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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Namen Friedrich Claudius Josias getauft und mit dem letzten Namen gerufen, welcher der des Grafen war; mit dem Namen, über den Du Dich so sehr gewundert hast, als Du noch ein kleines unnützes Ding gewesen bist.“

Und wieder unterbrach sich Josias, seiner gemächlichen Weise getreu, in seiner Erzählung. Die Sonne war untergegangen; die Luft war klar und hell; von dem Wasser und von den jenseitigen Wiesen stieg es wie ein kaum merklicher, leichter Nebel auf. Allmählich begann er silbern zu schimmern und sich zu färben, denn der Mond tauchte am östlichen Horizonte auf. Josias blickte eine ganze Weile in das sanfte Wallen und Weben des Nebels hinein.

„Sieh!“ sprach er, „wie das nahende Licht die ganze weite Fläche und den Himmel verklärt mit seinem Zauber. Ist es doch, als löste es die harten Umrisse in Duft, als höbe es das Gesetz der Schwere auf! Wie macht diese Herrlichkeit es uns empfinden, daß wir eingeboren sind in die Schönheit der Natur, daß wir zu ihr gehören, ein Theil von ihr sind! Wie fühlt man sie aufwallen im Herzen, die Anbetung dessen, der uns diese schöne Welt geschaffen hat! – Und über ein Kleines, ein paar Stunden noch, wenn des Mondes Helle unserem Auge entschwunden sein, wenn das Dunkel uns umhüllen wird, so wird trotzdem das Licht, das jetzt von ihm in unsere Seelen gefallen, fortleuchten in uns, in aller seiner Schönheit, in unverlierbarer Erinnerung, fortleben und -leuchten wie die wahre Liebe, die auch ein Gottgegebenes und also auch ein Unverlierbares, ein Ewiges ist, obschon sie uns nicht wiederkehrt wie des Mondes holdes Licht.“

Ich habe diese Worte des guten Josias nie vergessen. Ich trage sie im Gedächtniß, als hätte ich sie eben durchlebt. Mir war es zu Muthe wie in der Kirche, so fromm, so still, so hingegeben, da ich Josias mit solchem Vertrauen aus seinem tiefsten Herzen zu mir reden hörte. – Er jedoch raffte sich plötzlich aus seinen Betrachtungen empor, und seine freundlichen Augen zu mir wendend, sprach er, seine Erzählung wieder aufnehmend:

„Was ich Dir bis jetzt berichtet, habe ich natürlich nur vom Hörensagen; nun aber kann und muß ich von mir selber und von meinem eigenen Erleben reden, und mein Erinnern reicht ein gut Ende zurück. Bis ich in mein siebentes Jahr gekommen bin, flossen meine Tage vorüber, wie sie einem einzigen Kinde in begüterter Familie auf dem Lande eben hingehen, und eines besonders lebhaften Eindrucks weiß ich mich nicht zu erinnern aus meiner ersten Kindheit. Ich war von je, wie Figura noch heute zeigt, ein großer starker Bursche gewesen, hatte mit sechs Jahren an dem Doktor Hartusius einen rechtschaffenen, gebildeten Erzieher bekommen, von dem ich mit Vergnügen lernte, weil mir das nicht schwer fiel. Zu meinem achten Geburtstage hatte mein Herr Pathe, der Graf, der zum Oefteren nach mir sah und dem ich sonntäglich in der Kirche die Hand zu küssen hatte, mir ein eigenes Pferd geschenkt, und bei dem wachsenden Wohlstand meiner Eltern, bei ihrer Zärtlichkeit für mich, lebte ich als ein seelenvergnügter Junge in dem Sonnenschein ihrer Liebe und des Glücks.

Der Vater hatte dem Könige leisten können, was zu thun er sich erboten. Er hatte eine Oberaufsicht in Benwitz geführt, obschon der bisherige Verwalter ihm diese Aufgabe nicht leicht gemacht. Er hatte Obstbäume, Maulbeerbäume gepflegt, Felder- und Wiesenstand durch bessere Düngung und Wasserableitung in ihrem Ertrag gehoben, und inzwischen hatten die Maßnahmen in der Verwaltung der Domänen sich geändert.

Man hatte die Erfahrung immer mehr bestätigt gefunden, daß nichts dabei herauskam, wenn der Staat die königlichen Güter selbst bewirthschafte, hatte also beschlossen, sie in Pacht zu geben, wobei denn den Pächtern die polizeiliche Macht, die Steuererhebung und die Gerichtsbarkeit auf denselben mit dem Titel königlicher Rentmeister zuerkannt und sie also in gewissem Sinne den königlichen Beamten und den adligen Gutsbesitzern gleichgestellt wurden. Daß man meinem Vater den Antrag machte, die Domäne zu pachten, verstand sich fast ebenso von selbst wie daß mein Vater ihn annahm, besonders da der König ihm gleichzeitig als Zeichen seiner bisherigen Zufriedenheit einen Orden verliehen; und ohne daß darüber gesprochen wurde, hatte sich in der Familie und in der Gegend die Meinung festgestellt, daß auch ich, wenn ich einmal soweit sein werde, die Domäne übernehmen, daß die Hohenzollern und die Courvilles zusammen bleiben würden – wobei denn immer in Erwähnung gebracht wurde, daß ich als ein reicher junger Mann die Welt sehen und ein Leben haben würde, wie ein solcher junger Mann sich’s wünscht. Durch meiner Mutter Sinn strich daneben wohl auch der Gedanke an Adelung durch des Königs Gnade, an eine vornehme Heirath für mich in Folge der Adelung; und die Idee war im Grunde keine vermessene.

