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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Bekanntlich erhielten das Kommando, unter Oberleitung Wrangels, über die Österreicher Feldmarschall-Lieutenant von Gablenz und über die Preußen Prinz Friedrich Karl. Dem Kronprinzen fiel die Rolle einer Mittelsperson bei etwa nöthig werdenden Ausgleichungen der verschiedenartigen Kampfgenossen zu, eine Rolle, für die er in jeder Beziehung, durch persönliche Liebenswürdigkeit wie durch soldatische Tüchtigkeit und seinen hohen Rang, wie geschaffen war. Er wurde bald der Liebling aller Truppen, mit denen er alle Beschwerden und Entbehrungen des harten Winterfeldzuges theilte. Im Gefecht bei Nübel, am 22. Februar, stand er zum ersten Mal im Feuer. Mit Wrangel zog er dann bis vor Fridericia, wo er am 21. März abermals im Feuer stand; am 18. April beobachtete er von der Gammelmark Lobten aus den Sturm der Düppeler Schanzen und empfing am 21. in Flensburg seinen Vater, vor welchem dann die Sieger von Düppel in ihrer Sturmkleidung Parade machten.

Dienst und Familie theilten sich nun wieder in sein Leben und die Familienfreude gewann einen Zuwachs; am 15. September 1864 wurde den drei Geschwistern ein Brüderchen geschenkt, welches Siegismund getauft wurde. Die frohen Eltern brachten den Spätherbst in der Schweiz zu und waren Mitte Dezember wieder bei den Ihren, um nun für vier Kinder den Christbaum zu schmücken. Wir wollen hier gleich melden, daß noch ein Töchterchen am 12. April 1866 hinzukam, das den Namen Victoria erhielt.

Das Jahr 1865 war wieder ein vielbewegtes; denn während der Unfriede der Konfliktszeit fortdauerte, feierte der König in vier Provinzen ihre fünfzigjährige Zugehörigkeit zum preußischen Staate. Und in derselben Zeit hatte die alte Eifersucht und Zwietracht zwischen Oesterreich und Preußen in Schleswig-Holstein wie am Bundestag endlich den Bruch herbeigeführt. Deutschland stand vor dem Krieg von 1866.

Das Vertrauen seines königlichen Vaters stellte schon am 17. Mai den Kronprinzen an die Spitze der zweiten Armee, welcher die wichtige Aufgabe zufiel, Schlesien gegen den dort erwarteten Angriff zu vertheidigen. Diesmal war es ein schwerer Abschied vom geliebten Weibe und von den fünf Kindern, die im liebreizendsten Alter den Vater umdrängten, der in den Krieg zog. Ob eine dunkle Ahnung mit ihm ging? – Auf des Königs Befehl eilte er, am 2. Juni noch zum Militärgouverneur von Schlesien erhoben, nach Neiße, um von dort aus die Aufstellung seiner Armee zu ordnen, und dort, mitten in angestrengtester Thätigkeit traf ihn die Nachricht, daß sein jüngster Liebling, sein kleiner Siegismund, gestorben sei. – Erst nach dem Friedensschluß schrieb er darüber nach Berlin: „Es war eine schmerzliche Aufgabe, daß ich meiner Gemahlin und meinem sterbenden Kinde nicht beistehen, daß ich meinem heimgegangnen Sohne nicht die Augen zudrücken konnte. So schwer es mir damals wurde, fern von Heimath und Familie zu bleiben: ich sehe jetzt mit Genugthuung darauf zurück, weil es ein Opfer war, das ich dem Vaterlande brachte.“ –

Mit seinem Unterfeldherrn drang er durch die Pässe des Riesengebirges bis Königinhof vor, nach dessen Erstürmung (am 29. Juni) er am 1. Juli in einem Armeebefehl sich fünf glänzender Siege und der gelungenen Verbindung mit der 1. Armee (unter Prinz Friedrich Karl) rühmen konnte. Am 3. Juli wurde die Entscheidungsschlacht vor Königgrätz geschlagen, welcher die Friedensverhandlungen und der Friedensschluß folgten.

Wie alle seine Feldherren, so belohnte der König auch seinen Sohn mit den höchsten militärischen Orden und Würden, und welches Glück, welche Hoffnung spricht er in den Worten aus: „Ich habe Dir den größten Beweis königlichen und väterlichen Vertrauens gegeben, indem ich Dir die Führung einer Armee übertrug. Du hast diesem Vertrauen in hohem Grade entsprochen. – Ein ehrenvoller Friede bereitet Preußen und Deutschland eine Zukunft vor, die Du berufen sein wirst, unter Gottes gnädigem Beistand dereinst auszubauen.“

Nur drei Jahre trennen das Neujahr 1867 von dem von 1870, aber sie sind für den Kronprinzen und die Seinen reich an wichtigen Erlebnissen.

