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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

herabgeleitet wird, und die einen Diener in Livreé tragen eine Rasenbank fort, während andere einen Thronsessel herbeischleppen. Macht sich in der Ausstattung die vervollkommnete Technik geltend, so wird doch des Guten nicht zuviel geschehen. Zu Aufführungen, welche etwas von dem oben besagten intimen Rapport voraussetzen, kann die Bühnenöffnung, die höher und breiter ist als im alten Hause, entsprechend regulirt werden. In der Vertiefung des Portals ist eine verstellbare Blendarchitektur angebracht, durch deren Vor- oder Zurückschieben in Verbindung mit einer beweglichen Decke die Bühne verkleinert oder vergrößert wird. – Alle Erfahrungen, welche man auf dem Gebiete des Theaterbaus gesammelt hat, sind bei dem neuen Hause in Anwendung gekommen. Man darf nun wünschen, daß die artistische Leitung sich bestrebe, für die tadellose Schale immer den richtigen Kern zu finden. Ist das Haus einmal seiner Bestimmung übergeben, dann treten die Künste, die bei seiner Herstellung thätig waren, in den Hintergrund gegen die eine: die dramatische. Einem Direktor, dem man ein solches Theater übergiebt, darf man sagen: Hic Rhodus, hic salta!

Ferdinand Groß.     




Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.
Die Todteninsel.
Von Richard Voß.
(Schluß.)

Tullus blickte finster auf die Versammelten; da näherten sich ihm die Jünglinge und luden ihn ein, zu ihnen zu treten. Sie führten auch ihn vor jenen ehrwürdigen Greis, der ihn mit milden Worten anredete und willkommen hieß. Zu den Anderen gewendet sprach er.

„Rüstet das heilige Liebesmahl. Wenn diese Beiden, die der Herr uns gesendet hat, auch nicht unseres Glaubens sind, so sind sie doch unseres Geistes; denn sehet, wie Beiden die himmlische Liebe aus den Augen leuchtet. Deßhalb mögen sie von ferne an unserem Feste theilnehmen und in Frieden unter uns weilen.“

Sogleich brachte man einen Korb herbei, darin befand sich ein Krug voll Weins, ein Becher und ein Laib Brotes; langsam und feierlich, als wären es heilige Dinge, wurden sie herausgenommen. Der Alte stellte sich hinter einen altarähnlichen Stein, alle Anderen ordneten sich vor ihm. Die beiden Jünglinge aber traten dem Greis an die Seite.

Dieser sprach inmitten einer großen Stille:

„Zwar des Menschen Sohn gehet hin, wie von ihm geschrieben stehet; wehe aber dem Menschen, durch welchen des Menschen Sohn verrathen wird! Es wäre demselben Menschen besser, daß er nie geboren wäre.

Und indem sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach es und gab es ihnen und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib.

Und nahm den Kelch und dankte und gab ihnen den; und sie tranken Alle daraus.

Und er sprach zu ihnen: das ist mein Blut des neuen Testamentes, das für Viele vergossen ist.“

Also der Greis.

Und er nahm von dem einen der Jünglinge Krug und Becher und schenkte ein. Alle traten hinzu, Einer nach dem Andern, und tranken von dem Wein. Dann nahm der Greis von dem andern Knaben das Brot, brach es und die Gemeinde trat von neuem herzu, auch das Brot zu empfangen. Nur Tullus und Acca standen von ferne, Beide von dem feierlichen und geheimnißvollen Vorgang auf das Tiefste ergriffen, sich nicht zu dem hehren Mann heranwagend. Da blickte dieser zu den Beiden hinüber, winkte sie mit einem gütigen Lächeln zu sich und sprach:

„Auch Euch kann der Heiland und Erlöser geboren werden, welcher ist Jesus Christus, der Sohn Gottes.“

Tullus schrie auf.

„Acca, es sind Nazarener!“

Und er wollte sie fortreißen, wollte mit ihr voller Grausen entfliehen.

In demselben Augenblick stürzte vom Hain her ein Jüngling in die Grotte.

