Seite:Die Gartenlaube (1888) 211.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

besonderen Zweck verfolgend, so schnell wie möglich den vordem so schwererrungenen Platz zu verlassen.

Als der Trauerzug die Siegesallee erreicht hatte, gaben die Stabsoffiziere die Führung an acht Lieutenants von den Leibregimentern ab. Auch die den Baldachin tragenden Generale wurden von Hauptleuten abgelöst, und die Spitze des Gefolges nahm in den bereitstehenden Wagen Platz.

Die Könige, Fürsten und Prinzen fuhren nach Charlottenburg.

Vale senex imperator! Fahre wohl, greiser Kaiser! stand an dem Siegesbogen des Brandenburger Thores, und auf der Thiergartenseite des Thores „Gott segne deinen Ausgang!“ Einfache, durch ihre Einfachheit unendlich ergreifende Inschriften.

Wenn die Leser dieses Blatt an die Hand nehmen, ruht Kaiser Wilhelm, dem die Stadt Berlin diese letzten Worte zurief, in der Tiefe des Mausoleums in Charlottenburg. Man wird dahin wallfahrten Jahrhunderte und drüber hinaus. Wie man nicht in Potsdam gewesen sein kann, ohne in der Garnisonkirche in dem kargen, kalkweiß gestrichenen Grabgewölbe den einfachen, völlig schmucklosen, grauen Sarg Friedrichs des Großen gesehen zu haben, so wird auch der Fremde nicht nach Berlin kommen, ohne das Charlottenburger Mausoleum in Augenschein zu nehmen, das durch Bauart und Lichteinlaß an und für sich eine Todtenkapelle ist, wie es vielleicht wenige giebt.

Drei große preußische Herrscher, Fürsten, welche die gesammte Welt mit Staunen, Ehrfurcht und Bewunderung erfüllt haben, liegen nun begraben: der große Kurfürst, der große Friedrich und der große Kaiser Wilhelm der Erste!

Wer dem letzteren nachfolgt in seinen Tugenden, wird ein ganzer Mann sein. Und ganze Männer braucht die Zeit, braucht das heutige Dasein: der Staat und die Familie. Das gegenwärtige wie das nachfolgende Geschlecht kann den großen Todten nicht besser ehren, als daß es in seine Fußstapfen tritt, und da er ein leuchtendes Beispiel bleibt, wird er noch weit über das Grab hinaus im deutschen Volke wirken, welches ihm eine Liebe entgegentrug, die in der Weltgeschichte wohl nicht ihresgleichen gehabt hat. – Friede seiner Asche!

Am Mausoleum zu Charlottenburg.
Originalzeichnung von H. Lüders.




Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.
Josias.
Eine Geschichte aus alter Zeit von Fanny Lewald.
(Fortsetzung)

Der nächste Tag verging – so fängt das neue Kapitel an in der Tante Tagebuch – und noch ein anderer. Bei allem, was ich that, dachte ich nur an Josias, an den Grafen, an Franulls Tod und an ihr Kind. Ich träumte davon in der Nacht. Ich schien mir älter geworden und kam mir wichtiger vor, weil ich das Vertrauen unseres Freundes gewonnen hatte, und auch – ich schildere mich nicht besser, als ich mit meinen zwanzig Jahren war – weil ich mich im Besitze eines Geheimnisses wußte, das meinen Eltern vorenthalten worden. Ich wartete ungeduldig auf die Stunde, in welcher ich wieder einmal mit Josias allein sein würde; er jedoch suchte offenbar nicht nach der Gelegenheit, und nicht mich allein wollte es bedünken, als sei er nicht so gut aufgelegt wie bis dahin.

Am dritten Nachmittag fuhr der Vater wie an jedem Sonnabend, und es war ein solcher, zur Stadt ins Geschäft, sich die Wochenrechnungen vorlegen zu lassen. Die Mutter, Josias und ich waren allein beisammen und sie sagte zu ihm, allerdings sei es nicht schicklich, einem Gaste bemerkbar zu machen, daß man an ihm seine gewohnte gute Laune vermisse; es sei ihr jedoch so viel werth, ihn unter unserm Dache zufriedenzustellen, daß sie ihn bäte, ihr zu sagen, ob er irgend etwas entbehre oder ob etwas geschehe, was ihm nicht zusagend sei und was man ändern könne.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_211.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)