Die glänzendste Seite des Jahrbuchs von 1869 nimmt die große Orientreise des Kronprinzen ein, welche ihn über Venedig und Brindisi nach Korfu und weiter nach Athen, Konstantinopel, am 4. November nach Jerusalem und über Damaskus nach Port Said führte, wo er, vom Vicekönig persönlich eingeladen, zugleich mit dem Kaiser von Oesterreich, der Kaiserin von Frankreich und dem Prinzen Heinrich der Niederlande am 17. November der Einweihung des Suezkanals beiwohnte. Nachdem er in Suez das Rothe Meer begrüßt, dann den Nil bis zum ersten Katarakt befahren, in Kairo am 5. Dezember den Grundstein zu einer evangelischen deutschen Kirche gelegt und die Pyramide bei Gizeh bestiegen hatte, trat er am 9. Dezember von Alexandrien aus die Heimfahrt an. In Cannes eilte er ans Land; denn dort fand er alle seine Lieben, Gattin und Kinder seiner harrend. Das Wiedersehen war nur durch die Krankheit des Jüngsten, Waldemar, getrübt, der an der Bräune litt. So mußte diesmal der Christbaum in Frankreich angebrannt werden, wie dies auch zur nächsten Weihnacht geschah. Am 26. Dezember reiste die Familie ab, nahm den Heimweg über Paris, wurde von Napoleon und Eugenie aufs gastfreundlichste beehrt und begrüßte im glücklichsten Friedensgefühl in der Heimath das neue, das große Jahr – 1870.

Wie H. Hengst in seinem „Fürstenbild aus dem 19. Jahrhundert“ schlagend zusammenstellt, hatte schon am Nachmittag des 15. Juli die „Kaiserin Eugenie ihren hübschen kleinen Krieg, übernahm Ollivier leichten Herzens die Verantwortung für denselben, war der Kriegsminister Leboeuf erzbereit, und so konnte am 19. Juli der französische Geschäftsträger dem Grafen Bismarck die Kriegserklärung überreichen.“ – Und der Kronprinz? „Ihm gewährte das Schicksal die denkbar höchste Gunst, die es einem preußischen Kronprinzen bewilligen konnte: an der Spitze eines aus fast allen deutschen Stämmen gebildeten Heeres für Deutschlands gekränkte Ehre ins Feld zu ziehen und als deutscher Kronprinz siegreich zurückzukehren.“

Heute und immerdar werden wir es auch preisen, daß der Kronprinz nach den Metzer Siegen der anderen Armeen nicht nach Paris zog, sondern nach Norden abschwenkte; denn nur dadurch ist der Tag von Sedan zu einem Festtag aller Deutschen geworden.

Den größten Sieg aber gewann Friedrich Wilhelm über die Herzen des Volks in Waffen und daheim durch sein Herz, dessen Reinheit und Festigkeit der Klarheit und Kraft seines Geistes würdig war. Sein Rang, seine Thaten, sein Wissen und Können berechtigten ihn, sich hoch zu fühlen, und doch stieg er am liebsten von dieser Höhe herab, um als Mensch bei Menschen zu stehen. Seine Volksthümlichkeit war nicht gemacht und gesucht: das Volk trug sie ihm entgegen im Süden wie im Norden. Er war es, der durch seine ritterliche, volksthümliche Persönlichkeit die Herzen der süddeutschen Soldaten im Sturm gewann und der dadurch am meisten dazu beigetragen hat, die innere Vereinigung und Verschmelzung des Südens mit dem Norden herbeizuführen. So ist der Name „unser Fritz“ als die höchste Ehrenbezeigung des gesammten deutschen Volkes für den deutschen Kronprinzen anzuerkennen.

Nach dem Kriege lag dem Kronprinzen zunächst um Herzen die Heilung der Wunden, die Pflege umfassender nationaler Wohlthätigkeit. Ihn selbst bedrückten fast die Ehren, mit welchen man ihn daheim wie von außen auszeichnete. Noch höher stellte ihn seine militärische Pflicht, denn aus dem norddeutschen Bundesheer war ein deutsches Reichsheer geworden, und Inspektionen, Revuen und Manöver führten den Kaisersohn in alle deutschen Staaten und Provinzen. Nicht weniger nahmen ihn die Feste geschichtlicher Erinnerungen an deutsche Thaten und Männer in Anspruch, an denen der erwachte und so gewaltig gehobene Nationalstolz sich erfreute. Und schließlich war dies alles nur glänzendes Zwischenspiel, welches von außen den Himmel seines Hauses bestrahlte, während im Innern Einfachheit und Innigkeit am stillen Herd waltete und die Pflege des aufblühenden Kinderschmuckes der Eltern ernste Sorge und reinstes Glück war.

Am 22. April 1872 wurde dem Kronprinzen sein jüngstes Töchterchen, Margaretha, geboren. Zwei Jahre darauf brachten die Eltern ihre beiden ältesten Söhne auf das Gymnasium in Kassel, wo sie genau wie ihre Schulgenossen gehalten und so dem Volke nahe gebracht werden sollten, anstatt von Hofmeistern im Glanze der Hofhaltung erzogen und dem Volke entfremdet zu werden. Für die Jüngeren aber, die in ihrem Alter von sechs, vier und zwei Jahren der herrlichsten Spielzeit angehörten, war auf den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 443. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_443.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)