„Löscht die Fackeln, flieht in die Tiefe! Der Priester Atinas kommt mit Leuten von der Leibwache des Cäsars, uns gefangen zu nehmen. Rettet Euch!“

Niemand zeigte Schrecken oder Furcht; Alle waren vorbereitet, den Feinden ihres Gottes in die Hände zu fallen und den Märtyrertod zu erleiden. Ihr Bischof mußte ihnen befehlen, die Fackeln bis auf eine zu löschen. Dann wendete er sich zu den Beiden, die nicht seines Glaubens waren:

„Verlaßt uns! Es könnte der Wille des Herrn sein, daß die Heiden uns hier finden; der Priester Atinas ist es, der nach uns sucht, unser und des Herrn, unseres Gottes, grimmigster Feind. Weiche von uns, Sohn des Atinas, damit Dein Vater, sollte Gott uns in seine Hand geben, nicht wähne, Du seiest Einer der Unseren. Denn wenn Du uns auch hassest, so möchte es Deinen Vater doch kränken, daß Du eine Stunde als unser Freund bei uns weiltest. Geh, Jüngling, und nimm diese holdselige Jungfrau mit Dir. Aber das wisse: wen der Herr suchet, den findet er. Auch Deine Stunde wird kommen, ehe Du es denkst. Und so ziehet hin in Frieden!“

Nach diesen feierlichen, mit lauter Stimme gesprochenen Worten winkte der Bischof den Beiden gebieterisch, die Grotte zu verlassen. Tullus schlich mit der weinenden Acca hinaus.

Als sie draußen am Eingang standen, im Dunkel des Haines, rannte der Jüngling dem Mädchen zu.

„Warte hier auf mich!“

„Was soll ich?“

„Ich komme gleich zurück.“

„Wo willst Du hin?“

„Still!“

„Tullus!“

Aber er war schon fort.

„Tullus, was willst Du thun?“

Aber auf ihre angstvolle Frage kam keine Antwort.

Sobald Tullus der finsteren Waldung entronnen war, stürmte er vorwärts. Dann besann er sich, blieb stehen, spähte um sich; doch er entdeckte nichts. Nun stand er und lauschte. Er hörte keinen Laut. Aber jetzt – – es klang wie gedämpfte Stimmen, wie Geräusch von Waffen, ihm ganz nahe. Da rief er.

„Vater, Vater! Ich bin’s! Dein Sohn Tullus!“

Ein erstickter Aufschrei. Aus dem Dunkel der Nacht löste sich die Gestalt eines Mannes und stürzte auf Tullus zu.

„Ich bin es, Vater.“

„Du fort von der Insel, Du hier?!“

„Dir nach. Verzeih’ mir! Acca ist auch da. Ich will Dir helfen, die Nazarener zu verderben. Wir sind diese Nacht mit ihnen zusammengekommen.“

„Mit den Nazarenern? Wo sind sie?“

„In einer Grotte, dort beim Hain.“

„Tullus!“

„Ihr Priester ist bei ihnen. Ich führe Dich. Kommt, kommt schnell!“

Die Leute von der Leibwache des Cäsars und ein Hauptmann waren zu den Beiden getreten. Tullus eilte den Männern voraus. Athemlos erreichte er den Hain, tastete sich bis zum Eingang der Grotte. Aber hier war keine Acca. Sie war auch nicht im Walde, welchen Tullus, den Namen der Geliebten rufend, durchsuchte.

Atinas erschien mit dem Hauptmann und der Wache; Tullus mußte vom Suchen ablassen und den Leuten die Höhle zeigen. Plötzlich kam ihm ein entsetzlicher Gedanke. Er stürzte seinem Vater und den Römern voraus in die Grotte hinein. Drinnen fand er sie.

Acca stand mitten unter den Jungfrauen, bei den Christen, die Tullus an die Römer verrathen hatte. Atinas rief seinem Sohne zu:

„Sie bekennt sich als zu Diesen gehörend.“

Die gefangenen Nazarener wurden herausgeführt; sie gingen festen Ganges, erhobenen Hauptes, sich einander Trost und Muth

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_062.jpg&oldid=- (Version vom 14.3.2018)