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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Kampf los: „Guten Morgen, Laubfrösche – quak, quak, quak“ ruft man ihnen zu. Ein besonders Witziger fragt wohl auch: „Kinder, wo brennt es denn?“ und die Anspielung auf die dem Kopfschutz der Löschmannschaften nicht ganz unähnliche Kopfbedeckung der Jäger wird verstanden und findet jubelnden Beifall. Die Jäger sind auch nicht auf den Mund gefallen. „Ruhig, ihr Trommelköpfe,“ herrschen sie den lustigen Blauen zu. Im Felde aber, in der Stunde der Gefahr, da verschwinden alle Neckereien und Hänseleien, da stehen unsere Soldaten Schulter an Schulter in Kampf und Noth wie echte treue Kameraden.

Herr Hauptmann und Frau Feldwebel.

Muß der Soldat auf ein schützendes Dach und auf ein warmes Bett verzichten, sagt er sich bei „Mutter Grün“ zu Gast, dann bietet sich ihm der rechte Tumnmelplatz, um den Ueberschuß an Lebenslust und Lebenskraft zu verwerthen. Und wunderbar! Je unfreundlicher der Himmel auf das bunte Treiben herabblickt, um so ausgelassener wird die Stimmung. Das Gefühl, sich nicht „unterkriegen“ zu lassen, steckt in unserm deutschen Soldaten und trägt im Felde die herrlichsten Früchte. Ist die Mahlzeit verzehrt, sind die Waffen gereinigt und der Anzug wieder blank, dann ist es Zeit zu einem richtigen Bivouakschwank. Zunächst begraben die nun bald zur Entlassung kommenden alten Leute, die „Reservisten“, wie sie sich schon mit einem gewissen Stolz nennen, die alten treuen Gefährten so manchen Bivouaks – die Löffel. An einem großen Gerüst sind diese Zeugen gesunden Soldatenappetits aufgehängt, und unter Vorantritt der Regimentsmusik setzt sich der Zug der fröhlichen Leidtragenden in Bewegung. Zunächst rückt man vor das Zelt des Kommandeurs. Der zum „Sprecher“ Auserkorene hält eine Rede, so gut er kann. Er gedenkt der gemeinsam im Rock des Königs verlebten Jahre, versichert, daß Alle auch im schlichten Bürgerkleid gute treue Soldaten bleiben wollen, und schließt mit einem stürmisch aufgenommenen Hoch auf den obersten Kriegsherrn. Dann schreitet man zu dem eigentlichen Begräbniß. An der großen Grube, die unterdessen aufgeworfen worden ist, waltet der Sprecher wiederum seines dornenvollen Amtes. „Lebt wohl, Ihr alten treuen Kumpane,“ ruft er den zur Grube sinkenden Löffeln zu, „nie wieder sollt Ihr Erbswurstsuppe zu kosten bekommmen, nie wieder sollt Ihr Reis rühren oder Fleisch kennen lernen, das doch nie gar wurde. Begraben und vergessen, das ist des Löffels Fluch“, schließt er mit einem kühnen Sprung in die klassische Poesie. Die Rede scheint auf die Umstehenden einen gewaltigen Eindruck gemacht zu haben; wenigstens können sich Einige nicht enthalten, die thränenden Augen mit Strohwischen zu trocknen.

Der Hauptspaß bleibt aber doch das Bataillonsexerciren. Sowie die Anregung hierzu gegeben, eilt Alles auf den freien Platz inmitten des Bivouaks, ergreift sein Gewehr, einen Kloben Holz, und stellt sich in Reih’ und Glied. Ein Bataillonskommandeur und Adjutant sind bald gefunden, und mehr braucht es für dieses Bataillon nicht. Mächtige Schärpen und Achselstücke von Stroh geben ihnen das nöthige Ansehen und ein paar prächtige Renner stellen sich ihnen in den kräftigsten Burschen der Kompagnie zur Verfügung. Kleine Eigenthümlichkeiten in Haltung und Sprechweise der Herren Vorgesetzten nachzuahmen, gehört zu den alten Ueberlieferungen dieses Bataillonsexercirens, und da hierbei die Leute aus gewissen Grenzen nie herausgehen, wird ihnen dieser Spaß durchaus nicht verargt, ja, der Herr Bataillonskommandeur sieht sich wohl ganz gern von Weitem seinen Kollegen „in Stroh“ lächelnd an. „Still–ge–standen. Richt – Euch,“ ertönt das Kommando und der Stab galoppirt an den rechten Flügel. „Hierher die Augen, hierher die Augen. Da ist ein Mann im zweiten Gliede der zweiten Kompagnie, der sieht immer noch geradeaus – natür – lich ist es der Ziep. Herrrr, wollen Sie gefälligst Ihre Samengurke nach rechts nehmen?“

