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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

tapfersten Gegenwehr. Noch auf dem Schlachtfelde, während im eisernen Halbkreis die deutschen Heerscharen vordrangen, umarmte der König seinen Sohn und übergab ihm den Orden pour le mérite. In einem nur als Manuskript gedruckten Werke hat der Kronprinz seine Erfahrungen und Erlebnisse in diesem Kriege niedergelegt. Ebenso beschrieb er seine später im Jahre 1869 unternommene Reise nach dem Morgenlande, die ebenfalls nur als Manuskript gedruckt worden.

Der deutsch-französische Krieg 1870 rief ihn wieder ins Feld: ihm war das Oberkommando über die dritte Armee übergeben worden, welche die süddeutschen Truppen bildeten. Von dieser Armee kamen dem deutschen Volke die ersten ermuthigenden Siegesnachrichten zu: der Kampf bei Weißenburg, die Schlacht bei Wörth, in welcher General Mac Mahon bei aller Tapferkeit den deutschen Truppen unterlag, deren ausgezeichnete Führung der seinigen überlegen war. Und wieder sollte in der entscheidenden Schlacht von Sedan dem preußischen Kronprinzen zugleich mit dem Kronprinzen von Sachsen der Ruhm des eigentlichen Kampfes zufallen, während aus dem Hauptquartier des Königs der Schlachtplan hervorging, der das eiserne Netz um den gefangenen Feind zusammenzog. Der Sturz des Napoleonischen Kaiserthums, die Gefangennahme des großen Heeres und des mächtigen Monarchen sind glänzende Blätter im Ruhmesalbum des fürstlichen Heerführers. Als Paris eingeschlossen wurde, siegte der Kronprinz bei Villeneuve und Montrouge und half mit seinem Heere den unlöslichen Ring um des Feindes Hauptstadt bilden. In Versailles wurde er am 28. Oktober zugleich mit dem Prinzen Friedrich Karl zum General-Feldmarschall ernannt.

Am 18. Januar 1871, nachdem König Wilhelm zum deutschen Kaiser proklamirt worden, erhielt der Kronprinz die Würde als Kronprinz des Deutschen Reichs, den Titel kaiserliche Hoheit und nach der Unterzeichnung der Friedenspräliminarien in Berlin am 22. März das Großkreuz des Eisernen Kreuzes. Als General-Inspekteur der vierten Armee-Inspektion mußte er oft nach Süddeutschland sich begeben, wo ihm stets des Volkes wärmste Sympathien entgegenkamen.

Oft vertrat er in den letzten Jahren den Kaiser, in Wien und Stockholm, in Madrid und Rom. Nach dem Nobilingschen Attentat war er von Juni bis Dezember 1878 der Vertreter des Kaisers in allen Regierungsangelegenheiten, und im Jahre 1881 wohnte er als solcher dem Leichenbegängniß des Kaisers von Rußland in St. Petersburg bei.

Ein Freund der Wissenschaften und Künste, denen er seine Mußestunden weihte, hat er stets dem Gediegenen und Werthvollen seine Theilnahme geschenkt, mochte es sich um archäologische Studien handeln, um die Interessen der Gelehrsamkeit und Fragen des grauen Alterthums, wie bei den Ausgrabungen von Olympia, oder um Erzeugnisse neuer Dichtung, wie er denn Gustav Freytag, der in seinem Hauptquartier zum Theil den Feldzug von 1870 mitmachte, mehrfach ausgezeichnet hat und auf Emanuel Geibels Grab den verdienten Lorbeerkranz niederlegen ließ.

Volksthümlich war stets des Kaisers Art und Weise; die Soldaten im Kriege nannten ihn „unsern Fritz“ und zahlreiche Anekdoten berichten von seiner guten Laune, seinen glücklichen Einfällen, seinem leutseligen Sinne. Vorurtheilsfrei, ein Sohn der modernen Zeit, hat er stets das Vermächtniß des Großen Friedrich, die Toleranz in Glaubenssachen, vertreten und sich mehrfach in solchem Sinne beschwichtigend ausgesprochen, wenn mit erbittertem Fanatismus religiöse Gegensätze auf einander platzten.

Seine imponirende Heldengestalt hat noch bei der Jubiläumsfeier der Königin Viktoria im vorigen Jahre die Bewunderung der englischen Bevölkerung erregt: wie eine kräftige deutsche Eiche ragte er hervor unter den Lords der englischen Inseln, welche glänzend die Majestät umgaben, deren Scepter über alle Kontinente reicht.

