiner Jugendgedichte „In Breslau“ wird hier ein phantasievoll illustrirtes Gedicht „Die Schöpfung der Künstler“ mitgetheilt. Der Text erläutert die Illustrationen in ansprechender Weise. Was die äußere Ausstattung betrifft, so machen wir auf den geschmackvollen Ledereinband aufmerksam. Wenn bisher Ledereinbände nur bei kostbaren Prachtwerken üblich waren, weil die bisherige Technik eine kostspielige genannt werden mußte, so ist es dem Buchbinder F. A. Barthel gelungen, mittels Präparation eines billigen Leders und durch Doppelplattendruck zum ersten Male das altdeutsche Lederrelief für einen billigen Preis herzustellen. So wird der Einband der „Freytag-Galerie“ bei allen Freunden des Kunstgewerbes Interesse erregen.

Werthvolle Kunstschätze enthält die „Spitzweg-Mappe“, welche hervorragende Gemälde des Meisters in Kupferdruck reproducirt. Eugen Spitzweg hat sie herausgegeben (München, Braun und Schneider), Friedrich Pecht eine Vorrede dazu geschrieben, in welcher er den großen Humoristen Jean Paul den geistigen Pathen des Malers nennt. In der That ist der Humor desselben nicht derjenige der heutigen Tageshumoristen mit ihren fliegenden Blättern und Skizzen aus dem realen Leben; diese oft seltsamen Gestalten tragen bisweilen das Gepräge sinniger und tiefer Weltbetrachtung oder des von Jean Paul gerühmten Vollglücks der Idylle. Rosenberg sagt in seiner „Münchener Malerschule“: „Karl Spitzweg (1808 bis 1885) hatte sich als Autodidakt durch das Studium der Niederländer eine malerische Auffassung angeeignet, welche seinen theils romantischen, theils humoristischen Bildern ein durchaus modernes Gepräge gab und dieselben bis in die letzte Zeit des Meisters hinein stets frisch und lebendig erscheinen ließ. Wie sein Freund Schwind suchte er gern die Plätze und Gäßchen alterthümlicher Städtchen auf, welche er mit drolligen Gestalten, mit Zollwächtern, Polizisten, Stadtsoldaten, Nachtwächtern, Bürgergardisten, mit Guitarrespielern, die im Mondschein der Dame ihres Herzens ein Ständchen bringen, mit Invaliden u. dergl. m. belebte. Originell und bizarr wie die Umgebung, in der diese halbverschollenen Philister ihr vertrauliches Leben führten, war auch ihre äußere Erscheinung, welche in jedem Zuge von schärfster Beobachtung sprach. Gelegentlich behandelte Spitzweg in derselben detaillirenden Manier kleine Waldpartien und felsige Einöden, die er mit Klausnern, Mönchen, Jägern, kämpfenden Rittern u. dergl. m. staffirte.“ Die „Spitzweg-Mappe“ giebt interessante Proben dieser eigenartigen Stoffe und der nicht minder eigenartigen Behandlungsweise.

Mehr keck aus dem modernen Leben herausgegriffen sind die allerliebsten Bildchen: „Aus A. Hendschel’s Skizzenbuch“, Lichtdruck von Martin Rommel u. Cie. in Stuttgart (M. Hendschel, Frankfurt am Main). Es sind das meistens Kinderbilder, alle mit köstlichem Humor entworfen; Alles leibt und lebt: dieser Konditorjunge, dieser Kampf mit dem Drachen, diese Schlittenfahrt, welche der Alten mit ihren auf dem Kopfe aufgethürmten Körben so gefährlich wird, und viele andere Genrebildchen aus der Kinderwelt. Daneben finden sich auch Skizzen aus dem Leben der Erwachsenen, Sonntagsraucher, das drastische Bild „Frisch angestrichen“, auch einige liebliche Mädchenköpfe, das Mädchen, das Rosen pflückt, Aschenbrödel am Herd, Schneewittchen im Sarge: Alles ungezwungen, von sieghafter Natürlichkeit.

Zwölf Phototypen nach Originalgemälden von Robert Beyschlag, Franz von Defregger, Theodor Grosse, Hermann Kaulbach u. A. hat die Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft in München unter dem Titel „Für Herz und Gemüth“ herausgegeben. Für den Werth der Bilder spricht der Name der Meister: die Auswahl hat wohl vorzugsweise den Gesichtspunkt ins Auge gefaßt, schöne Frauengestalten und anmuthige Kinder in erster Linie vorzuführen. Einen eigenartigen Reiz gewinnt die Sammlung durch die erläuternden Gedichte von Julius Grosse, der als echter Dichter nirgends handwerksmäßig nichtssagende gereimte Glossen schreibt, sondern sich von den stimmungsvollen Bildern theils zu schwunghaften Ergüssen begeistern läßt, theils die schalkhaften Andeutungen des Malers in gleichgestimmten Versen wiedergiebt.