Der mit einem besonders stattlichen Riechorgan von Natur bedachte Ziep zuckt schmerzlich betroffen zusammen. Allgemeiner Jubel. „Rechts – um! In Züge links marschirt auf – Marsch – marsch – Kerls, was ist das für ein Aufmarsch, das ist ja, als ob ein Flug Sperlinge aufgeht“ – Wiederum große Freude. „Bataillon – Marsch – eins – zwei – drei – vier, Ru–he, Tem–po! Der Mann in der 3. Kompagnie mit ’nem Bart ums Kinn wie ein Fußsack, Herr, glauben Sie, Sie wären ein Seiltänzer? Ruhe in die Beine, ran die Brust an die Hosenträger, oder Sie fliegen in den Kahn.“ Stürmische Heiterkeit. „Und nun zum Schluß noch einen guten Parademarsch, Alles vorwärts marschirt, nicht gestutzt!“ Die Linien defiliren vorbei, die Gesichter glänzen vor Vergnügen und die kräftigen Beine fliegen heraus, daß einem Kompagniechef das Herz im Leibe lachen würde. Ja, so ein richtiges fröhliches Bivouak ist ein militärisches Fest so gut wie ein anderes.

Mit dem Schatz.

Aber ein Fest kennt der deutsche Soldat, welches ihm doch das liebste ist: das ist der Tag, an welchem vor so und so vielen Jahren dem Vaterlande der Mann geschenkt wurde, zu welchem jeder Soldat vom ältesten bis zum jüngsten als zu seinem unerreichbaren Muster und Vorbild emporblickt – Kaisers Geburtstag. Ist die Parade vorbei, hat man bei Schweinebraten, Backobst und Klößen und der an diesem Tage unerläßlichen halben Flasche Wein seinem Kriegsherrn zugejubelt, dann winkt am Abend das Kompagniefest mit seiner Fülle von Freuden. Hier tritt der Soldat so recht aus sich heraus, denn hier genießt er nicht allein, nein, hier darf auch, der Schwarm seines Herzens, die treue Gefährtin seiner Militärzeit, die unermüdliche Aufbesserin seiner Kost – seine Köchin Theil nehmen. Hat der Ball mit dem Herrn Hauptmann und der Frau Feldwebel an der Spitze seinen Anfang genommen, sind die ersten Tänze herumgedreht, dann drängt sich Alles um die Schaubühne am Ende des Saals und über die unscheinbaren Bretter geht eine Fülle echten frischem Soldatenhumors.

„Es lebe der Reservemann.“

Es ist erstaunlich, was für Talente sich in der Stille des militärischen Lebens herausbilden. Ein ganzes Theater steckt in der Kompagnie beisammen: dramatische Dichter, Regisseure und Schauspieler. Was die Soldaten als „Statisten“ auf der großen Bühne gelernt, das wissen sie hier im Kleinen mit Geschick zu verwerthen. Ein schlichter, aber warm empfundener Prolog, natürlich von Einem aus der Kompagnie verfaßt, macht den Anfang; ein Kaisergeburtstagsfestspiel folgt, spaßhafte Kouplets, Schwänke aus dem Garnisonleben, dem Quartier und Bivouak, lebende Bilder, Chorgesänge – Alles in buntem Wechsel, Alles mit den einfachsten Mitteln, aber frisch dargestellt und dem Geschmack des Soldaten angepaßt. Auch für den Nichtsoldaten ist eine solche Feier der beste und erhebendste Schluß eines Kaisergeburtstagsfestes. Er nimmt das Gefühl mit nach Hause, daß er sich in einer Gemeinschaft befand, die geeignet ist zu einer festen Säule für Kaiser und Reich.

Jeder aber, der den deutschen Soldaten kennt, jeder, der Gelegenheit gehabt hat, ihn in Ausübung des Dienstes sowohl als auch bei seinen Vergnügungen zu beobachten, wird mit uns fühlen, wenn wir mit dem Wunsche schließen: Gott erhalte dem Vaterlande seinen strammen, pflichttreuen und – fröhlichen Soldaten!

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_018.jpg&oldid=- (Version vom 5.10.2021)