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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

beide in Bonn ordnungsmäßig immatrikulirt, und ihr erster Besuch führte sie – zum alten Arndt. Die drei ihnen vergönnten Semester benutzten und genossen sie so, daß ihnen nur liebe Erinnerungen an sie blieben. Das Ende der akademischen Herrlichkeit war zugleich das Ende ihres Zusammenlebens: „der Ernst des Lebens wies jedem von beiden seinen besonderen Weg.“ Hören wir hierüber den Prinzen Albert. „Die Trennung,“ so schreibt er am 26. Oktober 1838 an Prinz Löwenstein, „wird uns furchtbar schwer werden; wir waren bis jetzt, so lange wir denken, keiner noch einen Tag ohne den andern. Ich mag mir den Augenblick gar nicht vergegenwärtigen.“ Ja, das Leben eines jeden von ihnen war so ganz in das des anderen aufgegangen, daß Albert bei der Mittheilung der Abreise seines Bruders an die Großmutter in Gotha sich mit peinlichem Schrecken bewußt wird, daß er sich jetzt das „Wir“ abgewöhnen und sich von nun an des so egoistischen und kalt lautenden „Ich“ bedienen müsse. („Das Leben des Prinzen Albert“ von Martin.)[1]

Ernst II., Herzog von Sachsen-Koburg und Gotha.

Albert mußte nun die Vorbereitungen für die englische Verbindung beginnen, er sollte den Winter in Italien zubringen, während Ernst nach Dresden ging, um als Rittmeister in das Gardereiterregiment einzutreten. Aber noch einmal feierte die Freundschaft der Brüder einen Triumph; als am 21. Juni 1839 Ernst mit dem 21. Lebensjahre seine Mündigkeit erreicht hatte, wurde durch einen besonderen Akt der Gesetzgebung auch Albert für mündig erklärt, und zwar, wie die väterliche Urkunde betont: „in Anerkennung des zwischen unseren vielgeliebten beiden Söhnen bestehenden innigen und liebevollen Verhältnisses, welches uns und ihnen es wünschenswert macht, daß sie sich eines so wichtigen und bedeutungsvollen Ereignisses gleichzeitig erfreuen mögen.“

Am 15. Oktober 1839 war die Verlobung, am 10. Februar 1840 die Vermählung Alberts mit Königin Viktoria erfolgt. Während Albert sich seinem neuen Beruf widmete, setzte Ernst sein Soldatenleben in Dresden fort, bis auch ihm die Ehepforte winkte. Auch die Gattin verdankte er einem Winke seines Bruders. Auf seinen Rath begab er sich, nachdem die ihm sehr gewogene Königin von Sachsen ihm einleitende Vermittelung zugesagt, mit Beistimmung seines Vaters an den Hof von Karlsruhe. Obwohl von den Eltern der Prinzessin freundlich aufgenommen, stellten doch beide sich fremd für den Zweck jenes Besuches; er mußte ihn endlich selbst aussprechen und erfuhr nun, daß sie mit ihrer Einwilligung auf die der Tochter warteten. Die Prinzessin kam und die Eltern gingen, um die jungen Leute sich selbst zu überlassen. „Es war ein Moment der Sprachlosigkeit,“ erzählt der Herzog – „aber da galt’s kein Zögern und – so sagte ich gerade heraus, daß ich gekommen sei, nur um ihre Hand zu werben. Entweder erklären Sie, daß Sie mit meiner Absicht einverstanden sind, und alsdann bleibe ich und wir lernen uns näher kennen, oder – ich verlasse dieses Haus in der guten Ueberzeugung, daß niemand weiter von der Sache erfährt, die sich hier zugetragen hat.“

Und die Prinzessin? – Sie sagte. „Es könne ihr nichts besser gefallen, als einen Mann zu finden, der so gerade heraus, frei und ehrlich mit ihr spreche, – das Sichkennenlernen führe im Leben oft erst recht zu Täuschungen, und das Beste wäre Glauben und Vertrauen. So schlug sie ein und erklärte, daß wir gleich als verlobte Brautleute erscheinen könnten.“

Das war die Brautwerbung, die den Herzog so glücklich machte, daß er (am 7. April) an König Leopold schreiben konnte. „An Alexandrine hat mich der Himmel finden lassen, was nur je für mich zu wünschen war.“ Die Hochzeit fand schon am 3. Mai 1842 statt und die Honigmonate verlebten sie bei dem englischen Ehepaare. Im nächsten Jahre, 20. April 1843, hatten sie im Auftrag des Vaters der Vermählung des Vetters August (von Koburg-Kohary) mit Prinzessin Clementine beizuwohnen, ohne zu ahnen, daß schon der erste Mond des nächsten Jahres sie an den Sarg des Vaters stellen sollte. Herzog Ernst I. war am 29. Januar 1844 in Gotha gestorben.