Ein reizendes Festgeschenk sind Heinrich Seidel’sNatursänger“ mit 110 Originalzeichnungen von Giacomelli (Leipzig, Verlag von B. Elischer). Wer liebt nicht unsere Singvögel? „In dem kleinen Singvogel,“ sagt die Einleitung, „gewinnt die Natur gleichsam eine liebliche Stimme und spricht in allgemein verständlichem Tone zu uns. Wie wundervoll paßt der schmetternde Schlag des Buchfinken zu den hohen Buchenhallen, durch deren frühlingsgraues Laubgewölk kleine Wölkchen des blauen Himmels hindurchschimmern! Wie stimmt das etwas schwerfällige melodische Rufen der Amsel zu einem sanften Frühlingsabend, wenn hinter schweren Tannenwipfeln allmählich das Abendroth verdämmert! Glaubt man nicht, der raschelnde Rohrwald habe eine Stimme bekommen, wenn das knarrende Geschwätz der Rohrsänger aus ihm hervortönt? Und wenn das lieblich flötende, dahinrieselnde Lied der Grasmücke aus duftendem Gesträuche erschallt, da möchte man denken, die blühenden Büsche sängen selber. Ueber die weithin wogenden Kornfelder ist ein eben so großer Himmel von lauter Lerchenmusik ausgespannt und kein Fleck in der Welt ist so öde, daß nicht im Frühling dort ein kleiner Vogel lieblich sänge.“ Heinrich Seidel hat dem trefflichen Portraitalbum dieser kleinen Künstler, in welchem ihre charakteristischen Züge mit großer Lebenswahrheit ausgeführt sind, einen Text in Prosa und Versen beigefügt: die Prosa bringt das Wissenswerthe über die kleinen begabten Geschöpfe, der lyrische Steckbrief ist stets geschmackvoll abgefaßt und viele der Verse athmen einen echt poetischen Hauch. Wer daher eine Galerie dieser zierlichen Sänger von der Nachtigall, den Goldhähnchen, den Grasmücken bis zum Stieglitz, den Drosseln, den Schmätzern besitzen will: dem können wir mir empfehlen, das Seidel’sche Werk sich anzuschaffen.

Eine interessante Weihnachtsgabe ist eine Dichtung von Georg Ebers: „Elifên, ein Wüstentraum“ (Stuttgart und Leipzig, Deutsche Verlags-Anstalt). Ein junger Künstler bricht den Bann der priesterlichen Kunstlehre und wird durch eine Geliebte, ein schönes Mädchen aus wilder Völkerschaft, begeistert, das Höchste in der Kunst zu leisten:

„Natur allein ist wahr, die Formeln lügen.“

Das Gedicht zeigt uns den Schöpfer der beliebten ägyptischen Romane auch als Meister künstlerischer Form: alle diese Stanzen sind wohl und regelrecht gebiidet, volltönend und zwanglos in ihrem Vollklang; das ägyptische Kolorit ist farbenreich und einzelne schlagkräftige Sentenzen prägen sich dem Gedächtniß ein. †     


Der evangelische Bischof der Siebenbürger Sachsen. (Mit Portrait S. 841.) Ein deutscher Gruß zu seinem siebzigsten Geburtstage! In der Reihe der Ritter des deutschen Kampfgeistes wird einst der evangelische Bischof der Siebenbürger Sachsen Georg Daniel Teutsch seinen Platz in der deutschen Geschichte einnehmen.

In dem schweren nationalen Vertheidigungskampf geht er den 263 Gemeinden seines Volkes als evangelischer Bischof seit zwanzig Jahren und als Forscher und Verkünder der Sachsengeschichte weit über ein Menschenalter mit nie gebeugtem Muthe voran.

Er ist der Sohn eines Seifensieders in Schäßburg, am 12. December 1817 geboren. Er besuchte die Schule und das treffliche Gymnasium seiner Vaterstadt und bezog 1837 die Universität Wien. Im Jahre 1842 nahm er die Stelle eines dritten Lektors am Gymnasium seiner Vaterstadt an. Alle amtsfreie Zeit widmete er seitdem der Erforschung und volksthümlichen Darstellung der Geschichte des Sachsenlandes; er ist der Johannes von Müller seines Volkes geworden.

Im Jahre 1848 wurde Teutsch in den Klausenburger Landtag gewählt, im Sommer 1858 zum Rektor seines Gymnasiums ernannt, das er in jeder Beziehung zu einer Musteranstalt zu erheben suchte; in der Oeffentlichkeit wahrte er die Interessen des Volks nach Möglichkeit, ließ sein Hauptwerk: „Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk“ (2. Aufl. Leipzig 1874, Hirzel) in die Welt gehen und setzte seine geschichtlichen Arbeiten so eifrig und tapfer fort, daß ihn sogar einmal der Staatsanwalt, jedoch vergeblich, zu fassen suchte.

Das österreichische Februarpatent von 1861 weckte die Nationalitäten wieder zum Wettkampf auf. Teutsch wurde zunächst als Abgeordneter

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verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1887, Seite 859. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_859.jpg&oldid=- (Version vom 21.2.2024)