Seite:Die Gartenlaube (1888) 373.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.
Das Eulenhaus.
Hinterlassener Roman von E. Marlitt. Vollendet von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)


Der erste Schnee in den Bergen! Dort oben fällt er früh; in der Ebene fliegen vielleicht noch die Sommerfäden; da flimmert’s und stiebt’s schon hier oben und liegt duftig weiß und glitzernd auf den Tannen. Dann ist’s behaglich in den Häusern der Menschen; die großen Kachelöfen thun ihre Schuldigkeit und die Fenster sind mit grünem Moos umkränzt, daß der kalte Wind keine noch so kleine Oeffnung findet, ins Innere zu dringen. Köstlich ist es dann besonders Abends, wenn die Lampe über dem Tische schaukelt und ihr Licht auf spiegelndes Theegeräth fällt.

Aber so heimlich warm, so wohnlich, so altväterisch behaglich war es doch nirgend in dem ganzen Gebirg, wie in der Wohnstube des Neuhäuser Schlosses. Schade nur, daß das Spinnrad mit dem farbigen Wockenband nicht mehr auf der Estrade seinen Platz hatte – es paßte so gut hinein in diese behaglichen vier Pfähle! Draußen flimmerte und stiebte es; hier innen brannte die Lampe auf der Platte des altmodigen Schreibtisches.

Beate schrieb: „Also, dies wären die Wirthschaftsfragen gewesen, Lothar; jetzt zu den Herzensangelegenheiten! Ich war vorhin im Eulenhause und traf Claudine in der Wohnstube; sie gab der kleinen Elisabeth Unterricht. Ich möchte Dir ja gern etwas besonders Gutes schreiben diesmal, aber es ist immer das Nämliche. Sie spricht nie von Dir, und wenn ich davon anfange, so erhalte ich keine Antwort, wenigstens keine, die mich befriedigt. Sie zeigt nur ein Interesse, und zwar das an dem Befinden der Herzogin. Sie lebt wie eine Nonne und sieht bleich aus zum Erbarmen; ihre einzige Abwechselung sind stundenlange einsame Spaziergänge. Joachim, der Egoist, scheint es nicht zu bemerken oder will es nicht sehen; ich habe ihm aber heute den Staar gestochen. Er brachte grade wieder ein dickes Manuskript, das Claudine kopiren sollte; ich nahm es ihr vor der Nase weg und sagte ‚Wenn Sie erlauben, besorge ich das, Sie überbürden ja das arme Mädchen.‛ Du weißt , sie hat die Ida abgeschafft und thut alles allein, kocht, näht und plättet, und nicht etwa schlecht! Da soll sie nun neben den Haushaltungsgeschäften noch wie ein Bogenschreiber frohnen und ihre Augen vollends verderben. Als ob die nicht vom Weinen genug gelitten hätten!


Spielgefährten.     Nach dem Oelgemälde von B. Piglhein.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_373.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2016)