Vom Regierungsantritt Herzog Ernsts II. in Koburg und Gotha bis zum Jahre 1848 ist’s nur ein Zeitraum von vier Jahren, aber der Herzog wußte diese in beiden Ländern so zu verwenden, daß der Sturm jenes Jahres sie nur wenig erschütterte. Was er aber in den Jahren der Erhebung und des Rückgangs in Schleswig-Holstein, für das Parlament von Erfurt, für den Fürstenbund gewirkt und gelitten bis zum Untergang der letzten Hoffnung, daß Deutschland durch Preußen gerettet werde, in Olmütz: darüber kann man nicht kurz berichten, das muß man lesen, um Geist und Herz des Verfassers des Buches gerecht zu würdigen. So weit führt uns der erste Band des fürstlichen Geschichtswerkes. Vom geistigen Zusammenleben der Brüder bis zu Alberts Tode, am 14. Dezember 1861, würde der folgende Band des Werkes gerade über die großartig entfaltete Wirksamkeit des Prinz-Gemahls in England selbst, wie über seine steigende Theilnahme an den Schicksalen Deutschlands gewiß ebenso viel Erquickendes wie Erschütterndes bringen. Der Herzog übergiebt, wie wir hören, nur bis zum Jahre 1871 seine Erinnerungen der Oeffentlichkeit. Wir fühlen im Voraus, mit welchem aufleuchtenden Auge Herzog Ernst das Ende seines Buchs dahin setzt, wo alles erreicht war, was auch er sein ganzes Leben lang offen, treu und redlich erstrebt hat. Verlangt jemand noch ein Zeugniß dafür? Hier stehe es aus dem Buche selbst: „Es war in Versailles, an jenem 18. Januar, wo die Fürsten unmittelbar vor dem Beginn der weltberühmten Feierlichkeit sich um den Kaiser versammelt hatten. Als er mich begrüßte, sprach er öffentlich die folgenden Worte.

‚Ich vergesse nicht, daß ich die Hauptsache des heutigen Tages Deinen Bestrebungen mit zu danken habe. ’

Der Kaiser bezeichnete damit, nur in allzu persönlicher Weise, wie sich im momentanen Drang der Gefühle leicht erklärte, die Thatsache, daß das Eintrachtswerk nie gelungen wäre, wenn nicht eine Anzahl von gesinnungstreuen Männern durch ein halbes Leben die Bausteine zusammengetragen hätten.“ – Wer zweifelt an einem Zeugniß, das dem Herzog Ernst sein Kaiser Wilhelm ausgestellt hat?

  1. Auch poetische Zeugnisse sind für das ungeschwächte Gefühl dieses Trennungsleides vorhanden. So liegt vor mir ein „Gruß an den Bruder“:

    „Hat so lang’ mein Lied geschwiegen,
    Soll es heute auferstehn
    Und aus süßem Schlaf Dich wiegen
    Durch der Klänge zartes Wehn.
    Ist auch noch so weit die Reise,
    Trägt’s ein Zephyr hin zu Dir,
    Und es flüstert dann ganz leise:
    ‚Denkst des Bruders Du auch hier?‘
    Von der Heimath, von dem Norden
    Von der Jugend stillem Glück
    Spricht es, schwebend in Accorden,
    Leitet hierher Deinen Blick.“

    Dieser des Bruders zarterem Gemüth so sinnig angepaßte Gruß steht in einer fürstlich ausgestatteten Sammlung von Poesien, die unter dem Titel. „Aus frühen Tagen. Gedichte von E. H. z. S.“ – „als Manuskript gedruckt“ sind und nur als Geschenk des Herzogs in andere Hände kommen.

    D. V.     
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_283.jpg&oldid=- (Version vom 24.7.2016)