So jung ich war, so verstand ich, da ich immer unter Erwachsenen lebte, das alles ebenso gut, wie ein Kronprinz es früh verstehen lernt, daß er für den Thron geboren ist. Aber der Mensch denkt und Gott lenkt! Es ist nicht gekommen, wie die Eltern es erwartet.

Um die Zeit nun, von welcher ich eben jetzt geredet, ging ich einmal mit Herrn Hartusius auf dem Wege nach Dambow spazieren. Er war ein feiner Mann, denn auf seine Manieren hielt man damals mehr als heut zu Tage. Er hatte eine gründliche Bildung genossen, in Leipzig und Weimar eine Weile unter den dortigen Schöngeistern gelebt und war von Gellert an Herrn Professor Ramler nach Berlin empfohlen worden. Durch diesen war er in unser Haus gekommen, sehr zur Befriedigung meiner Mutter, die eine poetische Seele hatte. Er machte sehr hübsche Verse, verfaßte auch alle die Gedichte, welche ich bei feierlichen Anlässen im Hause und zum Neujahr für meinen Herrn Pathen abzuschreiben und herzusagen hatte, und meine beiden Eltern besaßen an dem philologisch und ästhetisch gebildeten Manne einen sehr angenehmen Hausgenossen und verläßlichen Freund. Ihm verdanke ich meine eigene Freude an der Poesie und meine frühe Bekanntschaft mit unserer schönen Litteratur.

An dem Abende also waren wir noch nicht lange auf dem sonst stillen und einsamen Wege einhergeschritten, als wir uns vor einem Haufen von Leuten befanden, die sich zwischen den beiden letzten Wagen der Dambower Gerstenernte laut durch einander sprechend und wirr durch einander schreiend hin und her bewegten.

Die Binderinnen waren von den Wagen herunter, die Knechte von den Pferden gesprungen; es waren Leute aus dem Dorfe dazu gekommen, zu sehen was da vor sich gehe, und wie wir dann auch in gleicher Absicht herangetreten waren, hatten wir keine Mühe zu erkennen, um was es sich dort handelte.

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.

Ein muthiger deutscher Reisender. Die eben veröffentlichten „Erinnerungen an Gustav Nachtigal“ von Dorothea Berlin (Berlin, Gebrüder Paetel) geben uns ein Lebensbild des wackeren Mannes, großentheils nach seinen eigenen Aufzeichnungen und Mittheilungen: wir lernen den wissenschaftlichen Forscher zugleich als einen Berichterstatter von unverwüstlichem Humor kennen, der die afrikanischen Zustände mit feinster Laune zu schildern weiß.

Eine seiner kühnsten Thaten wird uns durch das Werk wieder in die Erinnerung zurückgerufen: es ist ein Besuch in Wadai im Jahre 1873. Eine Reise nach diesem Staate wurde damals für absolut lebensgefährlich gehalten: waren doch zwei deutsche Reisende, v. Beurmann und Vogel, dort die Opfer ihrer muthigen Unternehmung geworden; der erste war schon an der Grenze des Landes, der letztere in der Hauptstadt selbst erschlagen worden. Nach ihnen hatte nur G. Rohlfs 1866 den Versuch machen wollen, Wadai kennen zu lernen; er hatte deshalb ein Schreiben an den Sultan gerichtet; doch dieser hatte ihm erklärt, er könne und wolle ihn nicht beschützen. Trotz solcher wenig ermuthigenden Erfahrungen seiner Vorgänger wagte Nachtigal die Reise dorthin, ohne sich vorher bei dem Sultan anzumelden. Nur einen Empfehlungsbrief des Scheichs Omar von Bornu trug er bei sich und reiste in Begleitung eines gewöhnlichen Kaufmanns bis in das Herz des Landes.

In einer gewissen Entfernung von Abeschr, der Hauptstadt, wurde Halt gemacht und zu dem Sultan ein Bote geschickt, der ihm die Ankunft Nachtigal’s melden sollte und seine Absicht, ihn zu besuchen. Der Sultan gab hierauf keine Antwort, sondern schickte erst längere Zeit nachher einen Abgesandten mit dem Verlangen an Nachtigal, demselben seine Waffen und Pferde auszuliefern. Dieser antwortete: seine Waffen pflege er niemals abzulegen und ein Pferd habe er dem Sultan wohl zum Geschenk mitgebracht, wünsche ihm aber dasselbe persönlich zu übergeben. Als hierauf nichts Weiteres von Seiten des Sultans erfolgte, setzte Nachtigal

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_146.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)