Seitdem aber ist mit der schweren Erkrankung des allgemein beliebten Fürsten eine „Fluth des Wehs“, um mit dem englischen Dichter zu sprechen, über unser Land hereingebrochen: bange Befürchtungen lösten sich ab mit hoffnungsvollen Lichtblicken; alltäglich brachte der Telegraphendraht Berichte über das Befinden des erhabenen Kranken, und die Theilnahme des deutschen Volkes und aller Völker folgte diesen wechselvollen Berichten mit tiefer Niedergeschlagenheit oder auch mit gehobener Stimmung. Heiße Segenswünsche begleiteten den heimkehrenden Monarchen, den seine hohe Sendung und sein unerschütterliches Pflichtgefühl ins Vaterland zurückriefen. Hat doch die deutsche Kaiserkrone einen würdigen Träger gefunden, und berechtigt ist der in Millionen Herzen lebendige Wunsch, daß dieser Machtfülle in der Hand eines edlen und berufenen Fürsten eine lange Dauer beschieden sein möge.

Kaiserin Viktoria ist die älteste Tochter der Königin von England, die Princeß Royal von Großbritannien und Irland; sie ist geboren am 21. November 1840. Kaiser Friedrich ist mit ihr vermählt seit dem 25. Januar 1858. Von den Kindern dieser Ehe leben noch sechs: die Prinzen Wilhelm und Heinrich, die Prinzessinnen Charlotte, Viktoria, Sophie und Margarethe.

Die Kaiserin ist wie der Kaiser eine Freundin der Künste und Wissenschaften, welche in ihr eine erhabene Schutzherrin finden werden. Eine ausgezeichnete Gattin und Mutter, ist sie den deutschen Frauen ein leuchtendes Vorbild, und die treue Liebe, mit welcher sie den kranken Gatten pflegt, hat ihr die Herzen in unserem Volke zugewendet.

So begrüßt Deutschland sein Kaiserpaar mit warmer Huldigung, mit treuer Hingebung! Möge unter dem Scepter des Kaisers Friedrich über den deutschen Landen der Friede walten mit allen seinen Segnungen: aufblühendem Handel und Verkehr, glanzvoller Entfaltung von Kunst und Wissenschaft, schönem Einklang der Staatsmacht und der Volkswünsche, harmonischem Zusammenwirken der Parteien für das allgemeine Wohl! Das wird der Kaiser walten und das walte Gott!

Rudolf v. Gottschall.     




Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.
Das Eulenhaus.
Hinterlassener Roman von E. Marlitt.       Vollendet von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)


Auf die Mittheilung Beatens, daß Prinzeß Thekla mit ihrer Tochter Lothar in Neuhaus besuchen würden, gab Claudine keine Antwort. Es war so still in dem Zimmer, daß selbst das leise Ticken der kleinen brillantbesetzten Taschenuhr hörbar ward, die auf dem Schreibtischchen in zierlichem Perlmutterständer hing. Beate schaute sehnsüchtig durchs Fenster; sie wäre am liebsten gegangen. Sie dachte an ihren Hausfrauenposten, den sie heute, gerade heute treulos verlassen, und dann sah sie eine Männergestalt in dem dämmerigen Korridor des Neuhäuser Schlosses, wie sie vor einer Thür stand, auf der in Kreideschrift zu lesen war: „Verbotener Eingang!“ Und sie sah, wie dieser Mann den Kopf schüttelte und langsam umwendete. – Er durfte nicht so fort – nein, nein! Vielleicht käme er nie wieder!

Sie sprang plötzlich empor.

„Verzeih’, Claudine, ich möchte doch lieber heim; Du weißt, es ist allerlei zu besorgen.“ Die Lüge erstarb ihr auf den Lippen; sie war jäh erröthet. „Leb’ wohl, mein Schätzchen!“

„Adieu, Beate!“

„Um des Himmelswillen, Du bist krank, Claudine!“ rief Beate und starrte ihre Kousine an, erst jetzt bemerkend, daß deren Antlitz völlig entfärbt war.

„Nein, o nein!“ wehrte diese. Und jetzt zog eine wahre Purpurgluth über Stirn und Wangen. „Ich bin gesund, ganz gesund! Geh’ nur,“ drängte sie dann, „geh’, ich bin völlig kräftig, ich begleite Dich hinunter. – O, sicher hast Du noch vieles vorzubereiten und sage Joachim gleich, wenn Du ihn triffst, daß er fortgehe, ehe die Damen anlangen; er ist so scheu, weißt Du, so sonderbar.“

„Er braucht sie ja gar nicht zu sehen! Ich habe mein Zimmer für mich,“ murmelte Beate.

„O, da kennst Du Prinzeß Helene nicht!“ klang es bitter.

„So?“ fragte Beate, indem sie neben Claudine die Treppe hinunter schritt. „Na, da gieb mir doch einige Winke über diese kleine Prinzessin; von Lothar ist kein Wort herauszubringen.“

„Beate – ich – weißt Du, ich bin nicht unparteiisch genug, um gerecht zu sein. Sie mag mich nicht, glaube ich, und kehrt mir gegenüber stets die schnippische Seite heraus.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_182.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2019)