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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Auf dem Kaminsims brannte ein einziges Licht des Armleuchters, genau wie an jenem unseligen Abend.

Ueber die Stirn Sr. Hoheit rann kalter Angstschweiß.

„Nur noch soviel Frist,“ sagte er halblaut, „um ihr alles zu erklären, nur soviel, daß sie nicht sterben muß in dem Glauben, ich sei schuldig.“

Es ist doch etwas Großes, Heiliges um die Liebe einer Frau. Sie hatte ihn vergöttert trotz aller seiner Fehler, trotz aller Kälte, aller Gleichgültigkeit. Er glaubte ihre Augen auf sich gerichtet zu sehen mit dem alten innigen Leuchten, von dem er so oft ungeduldig den Blick gewandt. Er hörte die sanfte Stimme, wie sie in dem scherzhaft angenommenen Landesdialekt sprach. „Gelt, mein Adalbert?“ Sie hatte immer so still dahin gelebt, so dankbar für jeden Liebesbrocken, den er ihr zuwarf, so selig über ein zärtliches Wort, so bescheiden in ihren Ansprüchen. Ihre kleinen Fehler, ihre Schwächen, die ihn so unerträglich gedünkt, wie gering erschienen sie ihm in dieser Stunde!

Er stand am Fenster still und dachte an den Tag heute vor elf Jahren. Auch damals hatte man um ihr Leben gebangt; er sah sich an ihrem Lager, an der Wiege seines Erstgeborenen – sie hatte so blaß dagelegen, nur ihre Augen hatten gestrahlt, trotz aller Mattigkeit hatte sie so stolz gelächelt. Er hatte damals nur formelle Dankesworte gehabt für sie, sein ganzes Interesse war dem Kinde zugeflogen, dem Erben – sie hatte ja nur ihre Pflicht erfüllt. –

Er lehnte plötzlich den Kopf an die Scheiben und wischte sich heimlich über die Augen. Wollte man noch nicht berichten, wie es dort drüben stand?

Das ganze Schloß lag wie unter einem unheimlichen Banne; auf den Korridoren brannten die Lampen trübe und standen die Lakaien mit verstörten Gesichtern; unten im Kavalierzimmer saßen die Herren des Hofes zusammen, aber sie sprachen nur flüsternd mit einander. In den Räumen der fürstlichen Kinder blickten sich die Gouvernante und die Wärterin des kleinen Prinzen traurig in die Augen, und in den Souterrains wisperte die Dienerschaft und erzählte sich grausige Geschichten. Die alte Leinenschließerin hatte deutlich vorhin im Mondschein die weiße Frau auf der großen Treppe im linken Flügel gesehen; so ganz langsam, Stufe für Stufe sei sie gegangen, so schwer und gebückt, wie das Gespenst bei bevorstehenden Todesfällen zu gehen pflegte; und die Alte machte es vor und die Augen der Zuhörer wurden groß vor Entsetzen.

Alle wußten, daß noch ein letzter Versuch unternommen werde zur Rettung der Kranken; der Name des Fräulein von Gerold war in aller Munde.

In Herrn von Palmers Zimmer saß Frau von Berg; sie war von der Durchlauchtigsten Mama geschickt, die Prinzessin zu holen. Da hatte sie denn die Gelegenheit benutzt, dem Freunde „Guten Abend“ zu bieten, nach dem Stande der Dinge zu fragen und das Unerhörte zu vermelden, daß der Baron in Gegenwart der Prinzeß Thekla bei der Herzogin-Mutter um seine Kousine angehalten habe.

Die schöne Frau war einfach fassungslos darüber. „Wenn ich nur die Prinzeß erst glücklich im Wagen hätte!“ klagte sie in dem Gemache auf und ab schreitend, während Herr von Palmer sich nervös im Schaukelstuhl wiegte, „sie macht noch die größten Tollheiten in ihren Bußanwandlungen.“

Ja, die Prinzessin, wo war die Prinzessin?

Die alte Leinenschließerin hatte die weiße Frau gesehen; es war die kleine Prinzeß gewesen; und daß sie so schwer und gebückt ging, das machte die Seelenangst bei der Nachricht, daß es mit Ihrer Hoheit zum Sterben komme und daß auch Fräulein von Gerold in Gefahr sei. Sie hatte es aus den abgerissenen Worten der alten Kammerfrau entnommen, die sie unten getroffen bei der Leinenschließerin, als sie aus dem Garten zurückkehrte, in den die Angst sie getrieben, weit, weit dort unten, wo man nichts mehr sah vom Schlosse, in welches das Unglück eingezogen durch ihre Schuld.

