Seite:Die Gartenlaube (1888) 206.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Theilnahme Sie die höchsten Angelegenheiten des Menschen in Erwägung gezogen haben“ – schrieb Ehrenberg in den Widmungsworten der Druckschrift an den Prinzen. Die Welt hat mehr als dies gesehen; sie hat seitdem durch sieben Jahrzehnte die Thaten des Prinzen, nachmaligen Regenten, Königs und Kaisers mit den Worten dieses Gelöbnisses vergleichen können und erkannt, daß dieselben sich vollständig mit einander decken. Die eiserne Pflichttreue, die Geradheit und Einfachheit seines Wesens, das Gottvertrauen und die Demuth, die Pietät und Dankbarkeit gegen alle, welche ihm im Leben nahe gestanden, die Menschenfreundlichkeit, die Unbestechlichkeit und Gerechtigkeit seines Urtheils; alle diese trefflichen Charaktereigenschaften, die Freund und Feind an unserem dahingeschiedenen Kaiser bewunderten, finden wir schon in den Lebensgrundsätzen aufs deutlichste ausgeprägt, viele seiner späteren Regierungshandlungen klar vorgezeichnet.

Ehe er jedoch dazu kam, obige Grundsätze auf dem Throne zur Geltung zu bringen, galt es zunächst, während eines langen Zeitraums den Pflichten des militärischen Dienstes nachzukommen.

Bei seiner großen Veranlagung für diese Laufbahn, welche sich nicht nur auf dem Execirplatze und Manöverfelde, sondern für die eingeweihten Kreise auch in vielfacher schriftstellerischer Thätigkeit äußerte, konnte es dem ganzen an einem raschen militärischen Aufrücken in der dem Kriege folgenden Periode nicht fehlen.

So wurde er am 30. März 1817 zum Oberst, am 6. Juni zum Chef des Infanterie-, jetzt Königs-Grenadierregiments, am 28. Februar 1818 zum Kommandeur der ersten Garde-Infanteriebrigade und schon am 30. März desselben Jahres zum Generalmajor ernannt.

Welches Vertrauen König Friedrich Wilhelm III. in die militärischen Fähigkeiten seines Sohnes damals bereits setzte, geht daraus hervor, daß er während seiner Reise nach Petersburg dem kaum einundzwanzigjährigen Prinzen am 21. Mai 1818 die obere Leitung aller Militärangelegenheiten übertrug.

Am 22. März 1825, dem achtundzwanzigsten Geburtstage des Prinzen, wurde dieser durch seine Ernennung zum kommandirenden General des dritten Armeekorps ausgezeichnet, und endlich am 18. Juni, dem zehnten Jahrestage des Sieges bei Belle-Alliance, zum Generallieutenant befördert.

Besonders innig gestalteten sich in diesem Lebensabschnitte die Beziehungen des Prinzen Wilhelm zum russischen Kaiserhofe. Die Ahnung der Königin Luise, daß ihrer Tochter Charlotte noch einmal „eine glänzende Zukunft beschieden“ sei, hatte sich durch die Vermählung derselben mit dem Großfürsten Nikolaus von Rußland am 13. Juli 1817 erfüllt. Damals war dem Prinzen Wilhelm die Aufgabe zugefallen, seine geliebte Schwester dem künftigen Gatten in St. Petersburg zuzuführen. Seine bald darauf, 15. Februar 1818, erfolgte Ernennung zum Chef des Regiments Kaluga, in dessen Reihen er einst seine Feuertaufe empfangen, zeigte, wie hoch Kaiser Alexander den Prinzen schätzte. Galt diese erste für die Vermehrung der Welt- und Menschenkenntniß des Prinzen bedeutsame russische Reise, welche sich bis Moskau ausdehnte, einem frohen Ereigniß, so war der Zweck der zweiten Fahrt an den Zarenhof ein um so ernsterer. Diesmal, nämlich im Januar 1826, wohnte er als Vertreter seines Vaters dem Leichenbegängniß Kaiser Alexanders I., des treuen Alliirten Preußens, bei. Obschon der Schwager des Prinzen als Nikolaus I. nunmehr den Thron bestieg und seine Schwester Charlotte unter dem Namen Alexandra Feodorowna Kaiserin von Russland wurde, war sein Schmerz um den Verstorbenen gleichwohl ein gewaltiger. Er bezeichnete den Todesfall als ein entsetzliches Unglück, das Europa getroffen habe. „Ich gestehe,“ schrieb er am 16. Dezember 1825, „mein Innerstes ist wie umgekehrt; ich kann es noch immer nicht fassen, daß dieser herrliche Mann, diese großartige Seele, dieser Herrscher im wahren Sinn des Wortes nicht mehr ist! Und was verliere ich persönlich nicht im Kaiser!“

Im übrigen wäre über diesen wesentlich der immer höheren Vervollkommnung in seinem militärischen und künftigen Feldherrnberufe gewidmeten und auch durch keine großen historischen Ereignisse bezeichneten Lebensabschnitt des Prinzen Wilhelm für den Biographen nicht viel zu berichten, wenn nicht neuere Veröffentlichungen uns einen dankenswerthen Einblick sowohl in die Gemüthsstimmungen wie ist die politischen Auffassungen des Prinzen gerade in jenen Tagen gewährten. Es geschieht dies namentlich durch die Briefe, welche in den Denkwürdigkeiten aus dem Leben des schon wiederholt genannten Generals Oldwig von Natzmer (von einem Neffen des Verstorbenen im Jahre 1887 herausgegeben) mit Erlaubniß des Kaisers Wilhelm abgedruckt worden sind.

