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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

No. 52.   1887.
      Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.



Jascha.

Von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)


Am Nachmittage des Tages, an welchem ich Jascha das Geld geliehen hatte, – wir saßen nach beendeter Litteraturstunde sämmtlich im Garten mit der Handarbeit – kam plötzlich das Dienstmädchen und meldete, Herr Levysohn sei da, um mit Frau Doktor zu sprechen. Herr Levysohn war der Juwelier des Ortes; er hatte am Marktplatz einen kleinen Laden, in dem ein Kästchen mit goldenen Ringen, die zwischen schwarzen Sammetleisten steckten, neben einigen Korallenschnüren, silbernen Serviettenbändern und Löffeln prangten. Wir pflegten dort unsere zerbrochenen Broschennadeln ergänzen zu lassen und auch hin und wieder ein Ringelchen mit einem Türkis zu erhandeln, um es irgend einer Freundin als „ewiges Andenken“ zum Geburtstag zu schenken.

Frau Doktor schüttelte verwundert den Kopf.

„Levysohn, zu mir?“ fragte sie, indem sie sich erhob. „Was mag er wollen?“

Wir saßen plaudernd und lachend beisammen, nachdem sie uns verlassen, ohne weiter an Herrn Levysohn zu denken; wir hatten soviel Stoff zur Unterhaltung. Die fürstlichen Herrschaften wurden zur Jagd erwartet, und, wie alljährlich, war Frau Doktor nebst ihren jungen Damen schon jetzt für Freitag über acht Tage zum Souper und Tanz befohlen. Ein Tanzfest bei Hofe, in dem hohen mit Hirschgeweihen dekorirten Saale des Schlosses! Ueber das spiegelnde Parkett zu fliegen mit einem eleganten Hofkavalier, vielleicht gar mit dem Prinzen Georg – es konnte wahrhaftig in der Welt nichts Schöneres geben, und unsere Frau Doktor wußte sich in solchen Zeiten vor unseren stürmischen Liebkosungen kaum zu retten; denn ihr, welche die Erzieherin der jungen Fürstin gewesen war, verdankten wir ja einzig und allein diese Gunst. Was Wunder, wenn die Toilettenfragen eifrigst erörtert werden mußten, die Vermuthung laut wurde, daß der bildschöne Adjutant des Prinzen Georg wieder mit von der Partie sein werde, der im vorigen Jahre Olga so sehr den Hof gemacht und auch, wie wir sämmtlich wußten, so tiefen Eindruck hinterlassen hatte, daß das Kotillonsträußchen, welches er ihr verehrte, in einer reizenden Schachtel aufbewahrt und heimlich oft von ihren frischen Lippen geküßt wurde.

„Wir wollen Alle ganz gleich gehen,“ schlug Eine vor, „weiß mit blau.“

„Ich danke!“ erklärte Olga, „ich nehme blaßgrün mit Wasserrosen.“

„Ich rosa!“

„Das kleidet mich nicht, ich nehme hochroth!“

„Ich ganz weiß!“

„Es präsentirt sich zu schlecht auf den weißen Wänden des Saales,“ meinte Dora, „ich denke, schwefelgelb mit –“

Weiter kam sie nicht, denn Frau Doktor trat eben an den Tisch. Sie hatte etwas Blitzendes in der Hand und fragte: „Gehört einer von Euch dieser Schmuck?“

Sie hielt ein goldenes Kreuz, mit Türkisen besetzt, empor. „Herr Levysohn behauptet, er habe es von einer der jungen Damen vor mehreren Wochen behufs einer Reparatur erhalten und es der Eigenthümerin schon

Ein Hasenduell.0 Nach dem Oelgemälde von C. F. Deiker.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 861. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_861.jpg&oldid=- (Version vom 29.7.2022)