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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

befestigt, welches, neben mancherlei Kram, die blecherne Kaffeemaschine, die Zuckerdose, einige Gläser und ein paar irdene Töpfe trägt. Darunter ist die Zapfenreihe für die Gewehre, Ferngläser und Rucksäcke angebracht. Nicht weit davon hängt ein Rahmen mit einigen Holz- und Porcellantellern, mit zwei irdenen Schüsseln und drei oder vier Kaffeetassen, von denen sich nicht mehr alle eines Henkels erfreuen. Ueber dem Ofen hängen die beiden Pfannen, die saubergefegte Wasserpfanne und die fettglänzende Schmarrenpfanne. Ein paar verkümmerte Geweihe schmücken die Wände. Aus dem Tischwinkel nieder grüßt das niemals fehlende Krucifix, neben welchem ein paar Heiligenbilder mit dem von einer dünnen Goldleiste umrahmten Bilde des Königs einträchtige Gesellschaft halten.

Dieser einen Hütte gleichen die meisten im Gebirge, deren Hauptzweck die Erleichterung des Schutzdienstes ist. Manche Hütten, welche in erster Linie als Jagdhäuser und nur nebenbei als Schutzhütten dienen, besonders solche in den königlichen Leibgehegen und in den Jagdbezirken reicher Standesherren, enthalten wohl mehrere Räume und bieten größeren Komfort.

Aber je enger die Hütte, desto lieber ist sie mir. Je kleiner der Tisch, desto näher rückt man zusammen, desto gemüthlicher plaudert sich’s. Und was giebt es da am ersten Abend bei Krug und Pfeife Alles zu plaudern und zu fragen! Wo steht der gute Zehnerhirsch mit dem kapitalen, weitgespannten Geweih? Da drüben also im neuen Schlag! Und schon verfegt! Und dieser alte Schlaumeier von einem Gemsbock, der mir im vergangenen Herbste zweimal aus dem Schusse blitzte? Er hält auch heuer wieder den alten Stand! Und auch die Rehböcke treiben schon lustig drauf los. Hurrah, da giebt’s ja Waidmannsarbeit übergenug für alle Hände! Also munter ausgetrunken und – und hurtig eingeschenkt, daß wir bei Zeiten aufs Heu kommen! So flink geht’s aber doch nicht von Statten; mit dem Austrinken und Einschenken wohl, aber nicht mit dem Ausplaudern. Zum Kuckuck – Mitternacht! Ja, wo ist denn die Zeit hingekommen? Nur rasch die Fenster ein wenig aufgerissen, denn in der Stube liegt der Rauch zum Schneiden. Die Hunde schlafen schon und knurren im Traum, in welchem sie wohl mit gierigem Eifer dem schweißenden Hirsch auf der Fährte hängen. Und jetzt die Fenster zu, das Licht gelöscht und mit einem Satz auf den Kreister! Ah – wie thut das Strecken so wohl, und wie fühlt sich das Heu so weich! Kaum hat man die Decke über die Beine gezogen, da ist man schon „hinüber“.

Nun gilt’s, mit festem Schlaf die Kürze des Schlafes wett zu machen. Denn gegen die dritte Morgenstunde ist mein wackerer Jäger schon wieder in der Höhe. Ich zwinkere noch ein halbes Stündchen weiter, während der Jäger die Pfanne über das Feuer setzt. Mit einem Ruck aber bin ich auf den Beinen, sobald die Löffel klappern. Schwarzer Kaffee und dazu eine Pfanne voll Schmarren, das ist in den Bergen das richtige Jägerfrühstück; das pflastert den Magen und hält die Rippen fest, das giebt aus für geschlagene zwölf Stunden.

Und nun den Hut aufs Haar, die Büchse über die Schulter, den Bergstock in die Faust und hinaus in den dämmerigen Morgen, dessen klarer Himmel einen herrlichen Tag verheißt.

Fünf Stunden später kehren wir zurück von erfolgloser Birsche. Wohl stand mir ein guter Achterhirsch, dem schon die Bastfetzen von den Sprossen hingen, auf Schußbereich vor der Büchse – aber schief! Und solch einem Edlen die Kugel auf die weiße Scheibe setzen? Pfui, der Schinder! Ich habe Zeit, ich kann’s erwarten, bis mir ein Anderer das rothe Blatt zu gutem Schusse zeigt.

Nun wieder in die Hütte. Eine halbe Stunde Rast, dann beginnt die „höhere Kocherei“. Statt Schmarren oder Kaasnocken giebt’s zur willkommenen Abwechslung für den Jäger heute „Gaw’liersmenasch“ – Fleischsuppe und Fleisch. Im Stubenofen wird das Feuer angeschürt – und was für ein Feuer! Daß die Platte glüht und eine schweißtreibende Hitze die Stube füllt. Auf der Hütte hat das Holz keinen Sparer – und gegen die Hitze lassen sich Fenster und Thüren öffnen. Der scharfe Zug, der die Stube durchfährt, erfrischt nur bei dem schweren „Werke“, das man „ernst bereitet“ – er schadet nicht. Auf der Hütte schadet überhaupt nichts. Nun wird im eisernen Topf mit „Grünzeug“ und einer Hand voll Salz das Fleisch in einem Meer von Wasser zugesetzt. Und geräth das Wasser erst ins Brodeln – mit welchem Eifer wird die Suppe behütet und „abg’schaumt“, und welche Summe von Aufregung bringt die Sorge mit sich, daß nur ja das Fleisch nicht aus dem Sieden kommt!