Natzmer, in welchem König Wilhelm nach seinem eigenhändigen Vermerk auf den ihm 1861 zur Durchsicht gegebenen Briefen „einen treuen bewährten Freund beweinte, an welchen ihn die dankbarsten Erinnerungen knüpfen,“ ist nicht nur ein hervorragender militärischer Lehrmeister und Berather des jungen Prinzen, sondern auch sein Vertrauter in der zarten Herzensangelegenheit gewesen, welche ihn während der zwanziger Jahre in Freud und Leid bewegte. Es handelt sich um die Neigung des Prinzen zu seiner Kousine und Jugendgespielin, der lieblichen Prinzeß Elise Radziwill, Tochter des Fürsten Anton Radziwill, Statthalters des Großherzogthums Posen, und der Prinzessin Luise von Preußen, einer Schwester des bei Saalfeld gefallenen Prinzen Louis Ferdinand.

General von Natzmer war ins April 1820 als Divisionskommandeur von Berlin nach Breslau versetzt worden. Darauf schreibt Prinz Wilhelm am 30. Mai desselben Jahres:

„Von unserer Trennung mag ich nicht mehr reden. Sie wissen, was Sie mir durch die lange Reihe von Jahren, die wir beisammen verlebten, geworden sind, und wie verbindlich ich Ihnen stets bleiben muß für die Zeit, wo wir in näherer Verbindung zu einander standen. Freunde vergessen sich nicht in der Entfernung: dies soll, denke ich, unser Fall sein.“ Ein schönes, den fürstlichen Schreiber als Menschen ehrendes Wort.

Aus demselben Briefe ersehen wir, daß die Aerzte dem Prinzen damals eine Badereise anempfohlen hatten.

„Genehmigt hat sie der König, doch sich vorläufig für Teplitz erklärt; sämmtliche Fakultät findet es aber für das erste Mal zu angreifend für mich,“ schreibt der Prinz, „und dringt auf Warmbrunn, weil die thüringischen Bäder zu entfernt. Wie gerne ich nach Schlesien käme, wissen Sie, einmal Sie zu sehen, zweitens weil ich im Lande bleibe; morgen soll es sich entscheiden. Karl (sein jüngerer Bruder) und ich gehen nach Stargard, von dort nach Stralsund und Rügen.“

Es war aber offenbar noch ein dritter Magnet, welcher den Prinzen gerade in die schlesischen Bäder zog. Wiederholt werden im weiteren Verlauf des Briefes Festlichkeiten bei der Prinzessin Luise Radziwill erwähnt, vom Abend vorher eine musikalische Soireé, bei welcher der nach Berlin berufene Spontini eingeführt; wurden dann fährt der Prinz fort:

„Wie mir Prinzeß Luise (Radziwill) mitgetheilt hat, denkt sie Anfang Juli nach Salzbrunn zu gehen und dann nach Landeck. Auch aus dieser Rücksicht ginge ich gern nach Warmbrunn.“

Auch die Prinzessin Luise Radziwill wandte sich um Rath wegen ihrer Badereise an Natzmer. Dieser entschied sich dafür, der Familie Radziwill als Wohnung das nahe bei Warmbrunn gelegene Fürstenstein zu empfehlen. Die Prinzessin war dankbar für die getroffene Wahl und schreibt an Natzmer unter dem 22. Juli 1820:

„Die Reise des Prinzen Wilhelm ist nun auch entschieden, er geht nach Schlesien … Prinz Wilhelm will über Fürstenstein reisen. Ich hoffe, Sie erwarten ihn bei uns. “

An dem gleichen Tage berichtet Prinz Wilhelm seinem älterem Freunde mit sichtbarer Genugthuung ebenfalls , daß der König auf den wiederholten Rath der Aerzte Bad Landeck für ihn bestimmt habe, und fügt hinzu:

„Ich gedenke, den 6. August bis Glogau zu gehen, das erste Bataillon meines Regiments und die Festung, den 9. Liegnitz, 10. Schweidnitz, das zweite und Füsilierbataillon zu sehen, Mittags nach Fürstenstein und den 12. über Peterswaldau nach Landeck zu gehen. Ich freue mich außerordentlich der Reise!“

Der Herausgeber der Denkwürdigkeiten, Gneomar Ernst von Natzmer, bemerkt an dieser Stelle: „Der Prinz interessirte sich für die junge Prinzeß Elise Radziwill. Als ihr Zusammentreffen in Schlesien viele in der Meinung bestärkte, daß an eine Verbindung zu denken sei, beunruhigte dieser Gedanke den Prinzen, sobald er davon hörte. Er schüttete darüber sein Herz zu Natzmer aus, der sein Vertrauter war.“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_206.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)