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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Beziehungen mit dem österreichischen Kaiserstaate benutzt, wozu schon die maßvollen Bedingungen des Prager Friedens den Weg erleichtert hatten. Zwischen den Bevölkerungen Deutschlands und Oesterreichs ist ja die Stammessympathie stets lebendig geblieben. Die Trennung war schmerzlich, aber nach der ganzen Gestaltung der vielsprachigen habsburgischen Monarchie politisch notwendig und die blutige Auseinandersetzung von 1866 nur gegen die frühere Wiener Kabinettspolitik gerichtet gewesen.

„Euch Brüdern nimmer galt der Krieg,
Nur jetzt vergeßnen Tücken! –
Habt Dank, daß ihr uns dann zum Sieg
So treu gedeckt den Rücken!
Und ob getrennt durch äußre Macht –
Laßt Brust an Brust uns stehen!
Und streitet in der Geistesschlacht,
Wo Deutschlands Banner wehen!“

Gleiche Sorgfalt wurde auf die Erhaltung der guten nachbarlichen Beziehungen zu Rußland gelegt.

In der Zeit vom 5. bis 11. September 1872 zog die Dreikaiserzusammenkunft – welche von einer Zusammenkunft der drei Kanzler, Bismarcks, Gortschakows und des an die Stelle Beusts getretenen Andrassy, begleitet war – die Augen der ganzen Welt nach Berlin. Die hierdurch bekräftigte Friedensliga der drei Reiche übte auch auf andere Staaten, so Italien, große Anziehungskraft aus, wie der Besuch Viktor Emanuels in Berlin im September des folgenden Jahres bezeugte.

Bis zu Ende des russisch-türkischen Krieges blieb das Dreikaiserverhältniß ungetrübt bestehen, und auch nach dem Vertrag von St. Stephano übernahm Fürst Bismarck mit Zustimmung des Kaisers auf dringenden Wunsch Rußlands die Geschäfte eines ehrlichen „Maklers“. Vom 13. Juni bis 15. Juli 1878 tagte der europäische Kongreß zur Lösung der orientalischen Wirren unter Vorsitz des deutschen Reichskanzlers in Berlin. Die Rolle Deutschlands als führende politische Macht, die Stellung Kaiser Wilhelms als Hort des europäischen Friedens war damit allseitig anerkannt.

Aber die Niederlage, welche die Diplomatie Gortschakows durch ihre eigene Unfähigkeit auf dem Kongreß erlitt, und welche dieser – obschon es aktenmäßig festgestellt ist, daß Bismarck alle russischen Anträge unterstützte – der Hinterhaltigkeit des deutschen Reichskanzlers in die Schuhe schob, ward in der Folge die Veranlassung zum langsamen Erkalten der bisherigen Herzlichkeit zwischen den beiden Nachbarn. Es kam so weit, daß Gortschakow geheime Unterhandlungen über ein russisch-französisches Bündniß anknüpfte. Da entschloß Bismarck sich in klarer Erkenntnis der Lage, an die Stelle des seinen Dienst versagenden Dreibunds das Zweikaiserbündniß treten zu lassen.

Sein pflichttreuer Herrscher aber, so schwer ihm die theilweise Abwendung von seinem früheren besten Alliierten und theuren Verwandten auch wurde, fügte sich wie stets auch hier der Forderung, welche die in erster Linie stehende Sicherheit des Reiches an ihn stellte.

Wie scharf die Leiter der auswärtigen deutschen Politik damals in die Zukunft geschaut hatten, bewiesen am deutlichsten die Enthüllungen der jüngst verflossenen Zeit.