Der Ofen wird mit frischen Scheiten angepackt – dann verschnauft man und hält eine Kunstpause von einer halben Stunde. Darnach geht’s an das Putzen und peinlich akkurate Schneiden der gelben Rüben, die in der Wasserpfanne nach einem etwas dunklen Recepte eingebrannt werden. Zum „Luxus“, wie der Jäger meint, werden in einem Blechhafen noch Kartoffeln zugesetzt, um später in der Schmarrenpfanne geröstet zu werden. Während auf dem glühenden Ofen ein unaufhörliches Dampfen, Brodeln und Zischen herrscht, wird am Tische das Brot zur Suppe in eine Schüssel geschnitten und ein Ei darüber geschlagen. Und nun denke man: das Brot in der Schüssel, die Kartoffeln im Hafen, die gelben Rüben in der Wasserpfanne, das Fleisch im Topf, und schließlich wieder die Kartoffeln in der Schmarrenpfanne – welch ein ursprüngliches Kochgenie gehört dazu, um das Alles zu übersehen, um in des Wortes wörtlichster Bedeutung nicht das Eine in das Andere zu bringen!

Endlich! Das Mahl ist fertig, und der Tisch ist gedeckt. Geradezu vorzüglich ist die Suppe gerathen. Der Jäger meint: „Ah – so a Süpperl, das is a Süpperl! Da kann sich fein kein’ Wirthshaussuppen dagegen sehen lassen!“

Freilich kratzt der allzu reichlich genommene Pfeffer ein wenig im Halse – aber „Pfeffer macht Kurasch“, und Kurasch kann man brauchen in den Bergen. Nun erst das Fleisch! Es sticht sich wie Butter! Da ist kaum ein Messer von Nöthen – es zerfällt schon unter der Gabel. Wunderbar goldbraun sehen die gerösteten Kartoffeln aus! Allerdings kostet es einige Mühe, sie von der Pfanne los zu bringen. Die gelben Rüben schauen sich freilich ein wenig dunkel und runzlig an, und von mancher ist nur noch ein verkrümpeltes Häutlein übrig – aber die „Soss’“, in der sie schwimmen, reißt alles heraus! Wie das schmeckt! Auf der Hütte schmeckt überhaupt alles – und doppelt gut das Mahl, das man selbst bereitet, bei dem also jede Kritik von vornherein ausgeschlossen ist. Nun ein Krug Bier darauf, und eine gute, leichte Cigarre. Der Jäger schmunzelt schon mit dem ganzen Gesichte, während ich das Ledertäschchen aus der Joppe ziehe – und dennoch sträubt er sich ein paar Sekunden lang, die gebotene Cigarre anzunehmen. Nun ein paar Rundgänge um die Hütte, in Hemdärmeln unter der warmen Sonne. Dann kommt für mich ein Stündchen Schlaf unter dem nächsten schattigen Baum, während am plätschernden Brunnen der Jäger sich diese ganze Stunde müht, um die Schmarrenpfanne von den Kartoffeln, die Wasserpfanne von den gelben Rüben rein zu bekommen. Gegen drei Uhr giebt’s Kaffee. Und gegen solchen Hüttenkaffee steht nun schon gar nichts auf. Schwarz wie die Nacht und wunderbar duftend rinnt er aus der Kanne, und mit dem dicken süßen Rahm gemischt, den der Jäger von der nächsten Sennhütte herbeigeholt, liegt er schwer wie Oel und goldig in der Tasse.

Um vier Uhr wird zur Abendbirsche aufgebrochen. Ueber lichte Rodungen und über weite, belebte Almenflächen wandern wir der Grenze des Jagdbezirkes zu, um die Birsche, wie es der Gang des Windes eben fordert, von da draußen gegen die Hütte her zu machen. Die erste Hälfte des Rückweges soll jenem schwarzkruckigen Schlaumeier gelten und gegen sieben Uhr will ich dann noch den Ansitz auf dem „neuen Schlag“ gewinnen. Kaum aber ist in der Nähe der Grenze die Birsche begonnen, da raschelt’s im Unterholz, und ein Rehbock mit prächtig ausgerecktem Sechsergeweih trollt über den grasigen Ziehweg, den Windfang suchend zur Erde gesenkt. Beim Knacken des Hahnes stutzt er und wirft den schönen Grind in die Höhe. Da kracht mein Schuß – mit einer hohen Flucht überfällt der Bock den Wegrain – stürzt – und liegt verendet zwischen den Stangen. Einen Jauchzer ins Thal – und dann einen grünen Bruch auf den Hut!

Der Jäger will mich zur Fortsetzung der Birsche bereden. Aber für heute soll’s genug sein – morgen ist auch ein Tag. Der Bock wird auf den Weg gezogen und aufgebrochen. Als wir ihm die Läufe verschränken, tönt’s hinter unserem Rücken:

„Gratulir’ – und grüß’ Gott bei ’nander!“

Es ist der Jagdgehilfe von der nächsten Hütte – beim Begehen der Grenze hat er meinen Schuß gehört und ist dem Halle

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_044.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)