Als sie dann mit wankenden Schritten hineingegangen in eins der Gemächer der Herzogin, da hatte der Herzog am Fenster gestanden, und als er sich umgewendet, hatte sie in der trüben spärlichen Beleuchtung auf dem schönen, sonst so kühlen, unbewegten Gesichte desselben eine tiefe Erschütterung gesehen, und an den Augen Thränenspuren. Das war mehr, als sie ertragen konnte!

In undeutlicher verworrener Weise, fast schreiend, klagte sie sich an und gestand alles, indem sie vor ihm auf den Knieen lag, seine Hand in der ihren. Er unterbrach sie mit keinem Worte, er that nur eine Frage, als sie erschöpft schwieg.

„Den Brief, Helene? Wie, um Gotteswillen, kamen Sie zu dem einzigen Brief, den ich je an Claudine geschrieben und der offenbar völlig falsch verstanden worden ist von der Herzogin?“

„Hoheit baten darin, daß Claudine trotzdem eine Freundin Ihrer Gemahlin bleiben sollte.“

„Trotzdem ich Fräulein von Gerold beleidigt hatte – allerdings!“

„Vetter, Vetter, bestrafen Sie mich!“ rief die Prinzessin außer sich, „sagen Sie, was ich thun soll, um wieder gutzumachen –“

Er zuckte die Schultern. „Wie kamen Sie zu dem Briefe?“

„Frau von Berg –“ stammelte die Prinzessin und sank wie gebrochen zusammen. Der Herzog hob sie empor und geleitete sie zum nächsten Fauteuil. Er hatte kein Wort mehr für sie; er wandte sich kurz und verließ das Zimmer.

(Fortsetzung folgt.)




Entfettung.
Von Professor Dr. E. Heinrich Kisch.

Seitdem vor 25 Jahren der dickleibige Engländer William Banting in einem Aufsehen erregenden, an das Publikum gerichteten öffentlichen Briefe (Letter on corpulence addressed to the public) eine einfache diätetische Behandlungsweise allen jenen empfahl, die sich ihres belästigenden Fettüberflusses entäußern wollen, sind mannigfache und zahlreiche Entfettungsmethoden aufgetaucht und verschwunden, angepriesen und verlassen worden. Der gesunde Gedanke aber, welcher in jenem drastisch schildernden Schriftchen des praktischen Engländers scharfen Ausdruck fand, ist lebendig geblieben und sowohl die Erforschung der als Fettleibigkeit bekannten Stoffwechselerkrankung als die Aufhellung der Ernährungsvorgänge des menschlichen Körpers haben dargethan, daß die Behandlung des in Rede stehenden Leidens vor allem eine diätetische, auf zweckentsprechende Aenderung der Ernährungs- und Lebensweise des Individuums gerichtete sein muß.

Um die Fettleibigkeit und ihre Folgezustände, welche wir in einem früheren Artikel („Gartenlaube“ Jahrgang 1885, Nr. 16) geschildert haben, zu bekämpfen, giebt es sehr viele Mittel und Methoden. Die Abnahme des übermäßigen Fettes kann in der mannigfachsten Weise sehr gründlich und sehr rasch zu Stande gebracht werden: durch Hungern oder einseitige Ernährung, durch Abführen oder Schwitzen, durch Dürsten oder Abhetzen – aber dies sind keineswegs schonende, für den Normalbestand des Organismus ungefährliche, sondern ins Gegentheile sehr angreifende, den ganzen Aufbau des Körpers leicht schädigende Mittel. Im großen Publikum herrscht in dieser Richtung sowie in den meisten die Gesundheit betreffenden Dingen oft ein ganz merkwürdiger Unverstand. Der hochgradig Fettleibige, welcher sich durch den Fettballast irgend unbehaglich fühlt, will durchaus in möglichst kurzer Zeit die denkbar größte Fettmenge verlieren, und so entsteht eine Jagd nach dem Arzte und der Methode, die am meisten Kilo Fett zum Schwinden bringen. Pillen, mittelst deren versprochen wird, das Fett nur so weg schwinden zu lassen, finden reißenden Absatz, und Aerzte, welche rasch abmagernde Mittel geben, haben riesigen Zulauf. Solche rasche und gewaltsame Verminderung des Körperfettes hat aber die wesentlichsten Nachtheile, indem hierdurch eine schwere mechanische Störung wichtiger Organe, besonders eine bedrohliche Erschütterung der Struktur des Herzmuskels herbeigeführt, andrerseits auch eine bedeutende Schädigung des Eiweißbestandes des Organismus, eine fühlbare Beeinträchtigung der Ernährung der Muskeln und Nerven sowie der Bildung der rothen Blutkörperchen veranlaßt wird.

Nur auf schonende Weise darf vielmehr eine allmähliche und stetige Förderung des Fettverbrauches erzielt, nur in einer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_330.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2016)