Jenes Vertheidigungsbündniß des Deutschen Reiches mit Oesterreich-Ungarn bildete fortan den festen Kern, um den sich nach und nach die neue große Friedensliga krystallisierte. Wenn die friedliche Entwickelung der europäischen Kulturvölker durch viele Jahre von kriegerischen Unternehmungen verschont wurde, und wenn trotz der gespannten Weltlage auch heute der Friede für lange Zeit gesichert erscheint, so verdankt dies Europa in erster Linie der weisen Politik Kaiser Wilhelms I. und seines treuesten Rathgebers. Italien war die erste Macht, welche den Anschluß an die Friedensliga wünschte und erhielt; Rumänien, Serbien, Spanien und andere Staaten suchten ebenfalls Fühlung mit dem Bande der beiden mitteleuropäischen Kaiserreiche zu bekommen. Die Besuche der fremden Fürstlichkeiten am Hoflager des Deutschen Kaisers zu Homburg v. d. H. im September 1883 legten beredtes Zeugniß hierfür ab. Inmitten einer glänzenden Versammlung auswärtiger gekrönter Häupter und Prinzen, wie der Könige von Spanien und Serbien, der Thronfolger von Portugal und England, der Herzöge von Cambridge und Connaught – deutscher Fürsten, wie des Königs von Sachsen, der Großherzoge von Hessen und Sachsen-Weimar, und der Vertreter fast aller Armeen der Welt nahm Kaiser Wilhelm in Begleitung des Kronprinzen und seiner Enkel, des Prinzen Wilhelm und des Erbgroßherzogs von Baden, die Paraden und Manöver des XI. Armeekorps ab. Er stand auf der Höhe seiner Macht und seines Einflusses in Europa – ein Friedensfürst im vollsten Sinne des Wortes.

Und während der König Alfons von Spanien auf seiner Rückreise über Paris von denn Pöbel Frankreichs ausgepfiffen und als „Ulanenkönig“ beschimpft wurde, ging Kaiser Wilhelm von Homburg auf den Niederwald und enthüllte, umgeben von zahlreichen deutschen Fürstlichkeiten, Vertretern der gesammten Armeen und der Nation unter denn Jubelrufe der Tausende und aber Tausende, welche auf den sonnigen Höhen des Rheingaues, auf den beflaggten Schiffen des grünleuchtenden Stromes dem erhebenden Schauspiel beiwohnten – das Nationaldenkmal zum Gedächtniß der in Frankreich Gefallenen, zur bleibenden Erinnerung an die Heldenthaten der deutschen Heere und an die Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches.

Wahrlich, eine würdigere Antwort auf diese damalige und seitdem, wie oft schon, immer wieder erneute Herausforderung unserer unversöhnlichen Nachbarn jenseit der Vogesen konnte es nicht geben. Auf den Wink des Kaisers fiel die Hülle. Kanonen donnerten, Trompeten schmetterten und tausendstimmig stieg aus dem weiten Rheinthal das Schutz- und Trutzlied der Deutschen, „die Wacht am Rhein“, zur Höhe empor. Droben aber, die in herrlichem Erzbilde enthüllte Germania,

– – sie steht in erhabener Schau,
Als wolle sie Künftiges lesen –
Zu Füßen des Rheines leuchtender Gau,
Fern dämmernd die ernsten Vogesen.
So hält sie im Frieden die heilige Wacht –
Doch ruft man sie frevelnd zum Kriege,
Dann steigt sie gerüstet hernieder zur Schlacht
Und führt uns von neuem zum Siege.

(Schluß folgt.)




Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.
Josias.
Eine Geschichte aus alter Zeit von Fanny Lewald.
(Schluß.)

Alle unsere Verhältnisse waren von meinem Vater auf das sorgfältigste geordnet. Wir waren reiche Leute. Es haftete keine Schuld auf meinem Gute, außer dem eingebrachten Vermögen meiner Mutter, das ich ihr zu verzinsen hatte. Als das Ende des August und mit ihm meine Mündigkeit gekommen war, legte der Graf mein Vermögen in meine Hände, und ich konnte nach eigenem Ermessen vorwärts gehen. Die Ernte war sehr reich ausgefallen, ich hatte mit einem eigenen Boten einen Erntekranz nach Berlin auf meines Vaters Grab geschickt, geflochten aus den Aehren, zu denen er noch die Saaten hatte streuen lassen, und der Erntetanz und das Erntebier hatten unseren Leuten nicht gefehlt.

Mit dem Beginn des Herbstes gab es mehr und mehr für mich zu thun. Die Bestellung der Felder, der Forst nahmen mich in Anspruch. Ich hatte die beiden letzten Jahre nur mir selbst und dem Genuß gelebt; ich fand jetzt in der Arbeit fast größere Befriedigung als in dem Reiseleben; und betraf ich mich darauf, daß ich nach einem Vorwand suchte, der mich nach Dambow führen konnte, so wies ich ihn zurück. Neben meinen anderen Beschäftigungen spielte ich Komödie mit mir und betrog, wie ich wußte, mich mit tugendhafter Lüge.

Sah ich doch an jedem Sonntag in der Kirche, wie Franull sich immer strahlender entfaltete! Konnte ich sie doch ungestört

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_251.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)